Heiße ich Robin? Bin ich ein Vogelfreier? In meiner Hutablage stapeln sich die gräulichen Briefe der Rundfunkgebühreneinzugszentrale aus Köln, unerbittlich mit drohendem Unterton von ein paar bürokratischen Kleingeistern formuliert. Erpresserbriefe nenn ich das. Aber da halte ich es mit Thoreau und Emerson: Kein Staat hat das Recht, mich zum Konsumieren seines Fernsehens zu zwingen. Auch dieser nicht.

Sie verheißen zwar immer Staats- und Politikferne. Aber sie halten sich nicht dran. Sie merken es nur nicht mehr. Sie merken auch nicht, wie untertänig ihr Ton wird, wenn sie all unseren Ministern, Staatssekretären, Parteivorsitzenden, Ministerpräsidenten und anderen Halbhoheiten untertänigst das Mikrophon unter die Nase halten dürfen. Nur nicht anecken. Man spürt es doch richtig, wie sie ängstlich schon beim Fragen daran denken, dass der Gefragte vielleicht beleidigt sein könnte und hinterher in der Redaktion anruft und sich beschwert.

Das könnte ja Folgen haben für die eigene Karriere.

Nö Danke, sag ich dann meinem Brüderchen immer, wenn er mich nötigen will, den gemütlichen Fernsehabend doch fortzusetzen. Das sei doch nicht schlimm. Das sei schon immer so gewesen.

Kann sein.

Aber das heißt nicht, dass ich mir das gefallen lassen muss und Gefallen daran finde, diesen ängstlichen Hasen zuzuschauen, wie sie schon im Ton der Frage den verehrten Herrn Ministerpräsidenten klar machen, dass sie jetzt gar nicht weh tun wollen und ganz brav sind und auch immer lieb, damit sie ihren Job behalten und die Rundfunkgebühr nicht gestrichen wird.

Diese seltsame Zwangsabgabe, die ein ganz untertäniger Senderchef sogar schon in Demokratieabgabe umbenannt hat. Wer ein so aufgeblasenes System der Verschwendung und der Eitelkeiten mit einer Zwangsabgabe finanziert, der hat von Demokratie nichts begriffen. Der behandelt die Menschen wie Untertanen. Da bekomme ich Sodbrennen.

Demokratie fängt aber aus meiner ganz persönlichen Sichtweise heraus dann an, wenn der Staatsbürger selbst entscheiden kann, ob er sich die Zumutungen des Staatsfernsehens antut oder mit gutem Recht verweigert. Lederhosen verweigert und Alphornbläser, Heimatfilme und Talkshows, Ärzteserien und Traumschiffer, Hosianna-Berichte über zufriedene Kriegsminister(innen) und blasierte Runkelrübenpräsidenten.

Klingt doch alles nett.

Aber ich bin wirklich noch nicht 90. Meine Festplatte im Kopf funktioniert noch leidlich. Und mir geht’s, wenn mich mein Bruder mit einem Fernsehabend beglückt, wie Maren Müller: Mir geht es hundeelend. Es dauert keine fünf Minuten, da fängt mein Puls an zu rasen. Und nur meine liebste Bäckerin versteht, wie’s mir geht. Reg dich doch nicht so auf, Leolein. Fernsehen war schon immer so. Früher haben sie genauso gelogen und gemurkst.

Kann ja sein. Aber da hat mir auch keiner weismachen wollen, das sei Demokratie und ich müsste dafür zahlen, damit alle an der Demokratie teilhaben können.Ich finde es richtig, wenn Maren Müller einen Publikumsbeirat erstreiten will. Aber ich glaube nicht, dass es ihr gelingt. Denn das ist die Pfründe, an der schon unsere drei großen Parteien sitzen. Was ich nicht verstehe. Aber warum sollte ich das verstehen? Sie reden von staatsfernem Fernsehen. Aber von Ferne seh ich da nichts.

“Leo, dein Blutdruck!”

Ich weiß, Zuckermäulchen. Aber was soll ich tun? Mein “Walden” ist schon ganz zerlesen.

“Vielleicht doch lieber was zur Beruhigung?”

Ich könnte mein Zelt schnappen und für ein paar Tage in den Wald ziehen.

“Aber da ist es jetzt kalt und nass.”

Ich könnte auch meinen alten Walter Scott wieder raussuchen.

“Da wirst du immer so rebellisch, Schatzi. Willst du dir das wirklich antun?”

Aber mir ist so rebellisch. Wo ist mein Flitzebogen und mein grünes Kostüm?

“Beim letzten Mal hast du dir den Knöchel verstaucht.”

Aber man muss doch klettern, wenn man den Pfeffersäcken auflauern will.

“Das war früher, Leolein.”

Und heute?

“Heute schicken sie dir einen schönen Brief. Hier. Du müsstest schon nach Köln fahren, wenn du sie erwischen willst.”

Da geh ich lieber in den Wald und warte, bis sie durchkommen.

“Du wirst gar nicht merken, wenn sie kommen.”

O doch: Sie kommen mit Blasmusik und Fernsehballett.

“Vielleicht kommen sie auch mit der Polizei.”

Noch schöner. Dem Sheriff von Nottingham wollte ich schon immer mal eins verpassen …

“Leo!”

Nenn mich Robin, Marian.

“Jawohl, liebster Robin. Aber vorher trinkst du das hier?”

Was ist das?

“Ist gut für die Nerven, glaub mir.”

Und dann?

“Dann gehen wir in den Wald.”

O ja!

“Ohne Flitzebogen.”

Ach, Marian.

Der “Stern” zu Lug und Trug: http://blogs.stern.de/meiersmedienblog/luegen-fuers-fernsehen-der-skandal-der-rundfunkgebuehrensenkung/

Der “Focus” zur Zwangsangabe: www.focus.de/finanzen/news/widerstand-gegen-zwangsabgabe-so-tricksen-sie-die-gebuehren-haie-von-ard-und-zdf-aus_aid_891211.html

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