Von Carsten Schulz: Hallo Frau Koecher, nach den geschilderten Schwierigkeiten im allgemeinen Verkehrsgewühl und Ihren privaten Bedürfnissen komme ich nicht umhin, diese unkommentiert zu belassen. Denn glaubwürdig sind diese nicht. So, wie sich die gewohnten täglichen Wege jeder organisiert, verfestigt sich auch die dazu gehörige Perspektive als die alleinig funktionierende.
Nach kurzer Zeit scheinen Änderungen in den Gewohnheiten völlig undenkbar. Bei Ihnen sind es die Hol- und Bringefahrten, bei anderen können es Einkaufsgewohnheiten sein, die völlig unverrückbar vorgeben, einmal in der Woche den Kofferaum vollzuladen. Besieht man sich diese (und andere) Verhaltensmuster von außen, wird schnell offenbar, wie groß der Widerstand ist, sich anderen Sicht- oder gar Verhaltensweisen zu öffnen.
Wenig glaubwürdig ist Ihre vergleichende Rechtfertigung deswegen, weil es in Leipzig nur eine Straßenbahnlinie (die Linie 14) gibt, welche nur alle 20 Minuten verkehrt, alle anderen fahren 10-minütlich, durch Linienüberlagerungen auch öfter. Die 14 kann nicht Ihre Linie sein, denn Sie schreiben, dass Sie eine Stunde unterwegs wären. So lange braucht die 14 zwischen deren Endstellen nicht. Als Betroffene der gesperrten Lützner Straße liegt der Kindergarten demnach in Sommerfeld oder Meusdorf. Oder doch nicht?
Dann – und das ist wesentlich wahrscheinlicher – liegen Sie mit den gefühlten oder geglaubten Fahrzeiten falsch (dann würden auch die 20 Minuten PkW-Zeit nicht stimmen). Und schon zeigt sich die Wirkung der eingangs geschilderten starren Verhaltensmuster: Selbst die unsinnigsten Handlungen redet sich jeder selbst schön (oder passend). Ein Dilemma, aus dem heraus nur der Sprung ins vermeintlich kalte Wasser bleibt, nämlich einfach eine oder mehrere andere Varianten auszuprobieren. Oder Andersherum: “schön geredet” wär die gewonnene Zeit für Sie und Ihr Kind, welche beispielsweise in der Straßenbahn viel intensiver genutzt werden kann, als selbst fahrend im eigenen Wagen. Statt Zeitverlust ein Gewinn?
Der Grund meiner Schilderung ist die Übertragung auf das massenhafte Auftreten gleichartiger Strickmuster. Daraus erwachsen ganz andere Schwierigkeiten, mit denen Stadt und Gesellschaft fertig werden müssen. Deshalb sind Straßen und Infrastruktur schneller verschlissen, deshalb ganze Straßenzüge so verlärmt, dass nur eingeschränkt gewohnt werden kann, deshalb immer noch der Druck vorhanden, sich eine Bleibe “im Grünen” zu suchen. Die Flucht vor den selbst aufgetürmten Problemen, um diese dann weiter zu verstärken. Nur fehlt vielen das Verständnis, was die vieltausendfache Auswirkung des Handelns wirklich bedeutet. Die führen auch in eine Ringabhängigkeit. Und so eifern viele einem Erwartungsbild nach, welches weder gelebt werden muss noch begrüßenswert wäre. Nachhaltig ist es schon gar nicht.
Veränderungen können bereichern! Und um nicht zu fantastisch zu wirken, bei meinen täglichen 80 km Arbeitsweg muss nicht nur das Kind vorher in den Kindergarten, da wollen auch Abfahrtszeiten eingehalten werden. Züge fahren meist gnadenlos pünktlich. Es geht.
Zum Leserbrief vom 24. Juli 2012 auf L-IZ.de
Leserbrief zum Artikel: Großbaustelle Lützner Straße: Zwischen-Endspurt in den Sommerferien
Zum Artikel vom 18. Juli 2012 auf L-IZ.de
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