Die Initativen "Willkommen im Kiez", "Willkommen im Osten" und der Initiativkreis: Menschen.Würdig. hatten in den vergangenen Wochen die Stadträt*innen mit offenen Briefen und einer Petition, die von mehr als 3700 Menschen unterzeichnet wurde, dazu aufgefordert, Geflüchtete so schnell wie möglich selbstbestimmt Wohnen zu lassen, anstatt die Massenunterkunft in der Torgauer Straße auszubauen und sich damit von diesem Ziel zu entfernen.
Während der Sitzung des Leipziger Stadtrates am Mittwoch wurde die Petition des Initiativkreises: Menschen.Würdig. und der offene Brief der Initiative “Willkommen im Kiez” mit Unterschriften von über 50 Vereinen, Institutionen und öffentlichen Räumen und weiteren 320 Privatpersonen aus dem Leipziger Westen an den Oberbürgermeister (OBM) Herr Jung übergeben.
Bei der Übergabe entspann sich zwischen den Aktiven und dem OBM eine rege Diskussion. In dieser wurde erneut deutlich, dass Herr Jung und die Stadtverwaltung zwar gern von Willkommenskultur sprechen, dabei aber verkennen, dass Geflüchteten mit Isolation und Ausgrenzung in nicht geholfen wird. Statt die realen Chancen einer schnellen Vermittlung in Wohnungen und WGs sinnvoll zu nutzen, wird ein Gespenst von Zeltstädten und Turnhallen gezeichnet. Auch den Angeboten von Seiten der Wohnungsbaugenossenschaften und Privatpersonen wird ganz offenbar nicht ausreichend nachgegangen.
Werner Schütz von der Intiative “Willkommen im Kiez” dazu: “Schon heute liegen die Kosten der Unterbringung in Massenunterkünften über dem entsprechenden Satz für Sozialwohnungen – und das ohne Kosten für soziale Betreuung. Nun werden knapp 6 Mio. € aus dem Etat der Stadt in ein marodes Lager gesteckt, welches auch weiterhin isoliert am Stadtrand in einem Gewerbegebiet liegen wird. Mit diesem Geld könnten über 5 Jahre 26 volle Stellen für die soziale Begleitung Geflüchteter bei Wohnungsvermittlung, Übersetzungen und dem Ankommen in Leipzig finanziert werden. Das wäre eine Sofortmaßnahme mit Zukunftsperspektive.”
Gemeinsam mit anderen Initiativen für Geflüchtete hat der Initiativkreis: Menschen.Würdig. vom Oberbürgermeister einen runden Tisch mit der Beteiligung aller Akteur*innen gefordert. Bisher wurde hier vor allem auf eine technische Problemlösung gesetzt, statt endlich eine sozialpolitische Perspektive zu entwickeln. Herr Jung zeigte sich überrascht, dass es eine solche Instanz noch nicht gibt und versprach in der Diskussion, dass die bestehenden Informationsgremien wie der AK Migrantenhilfe zu einem solchen offenen Forum werden sollen. Dazu empört sich Kim Schönberg vom Initiativkreis: Menschen.Würdig.: “Es ist ein Skandal, dass obwohl Alternativen auf dem Tisch lagen, der Ausbau der Torgauer Straße zur größten kommunalen Massenunterkunft Sachsens beschlossen wurde. Damit werden die Probleme in der Unterkunft buchstäblich zementiert. Dann das Desaster von den ehrenamtlichen Strukturen aufwischen zu lassen, wie es einige Stadträt*innen in der Ratssitzung vorschlugen, ist eine Farce.”
Entgegen dem Vorwurf der Realitätsferne einiger Stadträt*innen hatte die Initiative “Willkommen im Kiez” in nur einer Woche ein dutzend Angebote für WG-Zimmer für Geflüchtete bekommen. Die Plattform “Flüchtlinge Willkommen” hat fast 400 Angebote allein in Leipzig erfasst. Ähnlich geht es anderen Initiativen wie “Willkommen im Osten”. Die Wohnungsbaugenossenschaften haben deutlich gemacht, dass sie zahlreiche Wohnungen sofort bezugsfertig für Geflüchtete anbieten können, wenn die Stadtverwaltung eine klare Kommunikationsbasis und Zuständigkeit dafür schafft.
Damit der Beschluss zum Ausbau tatsächlich, wie vom Oberbürgermeister und den Stadträt*innen versprochen, nicht zum Beschluss gegen dezentrales Wohnen wird, fordern “Willkommen im Kiez” und der Initiativkreis: Menschen.Würdig. die Stadtverwaltung auf, den Angeboten endlich entgegenzukommen. Konkret bedeutet dies auch:
- Die sogenannte Wohnfähigkeitsprüfung muss überdacht werden.
- Die Anträge auf dezentrale Unterbringung müssen vereinfacht und umgehend genehmigt werden.
- Der Dialog mit den Genossenschaften zwecks Unterbringung muss gesucht werden.
- Die Stadtverwaltung muss endlich die zahlreichen Akteure, die auf diesem Gebiet aktiv sind, auf Augenhöhe einbeziehen.
“Das Problem liegt nicht bei den vorhandenen Möglichkeiten sondern bei der mangelnden Kooperation und Kommunikation zwischen diesen Möglichkeiten. Wir erwarten von der Stadt, dass sie sich hier einbringt und investiert”, so Werner Schütz. Dazu ergänzt Kim Schönberg vom Initiativkreis: Menschen.Würdig.: “Wenn die Stadt es mit ihrer proklamierten Willkommenskultur tatsächlich ernst meint, dann muss auch der Oberbürgermeister die Lebensbedingungen von Geflüchteten endlich auf die Agenda setzen und einen Runden Tisch mit allen Akteuren initiieren!”
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