Was darf man, was kann man als Pressevertreter im Europaparlament tun? Es gibt Bereiche, in denen man nicht fotografieren und filmen darf. Da hรคlt man sich besser dran, auch an das generelle Verbot, mit laufender Kamera Politikerinnen und Politiker zu โรผberfallenโ. Fรผr Filmaufnahmen braucht man eine generelle Genehmigung, die dann mit dem Kamerasymbol auf dem Medien-Badge angezeigt wird. Es gibt eine Pressetribรผne im Hemicycle, so heiรt der Plenarsaal, und weitrรคumige Medienbereiche und Mediensรคle.
Auf der Pressetribรผne gibt es eine Plattform fรผr Kameraleute, man kann mit der Kamera auch direkt den Ton vom Saalmikrofon abnehmen. Der Nachteil ist: Damit kann nur die Originalsprache aufgenommen werden und die Qualitรคt ist nicht optimal. รber Kopfhรถrer an den Sitzplรคtzen hat man Zugang zu den simultan gedolmetschten Reden in allen EU-Sprachen.
11. Mรคrz: Aussprache zur europรคischen Sicherheitsarchitektur
Der Titel in der Tagesordnung des Europaparlaments ist selbstverstรคndlich lรคnger, man darf das hier aber kรผrzer fassen. Die Kommissionsprรคsidentin Ursula von der Leyen hielt eine Ansprache, die mit Applaus, aber auch mit Kritik bedacht wurde.
Der Tenor der Rede erschlieรt sich aus dem folgenden Zitat: โDie europรคische Sicherheitsordnung gerรคt ins Wanken, und viele unserer Illusionen werden zunichtegemacht. Nach dem Ende des Kalten Krieges glaubten einige, dass Russland in die wirtschaftliche und sicherheitspolitische Architektur Europas integriert werden kรถnnte. Andere hofften, dass wir uns auf unbestimmte Zeit auf Amerikas vollen Schutz verlassen kรถnnten.
Und so lieรen wir unsere Wachsamkeit sinken. Wir senkten unsere Verteidigungsausgaben von routinemรครig durchschnittlich mehr als 3,5 % auf weniger als die Hรคlfte davon. Wir dachten, wir kรคmen in den Genuss einer Friedensdividende. Aber in Wirklichkeit hatten wir nur ein Sicherheitsdefizit. Die Zeit der Illusionen ist nun vorbei. Europa ist aufgerufen, seine Verteidigung stรคrker selbst in die Hand zu nehmen.
Nicht in einer fernen Zukunft, sondern schon heute. Nicht in kleinen Schritten, sondern mit dem Mut, den die Situation erfordert. Wir brauchen einen Schub fรผr die europรคische Verteidigung. Und wir brauchen sie jetzt.โ
Auch der Prรคsident des Europรคischen Rates, Antรณnio Costa, รคuรerte sich zustimmend, wie auch viele EU-Parlamentarier in der folgenden Diskussion. Es gab auch Kritik, unter anderem vom deutschen Abgeordneten Martin Schirdewan (Die Linke).
Ein Auszug aus seinem Redebeitrag: โUmso mehr rรคcht sich jetzt, Frau von der Leyen, dass sie die Diplomatie in den letzten Jahren leider so schรคdlich ignoriert haben und einzig und allein auf eine militรคrische Lรถsung des Krieges in der Ukraine gesetzt haben. Keine einzige diplomatische Initiative wurde durch die Kommission unterstรผtzt, weder die Bemรผhungen der Tรผrkei, Brasiliens, Chinas, Israels, der afrikanischen Staaten, nicht mal die des Papstes.
Es handelt sich um ein massives politisches Versagen europรคischer Politik und auch jetzt in Ihrer Rede, aber auch in Ihrer Rede, Herr Costa, kein einziges Wort dazu, dass die Kommission oder der Rat sich der Diplomatie zuwenden wollen, die doch vor allem und zuallererst der Ukraine dienen wรผrden.โ
Im Anschluss an diese Diskussion war ein Gesprรคch mit Riho Terras zu eben diesen Fragen vereinbart. Leider erreicht mich am Morgen die Nachricht, dass Herr Terras nicht angereist war, eventuell werden wir das Gesprรคch per Zoom nachholen.
Kurzfristig konnte ich noch fรผr den 12. Mรคrz ein Gesprรคch mit Martin Schirdewan zum Thema โDie verรคnderten Beziehungen zu den USA, wie kann/muss Europa reagieren?โ, vereinbaren. Am Schluss stellte ich dann doch noch eine Frage zum Ukraine-Krieg.
Gesprรคch mit Martin Schirdewan
Ich bin jetzt bei Martin Schirdewan, Europaabgeordneter fรผr die Partei Die Linke und Co-Vorsitzender der Fraktion GUE/NGL im Europaparlament. Sie sind seit 2017 im Europaparlament, also als Nachrรผcker, 2024 gewรคhlt, und sind im Ausschuss fรผr Wirtschaft und Wรคhrung, in der Delegation fรผr die Beziehung zu den Vereinigten Staaten und als Stellvertreter im Ausschuss fรผr internationalen Handel. Zuerst eine allgemeine Frage, Herr Schirdewan: Was bedeutet fรผr Sie das Mandat im Europaparlament?
Das bedeutet fรผr mich auf einer persรถnlichen Ebene unglaublich viel Arbeit, aber Arbeit in dem Sinne, dass es sich lohnt, sich fรผr Dinge einzusetzen, die zum Beispiel dazu fรผhren, dass wir unsere Industrie schรผtzen von einem unfairen Handelskrieg, was gerade ganz aktuell ein Thema ist. D
as bedeutet aber auch, dass wir hier als Linksfraktion im Europรคischen Parlament in den unruhigen internationalen Zeiten immer wieder ganz klar gesagt haben, wir brauchen Diplomatie, um endlich diesen Krieg in der Ukraine zu beenden.
Jetzt haben Sie schon gesagt: Es sind unruhige Zeiten. Sie sind ja im Ausschuss fรผr Wirtschaft und Wรคhrung und zum Zweiten in der Delegation fรผr die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten. Was kann, was soll Europa jetzt tun in diesen verรคnderten Beziehungen mit den Vereinigten Staaten unter der Trump-Regierung?
Ich glaube, man muss einfach zur Kenntnis nehmen, dass die Vereinigten Staaten sich gerade massiv verรคndern und nicht wenige und auch ich denken, dass es ein Weg ist, den die USA unter der Regierung Trump einschlagen in Richtung eines mindestens in Teilen autoritรคren politischen Systems, wo vor allem wirtschaftlich mรคchtige Menschen, also Oligarchen, die Entscheidungen fรคllen.
Darauf deutet sehr viel hin und auch die politischen Aktionen, die Trump gerade umsetzt, zum Beispiel die Welt mit einem Handelskrieg zu รผberziehen oder aber auch sein, wie ich finde, sehr riskantes Spiel, was die internationale Ordnung betrifft, deutet darauf hin, dass wir als EU endlich einen Weg finden mรผssen, uns unabhรคngiger zu machen.
Und das ist die Kernschlussfolgerung, uns unabhรคngiger zu machen von den Vereinigten Staaten, weil wir sonst in einer Situation sind, wo wir immer wieder den Kรผrzeren ziehen werden.
Wir sind in vielen Beziehungen abhรคngig. Ich nehme nur das Thema Digitalisierung. Unser gesamtes System, bis in die Regierung hinein, lรคuft auf Microsoft. Die Kommunikation lรคuft grรถรtenteils รผber Kanรคle, die zu Meta gehรถren. Und auch Parteien, Regierungsorganisationen und Verwaltungen kommunizieren noch auf X, welches Elon Musk gehรถrt. Was wรคre denn eine Schlussfolgerung, was man tun mรผsste?
Wenn man zur Grundannahme macht, und das ist leider die Realitรคt, das klingt absurd, aber ist leider die Realitรคt, dass 80 Prozent des digitalen Binnenmarktes in der EU sich in den Hรคnden groรer US-amerikanischer Internetfirmen (Big Tech wie wir so schรถn sagen) befinden, dann braucht es natรผrlich ein radikales Umsteuern, denn jede strategische Unabhรคngigkeit lรคsst sich nicht realisieren, solange dieser Bereich weiterhin von wenigen einflussreichen Mรคnnern, es sind in der Regel nur Mรคnner, die in den USA sitzen, kontrolliert wird.
Elon Musk haben Sie genannt. Da gibt es eine unglaublich schwierige und gefรคhrliche Verschrรคnkung von politischer, wirtschaftlicher und in Teilen auch offensichtlich militรคrischer Macht. Es geht darum, dass wir massive Investitionen in die digitale Infrastruktur in Europa vornehmen, dass diese Investitionen vor allem europรคischen Firmen zugutekommen, dass wir aber gleichzeitig Forschung und Entwicklung vorantreiben, um uns unabhรคngig zu machen, was zum Beispiel Chip-Produktion betrifft.
Um uns unabhรคngig zu machen, was Artificial Intelligence, also kรผnstliche Intelligenz, betrifft. Und wir brauchen darรผber hinaus, davon bin ich immer mehr รผberzeugt, auch eigene und mรถglichst รถffentlich kontrollierte soziale Medien, um genau diesen Zusammenhang von privater wirtschaftlicher Macht, verรถffentlichter Meinung und damit politischer Macht zu brechen. Das sind die Aufgaben, vor denen wir stehen.
Die EU hat den Digital Services Act verabschiedet, der ja eigentlich die Plattformen bindet. Aber die US-Tech-Firmen, auch natรผrlich Trump selbt, verweigern sich ja eigentlich diesem Digital Services Act. Gibt es รผberhaupt Instrumente, diese Regeln durchzusetzen?
Es besteht das EU-Recht und ich finde, das Recht muss umgesetzt werden. Und dass Trump jetzt versucht, seine Buddys zu verteidigen, also neuerdings ja auch Zuckerberg und Bezos, aber vor allem Musk, das ist ja nicht รผberraschend. Also das hรคtte man vorher wissen kรถnnen. Die Kommission hat ja auch Verfahren angestrengt, hat Untersuchungen vorgenommen, auf der Grundlage des Digital Services Act, also des Gesetzes รผber digitale Dienstleistungen, die diese groรen Internetfirmen betreffen, die auch die sozialen Medien betreffen.
Das Kuriose ist, dass die Ergebnisse zurรผckgehalten werden, weil die Ergebnisse dazu fรผhren, dass diese Firmen natรผrlich bestehendes europรคisches Recht brechen. Das ist meine These. Und da mรผsste die Kommission darauf reagieren. Das heiรt, sie mรผsste Sanktionen verhรคngen oder Strafen umsetzen, die ja in diesen Gesetzen auch mit angedeutet sind. Man kann zum Beispiel bei den grรถbsten Verstรถรen bis zu 6 % des jรคhrlichen Umsatzes durch den DSA auf so eine Firma sozusagen packen. Das tut ihnen richtig weh, wenn die 6 % des jรคhrlichen Umsatzes zahlen mรผssen.
Die Kommission hรคlt die Ergebnisse der Untersuchungen zurรผck, weil sie, wie ich finde, an dieser Stelle eine vรถllig falsche Appeasement-Politik gegenรผber den USA und der neuen Regierung versucht, anstatt wirklich das geltende europรคische Recht durchzusetzen. Denn die verstehen keine andere Sprache als die Sprache der Stรคrke. Und ich denke, dass die Stรคrke des Rechts eine gute Grundlage dafรผr ist.
Sie sind also der Meinung, wir mรผssen mehr investieren in digitale Dienste, Forschung, Entwicklung und am Ende brauchen wir endlich, was schon seit 20 Jahren รผberfรคllig ist, eine europรคische Plattform?
Ja, finde ich.
Also auch fรผr die Kommunikation der ganz normalen Bรผrgerinnen und Bรผrger.
Absolut.
In den letzten Tagen oder Stunden hat sich ja gerade etwas entwickelt, zum Ukraine-Krieg. In Saudi-Arabien haben sich die Ukraine und die USA auf einen 30tรคgigen Waffenstillstand geeinigt. Da haben sich natรผrlich zwei geeinigt, von denen nur einer beteiligt ist und einer gern seine politische Macht zeigen will. Wie schรคtzen Sie das ein, gestern sprachen Sie sich ja fรผr Diplomatie aus? Wie wird Russland reagieren?
Das ist im Moment die groรe Frage. Also ich finde erst mal, dass mit der Ukraine eine Kriegspartei einer Waffenruhe, einem Waffenstillstand zustimmt, stimmt mich sehr hoffnungsfroh. Also das stimmt mich hoffnungsfroh, dass wir hoffentlich in eine Situation geraten, wo nach der Waffenruhe Friedensverhandlungen beginnen kรถnnen. Das hรคngt wirklich davon ab, ob Russland dem zustimmt oder nicht.
Da habe ich durchaus Skepsis, aber vielleicht gelingt es ja in den Gesprรคchen, die jetzt auch anstehen, mit Russland, Russland und vor allem Putin, der ja diesen Krieg begonnen hat, dazu zu bewegen, in die Waffenruhe zumindest einzuwilligen, um dann wirklich รผber Frieden zu verhandeln und zu einem gerechten und anhaltenden Frieden zu gelangen.
Herr Schirdewan, ich bedanke mich fรผr das Gesprรคch.
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