Ihr Kolumnist verbringt dieser Tage viel Zeit im Rathaus. Neben todtraurig-uncharmanter Verwaltungssprache trifft man hier und da Perlen, die es nรคher zu betrachten gilt. So geschehen zur Ratssitzung im November: Die hรถchste Ehrung, die von der Stadt Leipzig vergeben werden kann, stand fรผr einen gewissen Herrn Sternburg zur Abstimmung.
Ooooh, Aaaah, hรถre ich die geneigte Leserinnenschaft schon raunen, Sternburg, das ist gut, damit haben mehr als die Hรคlfte der Jugendlichen in Leipzig ihre ersten Rauscherfahrungen gemacht und entsprechende Katererscheinungen am nรคchsten Tag aushalten mรผssen. Mit Sternburg ist Leipzig so (sie sehen es nicht, aber ich lege Zeige- und Mittelfinger รผbereinander).
Las man genauer hin, so war zu erkennen, dass es um Bier ganz und gar nicht ging. Zugegeben, einem Bier ist auch schlecht eine Ehrenbรผrgerschaft zu verleihen. Schade eigentlich. Wer nun diese erste Enttรคuschung geschluckt hat, konnte es im umfangreichen Begrรผndungsschreiben der Verwaltung lesen โ es geht um Herrn Wolf-Dietrich Freiherr Speck von Sternburg. Dieser sei ein echter Wohltรคter, der nicht nur der Stadt teure Kunstwerke spendierte, sondern auch einen Park in Lรผtzschena und โ wer kann dagegen etwas sagen? โ sich fรผr ein Kinderhospiz einsetzt. International umtriebig ist er auch noch, in der ganzen Welt unterwegs, immer mit guten Worten รผber Leipzig im Gepรคck.
Wir wissen zwar nicht (auch aus dem Verwaltungsschreiben geht es nicht hervor), woher das ganze schรถne Geld fรผr all die Wohltaten stammt. Selbst verdient? Herr von und zum Sterni ist immerhin Hotelkaufmann gewesen, das kรถnnte ein paar Groschen abgeworfen haben. Eines wissen wir allerdings mit Sicherheit: Die berรผhmte Sammlung Sternburg (mit echten Krachern der Malereigeschichte, Cranach-Altรคre und alte Niederlรคnder) wurde vom Ur-Sternburg Maximilian Speck, Schafzรผchter und Bierbrauereigrรผnder, zusammengetragen und dann nach dem Zweiten Weltkrieg enteignet.
Praktisch: Die Kunst landete direkt im Leipziger Bildermuseum. Man kรถnnte sagen, da wo sie hingehรถrt. Als die Wende kam, kamen diese Flachwaren wieder in Familienbesitz, doch der gรผtige Herr Speck von Sternburg gรผtete sehr und belieร die Bilder im Museum. Fein gemacht!
Nun kรถnnte man sagen โ und als ihr Kolumnist der Herzen tue ich das auch, denn ich schreibe auf, was andere sich nicht zu sagen trauen โ der Herr von und zum Sterni macht einen guten Job. Er tut Dinge, die seinem Berufsbild entsprechen und, wenn man den Berichten trauen darf, sogar noch ein bisschen mehr. Zum Beispiel an den Grundprinzipien des menschlichen Zusammenseins festhalten und kein gieriger Arsch sein. Oder etwas davon abgeben, wenn man sehr viel mehr Geld hat, als andere im Jahresdurchschnitt verdienen. Oder eben krebskranke Kinder tรคtscheln und รผberhaupt ein umgรคnglicher Mensch sein, der zufรคllig reich geworden ist.
Darin unterscheidet sich der Herr Sternburg wohl doch von den anderen Reichen da drauรen. Er ist zum einen sichtbar und versteckt sich nicht hinter seinen Milliarden. Es ist auch weiterhin nicht bekannt, und auch nicht wahrscheinlich, dass Wolf-Dietrich unter dem Sternburgschen Schlosspark einen Prepperbunker gebaut hat, und sein Gewinnstreben lediglich ein Mittel zum Instellungbringen gegen die Klimakatastrophe und die damit einhergehenden Heere der Armen ist.
Auch sind keinerlei Planetenfluchtplรคne seinerseits bekannt. Er ist einfach gesagt: ein guter Reicher. Er macht, was alle machen sollten, wรคren sie reich. Darum darf er von mir aus seine Ehrenbรผrgerwรผrde bis zur Weltrevolution behalten.
Denkt aber, es reicht, ihm zu Ehren einen Kasten Sterni leer zu machen
Ihr MP in spe a.D.
Tom Rodig
โRodig reflektiert: Ein Sterni in Ehrenโ erschien erstmals im am 29.11.2024 fertiggestellten ePaper LZ 131 der LEIPZIGER ZEITUNG.
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Wunderbar geschrieben ๐, darauf habe ich mir als Uri-Trinker ne Schachtel Sterni gegรถnnt. Vielen Dank und auch 25 immer ein kaltes ๐บ