Die adoleszente Abteilung des Klimaprotests wird in der bürgerlichen und proto-faschistischen Presse mit überdurchschnittlich viel Schaum vor der Schnauze besprochen. Diese Kinder seien Mörder, weil sie mit mörderischen Mitteln gegen den Mord an ihren eigenen Lebensbedingungen vorgehen. Klingt verwirrend, ist es auch. Doch wozu haben Sie Ihren Kolumnisten, wenn nicht dafür, Ihnen auseinanderzulegen, wie man das alles zu verstehen hat, stimmt’s?
Ausschweifende Analysen, die haben Sie jetzt vielleicht erwartet und schon ein aufsteigendes Gähnen unterdrückt. Doch wir haben keine Zeit für langwierige Betrachtungen, die Uhr steht 5 nach 12 und einzig hilft jetzt: direkte Aktion. Also genug der Worte, es müssen Taten folgen – und zwar radikale.
1. Ab in den Untergrund!
Vorbei die Zeit, als man morgens bei Muttern noch eine Schüssel Müsli vorgesetzt bekam, bevor es zu den Friday-Protesten geht. Die echte Klimarevolution sitzt im Untergrund und kocht ihren Kleber selber, statt ihn von Großkonzernen herstellen und in Plastik verpacken zu lassen. Es lohnt eben doch, im Chemieunterricht aufzupassen.
Vorteil Untergrund: Seit dem NSU wissen wir, wer untertaucht, wird bis zur Selbstenttarnung auch nicht wiedergefunden. Vorteil Nummer zwei: Die Höhe des Unter-Grundes steigt proportional zum Meeresspiegel.
2. Finanzierung sichern!
Wer es sich nun im Untergrund eingerichtet hat, wird schnell merken: Vom gesparten Taschengeld lässt sich schlecht Klimarevolution machen. Es müssen stetig sprudelnde Geldquellen her. Weil der Handel mit Crypto-Währungen ausfällt (wegen Stromverbrauch) und arbeiten gehen sowieso (wegen Schweinesystem), empfehle ich eine ausgewogene Mischung alter und neuer Beschaffungskriminalität.
Ganz klassisch: Bankraub, Klauen gehen, Häkelarbeiten. Eher neuere Wege sind: Crowdfunding, Cum-Ex-Geschäfte, Enkeltricks (auch an die eigene Familie denken!).
3. Autobosse in den Kofferraum!
Als Symbole eines menschenfeindlichen Kapitalismus haben Zylinder und Monokel ausgedient. Heute fahren Konzernchefende mit fett gepanzerten SUV-Karren durch die Gegend, während sie ihre Öl- und Waffentermingeschäfte am iPad verwalten. Zeit, ihnen die Geräte aus der Hand zu reißen und dann ab in die Schleyer-Lounge!
Denn wer im Kofferraum liegt, kann keine Ölquellen anbohren oder Regenwälder abholzen. Auf lange Sicht produziert so ein dicker Konzernchef auch sehr viel weniger CO₂, wenn er nur artgerecht im (luftdichten) 7er-BMW gehalten wird.
4. Flugzeuge entführen!
Bewährtes Mittel für wochenlang anhaltende Berichterstattung. Seit 9/11 ist zudem erwiesen, dass schon zwei Flugzeuge reichen, um jahrelange Kriege im Mittleren Osten auszulösen. Wir sehen: ausgezeichnetes Aufwand-Nutzen-Verhältnis. Allerdings besteht ein hohes Risiko, dass man schon am Security-Check oder an engagierten Mitreisenden scheitert.
Vorteil: Wenn es schiefgeht, hat man wenigstens einen Klimakiller vom Himmel geholt.
Also, liebe Klima-RAF, beherzt meine Ratschläge. Dann kann auch der Bundeschef des Verfassungsschutzes nicht mehr behaupten, er könne keinerlei Gefahr erkennen, schließlich würde die Letzte Generation lediglich „die Regierung zum Handeln auffordern“ und dadurch mitteilen „wie sehr man dieses System eigentlich respektiert.“
Ohne Restbestände an Respekt für das System,
Ihr MP in spe a.D.
Tom Rodig
„Rodig reflektiert: Ratschläge für die Klima-RAF“ erschien erstmals am 25. November 2022 in der aktuellen Printausgabe der Leipziger Zeitung (LZ). Unsere Nummer 108 der LZ finden Sie neben Großmärkten und Presseshops unter anderem bei diesen Szenehändlern.
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