Ich hab ja gedacht, ich hör nicht mehr fehlerfrei. Im betulichen Regierungsdorf Dresden geht auf seltsamen Spaziergängen ohne festen Zielpunkt die Legende, 1989 sei der revolutionäre Impuls aus dem Tal der Ahnungslosen gekommen. Man hätte die Geschichte nur verdreht und nachträglich in Leipzig stattfinden lassen. Macht hier gerade Mandy-Schantalle Klingeling an der Kleinhirnpforte und fragt: Ist die Peggy da? Nichts gegen einen anständigen, deutschen Krieg gegen den Rest der Welt. Da weiß man, was man hat. Aber wenigstens der Schlüpper hat spurenfrei zu sein. Zeit für eine eigene Republik Leipzig!
Ich liebe natürlich Verschwörungsgeschichten. Aber nur die Wurst hat zwei Enden. Dieses elitäre Hauptstadt-Gehampel geht mir jedenfalls längst gehörig auf die Fontanelle. Jetzt nehm ich Euch besorgte Bürger in Dresden aber mal so richtig Ernst. Zuerst einmal hier: so mit Pulle in der Hand kommt man vielleicht noch bis an den Eingang vom Puff, aber doch nicht auf ne ernsthafte Demo! Haben wir uns beim Latschen 89 die Birne zugekübelt und sind anschließend mit “WendeLeipzig 89”- Flyern beim Delikat auf Rabatttour gegangen? Nein!
Wir haben eine Scheißangst gehabt, dass der Holger schon vom Mannschaftswagen runterballert, während Holger selbst die Hosen voll hatte. Könnt Ihr nicht wissen, zu der Zeit hattet Ihr noch nicht mal Westfernsehen.
Wart Ihr wählen? Nein. Schon mal für Bürgerentscheide interessiert? Irgendeine Ahnung, wie hoch aktuelle Euer Stadthaushalt ist? Aber Ihr wundert Euch, dass Wirtschaftslobbyisten zu Euren Vertretern sagen: “Hey Alter, lass mal. Wenn Dir die letzten 20 Prozent bei der Wahlbeteiligung von unter 50 Prozent an Zustimmung auch noch wegbrechen, brauchst Du doch einen anderen Job. Ich hätte da einen für später. Und einen Wunsch …”
Ist auch egal, wen interessiert schon indirekte Demokratie, wir wollen ja alle endlich mehr direkte. Aber eins müssen wir angesichts Eures überraschenden Rechts-Eifers schon mal sagen. Wir machen jetzt wohl lieber folgendes: Leipzig wird unabhängig von Euch. Wir gründen unseren eigenen Stadtstaat, eine Insel im Meer unter tiefschwarzer Dauernacht. Die Stadtmauern bekommen wir rasch hin. Wenn Ihr hier demonstrieren kommen wollt, zahlt Ihr natürlich ordentlich Zoll – wir haben ja auch erhöhte Aufwendungen mit unseren Polizeijungs und Eure Notdurft kostet extra.
Und wenn Ihr hinten wieder raus seid, feiert die ganze Stadt. Denn dann haben wir ja die Kohle, die Ihr die ganze Zeit an unsinnigen Stellen ausgebt. Während hier nicht nur die geliebte Leipzscher Bimmel aufs Brett scheißt, sondern auch die Rechtsradikalen für gewöhnlich nur einmal vorbeischauen, macht Ihr aus Eurer Trägheit ne Dauerveranstaltung. Beweise? Bei Euren Verschwendungen von Steuergeldern zum EU-weit größten rechtsradikalen Bombengedenken mussten wir rumkommen, damit es endlich aufhört. Ohne uns würdet Ihr doch bis heute Millionen für die Sicherheit ausgeben, nur um nichts tun zu müssen.
Wenn wir Euren Muff nicht mehr ertragen müssten, das würde echt haushalten helfen. Und wenn Ihr wieder mal ausflippen würdet, zögen wir einfach die Brücke über dem Stadtgraben hoch. Oder wir reden mal miteinander, worum es bei einer Revolution wirklich geht?
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