Morgen beginnt der Deutsche Katholikentag in Leipzig. Bis zum 29. Mai treffen sich hier Gläubige und Atheisten, um zu miteinander zu diskutieren, Neues zu erfahren, Gemeinsames zu erleben und zahlreiche Veranstaltungen überall in der Stadt zu besuchen. Doch warum gibt es überhaupt Katholikentage und warum findet dieser ausgerechnet in der Diaspora statt? - Diese Fragen beantwortet Prof. Dr. Gert Pickel, Religions- und Kirchensoziologe der Universität Leipzig.
Gemeinsam mit zwei Kollegen hat er kürzlich ein Buch mit den Ergebnissen einer Befragung von Besuchern des Regensburger Katholikentages im Jahr 2014 herausgegeben.
Warum gibt es überhaupt Katholikentage?
Katholikentage sind Ausdruck der Laienbewegung, noch genauer der katholischen Verbände aus dem 19. Jahrhundert. Im Prinzip parallel zur Ausbreitung der nationalen Idee konstituierte sich 1848 die Generalversammlung der Laien. Sie war als Kennzeichen der inneren Zusammengehörigkeit der Katholiken in einem staatlich vorwiegend protestantisch geprägten Deutschland gedacht, aber auch als Signal und für die Aussenwirkung des deutschen Katholizismus in gesellschaftlicher Hinsicht. Entsprechend war der Kampf für die Freiheit der Kirche neben anderen sozialen Themen auch ein zentraler Grund für die Etablierung eines Katholikentages. Trotz einiger kritischer Perioden hat sich der Katholikentag bis heute als Ausdruck der katholischen Verbände- und Laienidentität gehalten – und gerade in den letzten Jahrzehnten durch das verstärkte Auftreten auch jüngerer sozial engagierter Katholiken neuen Schwung erfahren.
Für wen ist der Deutsche Katholikentag besonders interessant?
Die zentralen Interessenten der Katholikentage suchen einen Mix aus Glauben, daraus abgeleiteter Politik und Gemeinsamkeit. Das Zusammenkommen mit – religiösen – Gleichgesinnten trägt heute wie früher zu einer Stärkung und Stabilisierung der Identität vieler Mitglieder bei. Dabei ist es vor allem die Gruppe der zivilgesellschaftlich stark engagierten Katholiken, die auch kirchenpolitische Wünsche formulieren wollen, welche den Kern der Besucher ausmacht. So hat man ein nicht unwesentliches, immer gerne wiederkehrendes Stammpublikum, dass auf lokale Interessenten trifft. Besonders etwas ältere “Wiederholungsbesucher” und Jugendgruppen prägen das Bild des Katholikentags. Gemeinschaft und Gemeinsamkeit im Glauben, aber auch davon abgeleiteten Werte, auch mit politischem Bezug, sind dabei von zentraler Bedeutung für die Teilnehmer, wie zumindest unsere Untersuchung zum Regensburger Katholikentag zeigt.
Warum findet dieser Katholikentag ausgerechnet in der Diaspora in Leipzig statt?
Die Wahl des Diasporaortes Leipzig hat verschiedene Gründe. Zum einen setzt es ein Zeichen, dass auch die wenigen Katholiken in Ostdeutschland zur (Laien)Gemeinschaft gehören. Es gibt ihnen auch die Möglichkeit, sich mit anderen Katholiken zu treffen, die ein ähnliches Verständnis ihres Glaubens besitzen wie sie selbst. Wichtig ist aber sicher auch der Hinweis – und dieser wird durch bestimmte Elemente des Programmes besonders umgesetzt – auf die Gesprächsbereitschaft mit Konfessionslosen und auch Nichtgläubigen. Überhaupt soll ja die Pluralität der Gesellschaft miteinander ins Gespräch kommen. Dabei knüpft man im Prinzip an eine gute Tradition der Katholikentage an, sich nicht nur in traditionalen “Kerngebieten”, sondern auch in der Diaspora oder im protestantischen Umfeld zu treffen. Dies ist für die Identitätssicherung dieser spezifischen Gruppe hochreligiöser Katholiken auf jeden Fall hilfreich.
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