Es ist ein alter Hut, die großmäuligen Wahlversprechen der herkömmlichen Parteien, die dann doch nicht erfüllbar sind, wenn sich der Pulverdampf des Wahlkampfes gelegt hat, weil die Kassen klamm und der Verwaltungsapparaturen dann doch komplizierter sind, als geneigte Bürgerinnen sich das vorstellen mögen. Ganz groß in der Disziplin „Versprechungen machen, die nicht einhaltbar sind“ ist auch und vor allem die AfD – die „jüngste Altpartei“, wie sie vor nicht langer Zeit ein Ex-AfDler beschrieben hat.
Bereits der alte Tucholsky macht sich lustig, beschreibt den „älteren, aber leicht besoffenen Herrn“, der dit deutsche Volk bei seiner Wahlvorbereitung beobachtet, bei den Faschisten haltmacht, und feststellen muss, dass die Forderung nach „Freiheit und Brot“ womöglich nicht ganz wahrzumachen sein wird: „…un denn jing det los: Freiheit und Brot! ham die jesacht. Die Freiheit konnte man jleich mitnehm – det Brot hatten se noch nich da …“
Das Brot haben sie tatsächlich noch nicht da, und mit den ersten lokalen Posten für AfDer (natürlich in Ostdeutschland) wird langsam deutlich: Det Brot wird ooch nich so viel mehr werden. Wie die Süddeutsche zu berichten wusste, hat der frisch gewählte Bürgermeister von Raguhn-Jeßnitz erst einmal angekündigt, dass die Kita-Gebühren um 60 Prozent teurer werden. So sieht sie aus, die Politik der Deutschen für Deutsche. Welche Budgetkürzungen im Bereich Soziales der neue Oberbürgermeister von Pirna (erster OB der AfDer überhaupt) vornehmen will, ist noch nicht bekannt, dafür kümmert er sich um die andere Sache: die mit der Freiheit.
Nach Aussage von Neu-OB und Ex-CDUler Tim Lochner will er sich zunächst „mit den Mitarbeitern im Rathaus treffen“ und sie, am besten jeden einzeln, „auf Loyalität prüfen“. Das muss sie sein, die von den Faschisten, pardon, „gesichert Rechtsextremen“ versprochene Freiheit. Da hat nämlich jede und jeder die freie Entscheidung, ob man sich dem Ober-AfDer unterwirft, oder doch lieber gleich auswandert. Aber wohin?
Wenn im Juni 2024 in Sachsen Stadtratswahlen, und vielleicht noch verheerender, im September die Landtagswahlen stattfinden, wird die Freude bei den Blaubesorgten Deutschländern keine Grenze kennen. Also natürlich kennen diese Leute Grenzen, aber sie mögen sie eben scharf bewacht und stacheldrahtumzäunt. Wo wir wieder bei der PARTEI wären. Unser Auftrag, die endgültige Teilung Deutschlands herbeizuführen und, also na ja, wenn es sein muss, eben auch mit der Waffe in der Hand zu verteidigen, das dürfte den Rechtsbeseelten eigentlich nur in den Kram passen. Wir sagen „Grenzen dicht!“ und glauben, dass da noch große, unerschlossene Nichtwählerpotentiale geborgen werden können.
Die Deutschen mögen ihre Grenzen eben gut gesichert und nach Möglichkeit mit lebensverkürzender Abwehrkraft. Wenn dabei an der Heimatfront die Kita teurer wird, wird’s wohl am „Asyl-Forderer“ (so nennt’s der Raguhn-Bürgermeister) liegen. Das verfängt, und wenn es nicht am Asyler liegt, dann liegt es eben an der schlechten Stimmung beim Russen. Über die Beziehung zum Russen hat Pirna ungefähr so viel zu sagen wie Kretschmer, aber die Leute glauben es gern. Darum wird es für die AfD auch eng, wenn die Wagenknecht-Partei im Januar auf den Plan tritt. Die PARTEI ist dem ganzen natürlich schon wieder einen Schritt voraus: bereits vor drei Wochen haben Genossen die „BSW Leipzig“ gegründet. Warum auch nur auf einem Ticket in den Landtag einfahren, wenn man auch zwei lösen kann! Schreiben Sie uns, wir verschicken gerne Mitgliedsanträge.
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Ihr MP in spe a.D.
Tom Rodig
„Rodig reflektiert: Brot und Freiheit“ erschien erstmals im am 22.12.2023 fertiggestellten ePaper LZ 120 der LEIPZIGER ZEITUNG.
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