LEIPZIGER ZEITUNG/Auszug Ausgabe 83, seit 25. September im HandelZeitungen arbeiten gern mit Zeiten. Vor allem und besonders gerne, wenn sie sich in handhabbare Abschnitte einteilen lassen. Darum hat sich ihr Kolumnist dieser Tage mit einem sehr beliebten Zeitabschnitt beschäftigt – dem Jahr! Und da ich in diesem Blatt als Propagandist und publizistischer Erfüllungsgehilfe auch meiner PARTEI zu Diensten bin (neben meiner Tätigkeit als wahrheitsliebender Rufer in der Wüste) ist es Zeit, über das Dasein derselben im Stadtrat zu reflektieren. Denn: Die PARTEI ist mit zwei Herren – Thomas „Kuno“ Kumbernuß und Marcus „Mawei“ Weiss – seit einem Jahr (in Worten: einem Jahr) im Leipziger Stadtrat. Höchste Zeit, zurückzublicken!
Der Rat tritt zusammen (September 2019)
Blut, Bierschweiß und Tränen wurden in den Wahlkampf gesteckt, Wahlvieh durch perfide Versprechungen und eiskaltem Populismus auf die graue Seite gelockt und auch sonst sehr viel Gutes für die Demokratie getan. Das merkte sich die Wählerschaft und schmiss ihre Überzeugung in die Urne. Konsequenz: Betriebsunfall. Wir wurden doch tatsächlich gewählt. Da hatten wir den Salat und zwei von uns traten ein in den merkwürdigen Mikrokosmos „Stadtverwaltung“.
Zur ersten Sitzung mit den Neugewählten wurde zwar den meisten Genossynen, so auch mir, der Zugang verwehrt, denn jemand Schlaues war auf die tolle Idee gekommen, die Zuschauer-Tribüne mit gelangweilten Angehörigen der Leipziger Feuerwehr zu befüllen. Na gut, Staatsbürger in Uniform, hieß es einst, möge es der politischen Bildung dienlich sein. Stattdessen verfolgten wir die ausnehmend öde Sitzung am Live-Stream, kann man wenigstens dabei gemütlich sein Bier aufrauchen. Über die Qualität des Streams selber habe ich mich ja bereits an anderer Stelle echauffiert.
Nun also, hinein in die spannungsgeladene Welt der Kommunalpolitik! Um mit verschiedenen Bestecken die Filetstücke des städtischen Verwaltens zu zerpflücken, hatten wir mit kühler Berechnung zwei Charaktere im Rat untergebracht, die in ihrer Grundausstattung nicht verschiedener sein konnten:
1. Thomas „Kuno“ Kumbernuß – dereinst von Volly Tanner als „Posterboy“ der PARTEI Leipzig bezeichnet, fällt auf durch seine löwengleiche Statur, Frisur und stimmliche Stärke. Auf Demonstrationen immer praktisch, denn fällt das Megaphon aus, braucht’s nur Kuno, um allen Umstehenden deutlich Ansage zu machen. Herz aus purem Aurum, ein Kümmerer, bekannt wie bunter Hund in allen Connewitzer Kneipen.
2. Marcus „Mawei“ Weiss – bekannt als enfant terrible in einer an ADHS-Kindern so reichen Partei. Trieb schon von klein auf seine Lehrkräfte in den Wahnsinn durch einen tief verinnerlichten Antiautoritarismus. Setzt diese Arbeit nun im Stadtrat fort. Leitet stellvertretend den Ausschuss für Allgemeine Verwaltung derart überzeugend, dass sogar die CDU-Niermann lobende Worte fallen ließ. Als Krämer ohne Krämerseele bestens aufgehoben in einer Partei, die gerade eh viel zu viel Geld aus staatlichen Töpfen bekommt. Liebstes Getränk: Freisekt.
Diese beiden Charaktere also hat die PARTEI im Stadtrat platziert, um dem Betrieb den einen oder anderen Knüppel in die Speichen zu werfen. Doch groß sind die Versuchungen der Macht, liebe Leserinnen! In einem geschickten Schachzug hatte es Die Linke im Stadtrat hinbekommen, die PARTEI-Mandatler in ihre Fraktion zu locken.
Gewunken wurde mit Posten in Ausschüssen und Gremien, die jedoch vor allem eines bringen: Viel Arbeit. Ein Schelm, der dabei denkt, es würde sich um eine pazifizierende Maßnahme handeln, um die Herren Stadträte der Würde des Amtes konform zu machen. Großer Vorteil der Mitgliedschaft in einer Fraktion: Man darf Anträge einreichen, wie man lustig ist!
Anträge und anderer Schabernack
Nachdem sich die Räte in den ersten Wochen und Monaten durch die Reglements forsteten und die Gepflogenheiten im Stadtrat draufgeschafft hatten, traten die ersten revolutionären Vorschläge ans Licht der Öffentlichkeit:
1. Weiterentwicklung des Samuel-Hahnemann-Denkmals (Einreicher: Kumbernuß?, siehe Nachtrag).
Dem Begründer der Homöopathie ist in Leipzig ein Denkmal gewidmet. So weit, so bedenklich. Vorschlag: Erweiterung der Statue um eine Hinweistafel „Homöopathie wirkt nicht über den Placebo-Effekt hinaus.“ Unverständlicherweise: Abgelehnt.
2. Katzensteuer einführen – Hundesteuer abschaffen (Einreicher: Weiss).
Katzen sind Raubtiere und kosten jährlich Millionen Vögeln und Getier das Leben. Gleichwohl werden Hunde besteuert, die dem Mensch eine treue Freundin sind. Die PARTEI, als Partei die stets Gerechtigkeit einfordert (immer doppelt so viel, wie die SPD), fordert konsequent – entweder Alle oder Keine besteuern. Unverständlicherweise: Abgelehnt.
3. Umbenennung der Arndt-Straße in Hannah-Arendt-Straße (Einreicher: Kumbernuß).
Ernst Moritz Arndt war schon seinerzeit ein vergleichsweise heftiger Franzosenfresser, Rassist und Antisemit. Grund genug, die Straße nach einer sehr viel weniger belasteten Person zu benennen: Hannah Arendt. Leicht, denn es muss nur ein „e“ eingeschoben werden. Überraschenderweise: Zustimmung.
Doch kaum hatte der Stadtrat dies beschlossen, wurde eine Petition gestartet gegen die Umbenennung. Ganze 1.171 Menschen reichten, um den Beschluss des Stadtrats auszusetzen. Wie viele Unterschriften wohl eine Petition gegen die Nicht-Umbenennung bekommen würde? Fortsetzung folgt!
Im Stadtrat nichts Neues
Außer Sektspesen, nichts gewesen? Wohl kaum! Denn so ein Stadtrat bekommt schließlich ein bisschen über 1.000 Euro Aufwandsentschädigung pro Monat, und damit haben SIE, liebe Wählerschaft, den Feldversuch für ein Grundloses Bedingungseinkommen mitfinanziert und wir können feststellen: Weder haben sich die Stadträte zu Tode gesoffen (noch nicht?) und auch sonst viel Fleiß in ihr Arbeitsbienchendasein gesteckt.
Wir von der PARTEI haben schließlich immer deutlich gemacht, dass wir den Perspektivlosesten in unserer Partei eine Bleibe verschaffen wollen, in der sie, geschützt vor den Zwängen des Kapitals, vor sich hintüddeln dürfen. Denn das ist schließlich Menschenrecht! Warum auch produktiv sein, wenn’s auch eine Linke-Fraktion, Ausschüsse für Allgemeine Verwaltung und Kleingartenbeiräte gibt?
Rodig resümiert: Ein Erfolg auf ganzer Linie! Wir sind der Sand in euren Stadtkämmerer-Pluderhosen, das ranzige Fett in der Fritteuse der Macht, der trotzkistische Keil in der Fraktion und haben eine Fahne, die uns voranflattert, als wäre gestern Happy-Hour im Alpenmax gewesen. Und ich wiederhole, was ich seit einem Jahr erzähle: Lieber Stadtrat Leipzig, jetzt werdet ihr uns nicht mehr los. Auf weitere vier Jahre Die PARTEI im Stadtrat!
Es lacht sich ins Fäustchen,
Ihr MP in spe a.D.
Tom Rodig
Nachtrag der Redaktion: Der Antrag zum „Hahnemann-Denkmal“ wurde noch im September 2019 von der bei der im Mai 2019 aus dem Stadtrat ausgeschiedenen Piratin Ute-Elisabeth Gabelmann eingebracht und vom neu gewählten Stadtrat Thomas „Kuno“ Kumbernuß (Die PARTEI) später in der Versammlung vertreten. Damit ist die Einreicherin des abgelehnten Antrages Frau Gabelmann.
Rodig reflektiert: Unsere Kreise – Gedanken, die einem Kolumnisten im Urlaub kommen
Rodig reflektiert: Unsere Kreise – Gedanken, die einem Kolumnisten im Urlaub kommen
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Es gibt 3 Kommentare
Nun ja, da gibt es ganz andere Parteien, die sich an Lächerlichkeit weitaus grandioser ins Bild gerückt haben.
Satire finde ich sehr gut und war dann gespannt, was die PARTEI tatsächlich tut und tat.
Neben verrückten aber legitimen Nachfragen (z.B. Hunde-/ Katzensteuer) sorgte sie für guten Diskussionsstoff (Straßennamen).
Letztlich sorgt die Partei dafür, was in unserer demokratischen Gesellschaft unterdrückt / verhindert wird: das ganz normale Bürger zur Hälfte in den Parlamenten sein können und sollten (z.B. bei einem Losverfahren). Der Parteiglaube schaltet die Mitglieder zumeist gleich.
Hier weht einfach nur frischer Wind!
Der aktuelle Spiegel scheint das sinnvolle Tun der Partei gerade zu beleuchten.
nö, ist als Spiegelbild der Gesellschaft und für unkonventionelle Gedanken sehr willkommen, weiter so, schneller, höher, besser….Danke!
“die Partei” Leipzig, oder wie aus Punkern der Wurmfortsatz der Linkspartei werden. Lächerlich!