Von Juliane Nagel: Langsam aber sicher kommt etwas in Ruhe in die Debatte um die Zukunft der Unterbringung von Asylsuchenden in Leipzig. Dies öffnet zugleich Räume für Klarstellungen. Denn die Menschen, die sich oft schon seit Jahren für die Belange von Flüchtlingen in Leipzig und anderswo engagieren, staunten nicht schlecht, als sich eigens aus Protest gegen die von der Stadtverwaltung vorgeschlagenen kleinteiligen Häuser im Stadtgebiet gegründete BürgerInneniniativen vollmundig für die dezentrale Unterbringung von Asylsuchenden aussprachen.

Und auch im Brief der Agenda-Gruppe Grünau taucht dieser Begriff auf. Klar gestellt werden muss allerdings: dezentrale Unterbringung findet sich nicht im Konzept der Stadtverwaltung wieder. In jenem geht es um die Errichtung von sechs kleinen Heimen und einer großen Sammelunterkunft, letztere in Grünau.

Zwar sind diese geplanten Standorte an verschiedenen Orten und damit dezentral gelegen, doch hinter diesem Konzept steht nicht das, was der feststehende Begriff “dezentrale Unterbringung” meint. Denn dezentrale Unterbringung bedeutet, dass die betroffenen Flüchtlinge selbstbestimmt in eigenen Wohnungen leben können – was ein ganz normaler Standard, ja ein Menschenrecht sein sollte. Diesen Standard durchzusetzen, fehlen der Kommune wie auch den Landkreisen allerdings die rechtlichen und finanziellen Möglichkeiten.

Asylsuchende können sich nämlich nicht aussuchen wo und wie sie leben. Sie werden nach dem so genannten “Königsteiner Schlüssel” vom Bund an die Länder und vom Land den Kommunen und Landkreisen zugewiesen. Außerdem schreiben Bundes- und Landesgesetzgeber “Gemeinschaftsunterkünfte” als Regelunterbringungsform vor. Eine eigene Wohnung muss von jedem/r Einzelnen beantragt werden und wird in Sachsen laut Erlass des Innenministeriums nur bei amtsärztlich nachgewiesener schwerwiegender Erkrankung oder wenn humanitäre Gründe (u.a. Familien mit Kindern, Alter, geschlechtsspezifische Diskriminierung, Ausbildung) dies begründen, gewährt. (siehe Anfrage des SPD-Landtagsabgeordneten Enrico Bräuning, 2009, Anlage: Erlass des SMI – am Ende des Textes)

Außerdem dürfen die Wohnkosten die Unterbringung in der Sammelunterkunft nicht überschreiten.

Die Kommunen und Kreise bekommen vom Land eine Pauschale ausgezahlt, mit der die entstehenden Kosten beglichen werden sollen. In Sachsen liegt diese bei ca. 375 Euro monatlich und stagniert seit zehn Jahren, während sich die realen Kosten erhöht haben. Neben den reinen Kosten für das Wohnen, zahlt die Stadt aus dieser Pauschale auch noch Leistungen für Verpflegung, Hygiene, Bekleidung sowie Taschengeld und Krankenhilfekosten.

Der sächsische Ausländerbeauftragte, Martin Gillo (CDU) fordert, dass die Pauschale erhöht wird und macht sich darüber hinaus wie verschiedene Oppositionsparteien im Landtag dafür stark, dass die Möglichkeiten der tatsächlichen dezentralen, also individuellen Wohnungsunterbringung erweitert wird. Diese Forderungen und entsprechende Anträge der Landtagsfraktionen (zuletzt von der Linksfraktion im Februar 2012 beantragt und im April im Landtag abgelehnt) prallen allerdings an der schwarz-gelben Regierung und Landtagsmehrheit ab.

Genau hier sollten sich die, die sich jetzt vollmundig für dezentrale Unterbringung aussprechen, engagieren – indem sie ihre Forderung an CDU und FDP-ProtagonistInnen richten. Denn letztendlich bleibt auch das Konzept “Wohnen für Berechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Leipzig” mit der darin vorgesehenen Heimunterbringung hinter dem Anspruch auf selbstbestimmtes, menschenwürdiges Wohnen zurück.

Zum Artikel vom 24. Juni 2012 auf L-IZ.de
Asylunterkünfte in Leipzig: Agenda-Gruppe Grünau schreibt einen Brief an die Stadträte

Anfrage des SPD-Landtagsabgeordneten Enrico Bräuning, 2009 (seitdem unverändert)
edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=14222&dok_art=Drs&leg_per=4&pos_dok=-1

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