Die meisten Menschen kennen das selbst, oder kennen jemanden, dem das passiert ist: In der Apotheke sind ein oder mehrere Medikamente nicht erhรคltlich. Die Begrรผndung โNicht lieferbarโ ist vorwiegend darauf zurรผckzufรผhren, dass es Probleme beim Import von Medikamenten oder Grundstoffen gibt. Nicht nur Deutschland, sondern groรe Teile der EU sind abhรคngig von der Produktion in Indien, China oder anderen Lรคndern.
Ob durch Corona, einen im Suezkanal quer liegenden Tanker oder politische Probleme verursacht: Wenn der Welthandel stockt, kommt es zu Versorgungsproblemen bei Medikamenten.
Die Europรคische Kommission hat dem EU-Parlament am 11. Mรคrz einen Vorschlag fรผr eine Verordnung vorgelegt, mit der die Verfรผgbarkeit kritischer Arzneimittel in der EU verbessert werden soll. Der Vorschlag fรผr den โCritical Medicines Actโ wurde am Nachmittag des 11. Mรคrz im Parlament diskutiert. Ich sprach zu diesem Thema am Vormittag des 13. Mรคrz mit Oliver Schenk, der Mitglied im Ausschuss fรผr รถffentliche Gesundheit im Europaparlament ist.
Gesprรคch mit Oliver Schenk
Herr Schenk, vielen Dank fรผr die kurzfristige Zusage zu unserem Gesprรคch. Sie wurden in Sachsen fรผr die CDU gewรคhlt, sind Mitglied in der Fraktion Europรคische Volksparteien (Christdemokraten) im Europaparlament. Sie waren sรคchsischer Staatsminister fรผr Bundesangelegenheiten bis 2024 und wurden bei der Europawahl ins Europaparlament gewรคhlt. Im Umwelt-, Klima- und Lebensmittelsicherheitsausschuss, im Ausschuss fรผr รffentliche Gesundheit und unter anderem in der Delegation Beziehung zur VR China vertreten Sie Ihre Fraktion.
Herr Schenk, zuerst die Frage: Warum wechselt man von der Landespolitik in die Europapolitik?
Man merkt in der Landespolitik, wie viele Dinge von Europa abhรคngig sind, was alles in diesem Parlament entschieden wird. Deshalb ist es wichtig, dass Sachsen auch dort seinen Einfluss geltend macht. Ich habe eine ganze Menge Erfahrung, glaube ich, in der Landespolitik, habe auch lange Zeit in Berlin gearbeitet.
Und das wollte ich jetzt gerne fรผr unseren Freistaat in Europa einbringen. Deshalb war die Entscheidung in mir gereift. Und ich bin froh, dass meine Partei das unterstรผtzt hat und ich letztes Jahr die Mรถglichkeit hatte, fรผr das Europaparlament zu kandieren und gewรคhlt worden bin.
Gab es fรผr Sie mit dem Wechsel auch ein paar persรถnliche Herausforderungen, also familiรคre? Schlieรlich sind Sie jetzt mal in Brรผssel, mal in Strasbourg.
Ja, man ist viel unterwegs. Wir sind tatsรคchlich zwei Wochen im Monat in Brรผssel, eine Woche in Strasbourg, eine Woche ist dann fรผr den Wahlkreis oder aber auch fรผr Delegationsreisen vorgesehen. Das ist fรผr die Familien eine Belastung und die ist pendelnd. Aber ich glaube, das, was man hier gestalten kann, was man einbringen kann, das wiegt das auf. Und deshalb ist das sozusagen schon eine gute Mischung.
Diese Woche standen einige wichtige Themen auf der Tagesordnung. Unter anderem wurde der Vorschlag zu den kritischen Arzneimitteln diskutiert, da sind Sie ja involviert. Bei den kritischen Arzneimitteln geht es um Importe, um Abhรคngigkeit von anderen Mรคrkten. Was ist an diesem Vorschlag wichtig?
Ich bin sehr froh, dass der neue Gesundheitskommissar jetzt einen Vorschlag eingebracht hat. Wir haben dringend darum gebeten, weil wir gesehen haben, wie in den letzten Jahren die Liste der nicht verfรผgbaren Arzneimittel in Deutschland immer lรคnger geworden ist. Selbst Hustensรคfte fรผr Kinder wurden knapp. Und wir haben gemerkt, wie sehr unsere Lieferketten abhรคngig sind von Indien, von China.
Wenn dort etwas passiert, dann gibt es bei uns keine Medikamente. Das ist natรผrlich ein Riesenproblem und deshalb soll jetzt auch mit gesetzgeberischen Maรnahmen dafรผr gesorgt werden, diese Lieferketten zu stabilisieren, dass wir mehr in die Vorratshaltung (gehen), dass wir besser wissen: Wo befinden sich welche Medikamente auch in Europa?
Manchmal ist es nรคmlich so, dass manche Lรคnder Medikamente haben, wรคhrend sie in anderen Lรคndern knapp sind. Dann kann man einen besseren Ausgleich hinbekommen. Aber, und das ist fรผr mich fast das Wichtigste: Wir mรผssen dafรผr sorgen, dass die Pharmaindustrie in Deutschland wieder eine eigene Stรคrke bekommt. Dass wir wieder mehr Produktion an Arzneimitteln zurรผckbekommen nach Europa.
Und damit uns auch so krisenfest aufstellen, dass wir uns selbst gut versorgen kรถnnen. Dazu ist dieser Gesetzentwurf, wie ich finde, ein guter, ein kluger erster Schritt. Aber es mรผssen natรผrlich weitere folgen. Das wird eine Aufgabe sein, die wir jetzt im engen Zusammenspiel zwischen Brรผssel und dem neuen Parlament in Deutschland, in Berlin und der neuen Bundesregierung gemeinsam auf den Weg bringen mรผssen.
Zur Pharmaindustrie beziehungsweise zur Entwicklung von Arzneimitteln gehรถrt ja auch die Forschung. Die Forschungslandschaft ist in Deutschland eigentlich gut aufgestellt, wir sind aber immer noch mit einigen Sachen ziemlich abhรคngig von den USA. Was bedeutet das, dass durch die verรคnderten Beziehungen zu den USA, ich drรผcke es mal vorsichtig aus, es unter Umstรคnden Probleme mit Lieferungen oder mit Wissenschaftstransfer geben kann?
Ich wรผrde sagen, wir sind in der Forschung in Europa, gerade auch in Deutschland und insbesondere auch bei uns im Freistaat, sehr, sehr gut aufgestellt. Wir haben eine hervorragende Grundlagenforschung. Wir haben schon in der Vergangenheit gesehen, unter der ersten Trump-Regierung, dass eine ganze Reihe von Wissenschaftlern aus Amerika zurรผckgekommen sind nach Europa, oft auch nach Deutschland.
Und ich glaube, wir mรผssen diesen Wissenschaftlern, die jetzt auch Angst um ihre Finanzierung in den Vereinigten Staaten haben, dass sie dort ausgebremst werden in ihrer Arbeit, signalisieren: Ihr mit eurem Wissen, mit eurem Kรถnnen, ihr seid bei uns willkommen, eure Arbeiten fortzusetzen und bei uns auch mit einzubringen.
Ich glaube, das ist auch etwas, was wir verstehen mรผssen, dass Investitionen in Forschung, Innovationen wirklich auch immer eine Versicherung fรผr die Zukunft sind, dass wir dann erfolgreich werden, weil aus diesen Innovationen, aus dieser Forschung am Ende ja auch neue Unternehmen entstehen, die neue Arbeitsplรคtze schaffen und uns bei vielen Themen, die fรผr die Zukunft wichtig sind voranbringen.
Wir haben gerade รผber Pharma gesprochen, wir kรถnnten รผber Digitalisierung, Kรผnstliche Intelligenz, aber auch darรผber, wie das Auto der Zukunft aussieht, (sprechen). Wie gehen wir Umweltprobleme an, all das sind Themen, die fรผr uns wichtig sind, und da wollen wir auch mit einer eigenen Forschungsstรคrke in Sachsen, in Deutschland, Europa zeigen, dass wir das kรถnnen.
Sachsen ist ja zum Beispiel im Bereich Life-Sciences schon gut aufgestellt. Wรคren das solche Sachen, die man unterstรผtzen mรผsste?
Biosaxony, gerade in Leipzig, diese starke Bio-City dort, wo wir sehen, wie viele junge Unternehmen sich dort angesiedelt haben, wie sie groร geworden sind. Wir sind sehr stark auch im Bereich der Mikroelektronik, Silicon-Saxony ist ein anderes sehr starkes, tolles Cluster dort. All die haben jetzt auch Chancen und um die mรผssen wir uns kรผmmern, damit wir ihnen die Mรถglichkeiten erรถffnen, auch in Zukunft, fรผr eine gute europรคische Zusammenarbeit, aber auch mit anderen Partnern in der Welt.
Denn neben den Vereinigten Staaten, die natรผrlich fรผr uns auch weiterhin ein Partner sein sollen, bleiben mรผssen auch aus meiner Sicht, haben wir jetzt dieses groรe Handelsabkommen mit Mercosur vor uns, was uns einen groรen Markt erschlieรt. Vor wenigen Tagen war die Kommissionsprรคsidentin beim indischen Prรคsidenten. Man will ein neues Handelsabkommen mit Indien auf den Weg bringen. Das sind, glaube ich, die Dinge, die wir jetzt brauchen, die uns auch stark machen kรถnnen.
Sie gehรถren auch der Delegation fรผr die Verbindung mit China an. China ist ja auch ein etwas kritischer Partner. Aber gerade im Bereich Mikroelektronik, im Bereich Elektromobilitรคt und so weiter, ist China einer der Marktfรผhrer. Wie soll man damit umgehen?
China wird fรผr uns sicherlich ein Partner in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit bleiben. Wir mรผssen aber auch gucken, dass wir tatsรคchlich unabhรคngiger werden von China. Dass wir nicht auf diese Lieferketten angewiesen sind. Wir haben es gerade gehabt in den Pharma-Bereichen.
Es gibt viele andere Bereiche dort. Wir mรผssen deutlich machen, dass wir auch bei uns รผber diese Fรคhigkeiten verfรผgen, Dinge zu produzieren und nicht immer nur von anderen Lรคndern abhรคngig sind. Und ich glaube, da kann Europa auch eine Menge fรผr einbringen.
Herr Schenk, ich bedanke mich fรผr das Gesprรคch.
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