LEIPZIGER ZEITUNG/Auszug Ausg. 64Ick sahre: „Muttacken“, sahre ick, „ick hab det deutsche Volk bei de Wahlvorbereitung studiert.“ – „Besoffn biste!“ sacht se. Ick sahre: „Det auch ... „ sahre ick. „Aber nur nehmbei. Ick ha staatspolitische Einsichten jewonn!“ sahre ick. „Wat wilßte denn nu wähln, du oller Suffkopp?“ Kurt Tucholsky (1930)
Das neue Jahr hat begonnen und eigentlich bin ich sonst um diese Jahreszeit irgendwo in meiner warmen Stube, bis Mitte März Winterschlaf haltend. Doch nicht in diesem Jahr. Denn dieses 2019 ist ein Wahljahr, ein Superwahljahr, ein Superschicksals-Superwahljahr für Leipzig – und für ganz Sachsen, denn am 26. Mai wird ein neuer Stadtrat für Leipzig, am 1. September ein neuer Landtag für Sachsen gewählt.
Aber wen und was wählen?
Das ist die Frage für viele. Werfen wir darum in einer Art Auftakt für 2019 zuerst einmal einen näheren Blick auf das Elend, das wir üblicherweise – Achtung, Natur! – Parteienlandschaft nennen.
(CDU) Regierungspartei, alteingesessene, die.
Nach der Annexion und Ausverkauf meines Geburtslandes DDR durch Helmut „Birne“ Kohl wurde der Freistaat Sachsen in eine konstitutionelle Monarchie von Gottkanzler Kohls Gnaden umgewandelt. Führende Politikwissenschaftlerinnen haben mithilfe komplizierter Berechnungsmodelle eine nahezu bayrische Monotonie in der sächsischen Landesregierung feststellen müssen.
In allen, seit 1990 erfolgten Landtagswahlen, entdeckten sie eine Ein-Partei an der Landesregierung: CDU, CDU, CDU, CDU, CDU, CDU. Denn nachdem „König Kurt“ Biedenkopf in alter kurfürstlicher Tradition für zwölf Jahre regierte, löste ihn ein CDU-Ministerpräsident ab, den ein CDU-Ministerpräsident ablöste, den dann ein CDU-Ministerpräsident ablöste. So geht sächsisch! Eine Helmut-Kohl-Statue aus rotem Porphyr steht noch aus. Geologische Studien vermelden Ungewissheit, ob die Rochlitzer Vorkommen ausreichen würden für ein Monument dieses Umfanges.
(SPD) Regierungspartei, von der keiner weiß, dass sie eigentlich auch regiert.
Unbeeindruckt vom eigenen politischen Verwesungsvorgang (Dr. Mark Benecke, übernehmen Sie!) „regiert“ die SPD seit der letzten Landtagswahl in Sachsen mit. Stichproben haben ergeben, dass die Masse der Leute davon überhaupt nichts mitbekommt. Ich gewinne den Eindruck, die Zahl der Eingeweihten ist so gering, dass sie bequem an Martin Duhligs Küchentisch Platz nehmen könnten.
Nun ist die Einsicht, die Sozialdemokratie sei nicht mehr zu retten, dem Irrglauben aufgesessen, dass eine Rettung überhaupt vonnöten sei. Wäre nicht die sofortige Auflösung der SPD, mit anschließendem Moratorium für die Neugründung (mindestens bis Kevin Kühnerts Renteneintritt) eine echte Alternative zum begriffslosen politischen Gestocher der schrullig-senilen Tante SPD?
Wer bitte soll dem Personal einer Partei Vertrauen schenken, dessen Bezeichnung sich auf verraten reimt?
(AfD) Regierungspartei, neue, die. Löst demnächst die aktuelle Regierungspartei ab.
Die Reiter der AfDokalypse, sich in kohlhaas’scher Rage Umstürze wünschend. Das alles darf die Leserin jetzt nicht zu prosaisch lesen. Natürlich tragen die Herren und Damen von der AfD feine Zwirne, sind überdurchschnittlich gebildet (für die politische Kaste) und überdurchschnittlich kriminell, aber gerade noch FDGO-tauglich genug, um den Verfassungsschutz nicht zur Beobachtung der eigenen Partei zu zwingen.
Schon gar nicht in Sachsen, wo kämen wir denn da hin.
Auch deshalb treibt viele das Szenario um, die AfD könnte zur nächsten Wahl den neuen Ministerpräsidenten stellen. Während die Suchanfragen zu „Auswandern nach Kanada“ in Sachsen Inflation haben, bleibe ich gelassen. Rechtsblinde Gerichte, durchtriebene Verfassungsschützer und reichstreue Polizeibeamte haben wir schon länger, darum streben ich und meine Partei auch die Ablösung Leipzigs aus dem Bundesland Sachsen an (siehe Grundgesetz, Art. 29). Wir fordern: Leipzig raus aus Sachsen!
Ich habe mir zur Sicherheit einen Reichsbürger-Personenausweis bestellt, auf einer sehr offziös anmutenden Internetseite der „Reichsdruckerei“.
Rodig rät: Werden Sie Reichsbürgerin, bevor der Bürgerkrieg da ist.
(Linke, die) Regierungspartei, nicht.
Dem einen oder anderen noch als politisches Altmetall aus den sog. „Ostzeiten“ bekannt, erfreut sich Die Linke einer konstant zu niedrigen Beliebtheit, um tatsächlich mitregieren zu können. Durch das Selbstverständnis der SPD, die möglichst schlechteste unter den gegebenen Optionen zu wählen, bleibt eine Rot-Rot-Grüne Regierung auf absehbare Zeit eine Phantasie. Andererseits, wer will es Linken und Grünen verübeln? Doch ich bin nicht hier um zu richten, ich bin hier zu unterrichten. Schließlich bleibt festzuhalten: Die Linke wird so bald den Karren nicht aus dem Dreck ziehen. Sie bleibt Wagenknecht.
(Grüne) Regierungspartei, in den Augen des linksgrünversifften Bürgertums.
Nach langem Marsch sind auch die Grünen derart korrumpiert, dass ihr hohes Ansehen im Osten (laut LVZ Meinungsbarometer stehen der Ostdeutschen Wählerschaft die Grünen inhaltlich am nähesten) gut ins Bild passt. Was aus einer Partei werden kann, die sich am Regierungsgeschäft beteiligt, sehen wir bei den Grünen besonders deutlich: Mitverantwortung tragen für Kriegseinsätze, süddeutsche Autohersteller hofieren, Flüchtlinge komisch finden. Wer will schon Stuttgarter Verhältnisse?
Doch mit vorangetragener Gefühligkeit (man lese nur die blümerante Schreibe eines Jürgen Kasek, Geistes Kind seiner Partei) und letztlichem Unwillen, den Bürgerinnen zuviel Reform zuzumuten, bleiben die Grünen eine Wildcard in der politischen Landschaft. Wer kann wissen, wo sie als nächstes einknicken?
Nicht umsonst reimt sich Grüne Partei auf mit dabei.
So weit, so düster.
Wen ich wählen werde, da bin ich ganz sicher: Mich. Vor allem deshalb lasse ich mich von meiner Partei regelmäßig in den Kandidatenrang erheben, um wenigstens mich dieser unentscheidbaren Entscheidung zu entledigen.
Damit Sie, meine hochgeschätzten Leserinnen, nicht dieser oder den anderen Spaßparteien auf den Leim gehen, möchte ich Sie daran erinnern Die PARTEI (hier zur EU-Wahl) und damit auch mich zu wählen. Sie haben es in der Hand.
Denn wer macht den Fehler? Der Wähler! Der Wähler!
Es grüßt ergebenst,
Ihr Tom Rodig
Ministerpräsident in spe
Hinweis der Redaktion: Die Partei DIE PARTEI Leipzig, hier bei Facebook sammelt derzeit Unterschriften, um auf den Wahlzetteln zur Kommunalwahl 2019 stehen zu können. Da sie im Stadtrat Leipzig (noch) nicht vertreten ist, braucht sie dafür Unterstützer. Die nächsten Termine, um dafür auf dem Burgplatz, Lotterstraße 1 (am Neuen Rathaus) zu unterschreiben: Donnerstag, 14. März 2019, ab 16 Uhr und Mittwoch, 20. März 2019, ebenfalls ab 16 Uhr.
Die neue Leipziger Zeitung Nr. 64: Kopf hoch oder „Stell dir vor, die Zukunft ist jetzt“
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