Kernaufgabe eines Kolumnisten wie meiner einer, der Hanswurst aus dem Textedepartemeng der PARTEI, ist das Studium der politischen Landschaft. Und während da draußen vom Insekt bis zum Vogel alles im Bestand rapide schrumpft, explodiert aktuell die politische Artenvielfalt. Blicken wir in den Dschungel des Politbetriebs und nehmen die putzigen kleinen Neugeborenen einmal genauer unter die Lupe.
Unsere Expedition startet dort, wo die Familienstammbäume noch ganz traditionell einen Kreis beschreiben: im Saarland. Das kleine Bundesland, das ungefähr so groß ist wie das Saarland, beherbergt eine ganz eigentümliche Sorte Parteifreunde. Frisch gegründet ist das Bündnis Sandra Wagenknecht. Der 80-jährige Oskar „Sleepy-O“ Lafontaine – Kämpfer für die Frauenrechte, die er ist – hat seiner Frau erlaubt, eine Partei zu gründen, aber nicht bevor er seiner letzten Parteigründung (manch eine kennt sie noch, es ist „Die LINKE“) nochmal so richtig einen hat mitgeben lassen.
Nach erfolgreicher Zerlegung der Linkspartei kennt die Wagenknecht-Partei über ein paar Schlenker nur eine Endstation, nämlich die Bedeutungslosigkeit. Zwischendrin wird’s noch ein paar Mandate geben, aber ich nehme gerne Wetten an, dass der Fanclub SW Saarland höchstens noch die nächste Bundestagswahl erlebt. Denn die Partei hat vor allem einen Nimbus, sie ist eine demographische Einbahnstraße. Eine Partei der Letztwähler sozusagen. Den Rest der Geschichte kann ihnen Frauke Petry erzählen.
Eine weitere Sammelstelle für die Alten, Verwirrten und Verärgerten ist noch jünger und fußt ebenso auf dem Größenwahn und den Illusionen eines Einzelnen. Die Partei der „WerteUnion“ mit dem Gesicht, das nicht zufällig die Brille Heinrich Himmlers trägt, Schorschi Maaßen. Als Imperialer Hexenmeister des staatlichen Faschoschutzes hat er eine Ja-Sager-Brigade unter seinem schwarzen Banner versammelt und so groß Anlauf genommen, dass die Rollatoren quietschen.
Eine Partei, wie sie Deutschland verdient hat – borniert, faktenfern und mit ganz viel Angst, dass die furchtbaren deutschen Zustände sich endlich irgendwie ändern könnten. Da kann man schon mal Angst bekommen, wenn jene, die man beim Bundesamt jahrelang protegiert hat, einem nun die Butter vom parlamentarischen Brot nehmen.
Denkt denn niemand auch nur einmal an den Verbleib von Hans-Georg? Auch er sollte doch späte Anerkennung für sein jahrelanges Treiben verdient haben, denkt er zumindest über sich selbst. Und da gerade alles so schön im Umbruch sich befindet, was liegt da näher als ein paar mickrige Prozente abzugreifen.
Als Vehikel dient die Partei „Werte-Union“, die schon vom Namen her klingt wie der Anfang eines schnell ausfällig werdenden Beschwerdebriefes an das Konrad-Adenauer-Haus. Erfolgsprognosen sehen noch deutlich übler aus, als bei Sandra W. Doch ihr Kolumnist ist ja kein Unmensch und wünscht dem HaGe eine behagliche Hobbithöhle in den Tiefen des Thüringer Waldes, wo er zetern darf, wie ihm das Kleintiergesicht gewachsen ist.
Für Sachsen, und in diesem Elend sind wir in Leipzig ja nun bekanntlich immer noch wohnhaft, gibt es noch eine dritte, ganz besonders abseitige Kleinpartei: Die Freien Sachsen. Wenn ihnen also die AfD zu wenig rassistisch, oder das BSW zu wenig populistisch, dann bleiben eigentlich nur noch die Galgenschnitzer aus dem Arzgebirg. Altgedienter Neonaziadel und fettgefressene Wutbürger in Bewegung, da bleibt keine Faust trocken. Man erhofft auch dort sich den Einzug in den Landtag oder wenigstens – mit Hilfe staatlicher Parteienfinanzierung – eine Bratwurst auf die Hand.
Oder sie ersparen uns allen die unaufregenden Selbstzerlegungsspiralen dieser Neobionten, und wählen gleich Die PARTEI.
Ihr MP in spe a.D.
Tom Rodig
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