Die verรคnderten Beziehungen zwischen der Europรคischen Union und den USA unter der Trump-Regierung erfordern ein Umdenken bei den Abhรคngigkeiten im Bereich der Digitalisierung. Der Kampf gegen Fake News, Hatespeech, Aufrufe zur Gewalt, Darstellung sexueller Gewalt an Kindern und anderes fรผhrt zu Forderungen nach Regulierungsmaรnahmen, besonders fรผr die sozialen Medien. Die meisten Plattformen, รผber die wir kommunizieren, die Social Media Plattformen, Cloud-Server und groรe Teile der Internet-Infrastruktur sind in der Hand von US-Unternehmen, die auf die Inhalte Einfluss nehmen.
Wie kรถnnen wir als Europa souverรคner werden? Kรถnnen wir die Tech-Konzerne zwingen, nach unseren Regeln zu spielen? Was wird mit der Freiheit im Internet und wie geht es weiter mit dem Urheberrecht? Dazu habe ich mit zwei Europaabgeordneten gesprochen, die vielen noch aus den Diskussionen um den Artikel 13 der EU-Urheberrechtsreform von 2019 bekannt sind. Das erste Gesprรคch fand am 11. Mรคrz im Abgeordnetenbรผro von Axel Voss in Strasbourg statt.
Herr Voss, Sie sind EU-Abgeordneter fรผr die CDU in der Fraktion der Europรคischen Volkspartei, von Haus aus Jurist, seit 2009 Europaabgeordneter. Es geht mir heute vor allem um die Frage: Wie kann man Freiheitsrechte im digitalen Raum regulieren, aber nicht beschneiden? Sprich: Wenn wir vorgehen gegen Hatespeech, gegen Pornografie und so weiter, wie kรถnnen wir das machen, ohne unmรครig die Rechte der Bรผrgerinnen und Bรผrger zu beschneiden?
Die Frage, die Sie aufwerfen, ist eine, glaube ich, der am schwierigsten mittlerweile zu beantwortenden Fragen auf unterschiedlichen Ebenen. Wenn wir jetzt gerade uns mal mit Hatespeech und Hass und wie auch immer auseinandersetzen, dann mรผssen wir eigentlich erst einmal anfangen zu fragen: Ab wann ist eigentlich die Meinungsfreiheit zu Ende und ab wann beginnt es strafrechtlich relevant zu werden oder in eine Ebene abzugleiten, die wir so gesellschaftlich nicht haben mรถchten?
Das ist, wenn man sich jetzt mal die sozialen Medien anguckt, extremst schwierig fรผr die irgendwie hinzubekommen und wir geben auch bislang noch zu wenig Anleitung. Auf der anderen Seite muss man auch sagen, die Meinungsfreiheit ist jetzt nicht das Supergrundrecht, was allen anderen รผbergestรผlpt werden kann.
Wir sehen das auch gerade hier im Haus mit den rechtspopulistischen Parteien, dass die gerade das versuchen auszunutzen und sagen, dieser sogenannte Digital Services Act ist ein Instrument, um die Meinungsfreiheit zu zensieren. Das ist er natรผrlich nicht. Es geht ja nur darum, gewisse Werte im Umgang miteinander vernรผnftig aufrechtzuerhalten, auch in den sozialen Medien.
Wo hรถrt fรผr Sie, jetzt muss man das mal definieren, Meinungsfreiheit auf? Hรถrt die erst bei einem Aufruf zur Gewalt auf oder schon zeitiger?
Als Juristen lernen wir ja im Grunde immer zu sagen: Die Freiheit fรผr einen selbst endet dort, wo die Freiheit des anderen beginnt. Und da muss man eben gucken, welche Aussagen strafrechtlich relevant sind, die zรคhle ich nicht mehr zur Meinungsfreiheit, die man sonst straffrei รคuรern kรถnnte. Mittlerweile ist, glaube ich, die groรe Schwierigkeit die Selbstbeschrรคnkung, weil man durch diese Anonymitรคt oder durch diese Distanz, nur in einem virtuellen Raum zu agieren, sich doch anders verhรคlt, als wenn man das jetzt unter vier Augen oder bilateral machen wรผrde.
Dieses gleiche Verhalten, was man offline dann sozusagen online auch darbringen sollte eigentlich, auch mit dem Respekt anderen Personen gegenรผber und deren Meinungen, da wird es eben leider schon schwierig, dass das so beibehalten wird. Deshalb ist immer die Frage: Sind einige Kritiken schon beleidigend oder nicht?
Da muss man auf Rechtsfรคlle zurรผckgreifen, die bislang so entschieden wurden. Und ich glaube, nur daran lรคsst sich das ableiten. Ich glaube, wir sollten vielleicht auf eine Art Anleitung hinwirken, dass man solche Fรคlle auch mal auflistet und nicht nur immer dem Rechtskundigen alles รผberlรคsst, sondern dass jeder auch weiร, wie die Spielregeln sind.
Wir haben in unserem Recht ja keine Prรคzedenzfรคlle, sondern Referenzfรคlle. Man mรผsste also referenzieren: Was ist ausgenommen von der Meinungsfreiheit? Wer sollte das machen und wie sollte man das machen?
Also bislang lรคuft ja das Ganze, wenn wir uns jetzt den Digital Services Act betrachten, auf einer Ebene mit der Kooperation der Unternehmen, der sozialen Medien, derjenigen, die das betreiben. Wenn diese Kooperation wegfรคllt, hat natรผrlich dieser Digital Services Act nicht mehr diese Wirkung. Deshalb glaube ich schon, dass man darauf hinwirken sollte, so eine Art Anleitung durch einen Gesetzgeber oder eben durch Rechtsfรคlle, die entschieden sind, zu geben.
Das und das ist mรถglich und das ist nicht mรถglich. Das ist schwierig, das ist umstรคndlich, das dauert und wird hรถchstwahrscheinlich nicht jedem Fall gerecht, von dem man sagt: Das ist aber eine Unverschรคmtheit, was da drin steht. Wo man dann nicht weiร, fรคllt das schon unter Beleidigung oder ist das nur, ich sag mal, das รผbertriebene Meinungsbild irgendwie.
Diese Grenze zu ziehen, ist schwierig. Wenn jetzt bei der Plattform X, durch den Betreiber gesagt wird: Meinungsfreiheit geht รผber alles, das ist das eine. Auch die Plattformen von Meta haben sich ja zurรผckgezogen aus dieser Drittparteienkontrolle, was Meinungsfreiheit betrifft und was nicht. Das ist auch schwierig, ich glaube schon, der Gesetzgeber muss hier gewisse Vorgaben oder eine Anleitung geben, wie man damit umzugehen hat, damit die Betreiber eine Handhabe haben, um zu sagen: Das wird jetzt nicht aufgenommen oder das wird geschlossen oder wie auch immer.
Das Problem, was wir jetzt gesehen haben, auch in einem Konflikt zwischen Israel und Hamas im Gaza-Streifen, dass dort einfach die eine Seite permanent nur Fake News von sich gibt und dann aufgrund der Vielzahl der Beschwerden einfach etwas geschlossen wird, was eigentlich nicht geschlossen werden dรผrfte.
Aber da reagiert dann natรผrlich auch ein Betreiber von sozialen Plattformen, mรถglicherweise um Schadensersatzhaftungsfรคlle oder wie auch immer auszuschlieรen, eher zu Ungunsten einer Meinungsfreiheit, aber wahrscheinlich nicht korrekt genug, wenn es um das Schlieรen von Konten geht. Also: Es ist eine hochkomplizierte Angelegenheit, wรผrde ich sagen, die wir eigentlich als Gesetzgeber klarer aufstellen mรผssten oder sollten.
Sie sprachen jetzt schon mehrfach vom Digital Services Act. Durch die verรคnderten Beziehungen zu den USA, in denen ja die sozialen Medien fast ausschlieรlich beheimatet sind, lรคsst sich dieser Digital Services Act eigentlich gegen die US-Plattformen durchsetzen?
Das hatte ich รผbrigens in meinem Beitrag, ich glaube im letzten Jahr, im Parlament gesagt. Eigentlich wรคre es vernรผnftig, wir wรผrden mit einem eigenen sozialen Medium oder einer Plattform entsprechend herauskommen, wo wir zeigen kรถnnen, dass auch ein normaler oder ein wertebezogener Umgang mรถglich ist. Das wรคre aus meiner Sicht eine vernรผnftige und richtige Antwort.
Eine letzte Frage. Wir sprachen von Regulierungen, da kommt natรผrlich auch das Urheberrecht ins Spiel. Google und andere Akteure sagen heute, gerade beim Einsatz von KI: Urheberrecht interessiert uns eigentlich gar nicht mehr. Was kann man dort รผberhaupt noch tun?
Das ist eine zweite groรe Frage, fรผr die es zur Zeit noch keine Lรถsungen gibt. Gerade die generativen KI-Modelle schaffen eine Situation, wo man eigentlich seine Urheberrechte oder รผberhaupt die geistigen Eigentumsfragen oder auch Persรถnlichkeitsrechte gar nicht mehr durchsetzen kann. Man kann das zwar mit dem Risiko des Verlierens immer ins Blaue hinein machen, aber es gibt keine Gewissheit mehr, dass die tatsรคchlich mein Urheberrecht oder mein Persรถnlichkeitsrecht verletzt haben.
Das sieht man ja nicht mehr. Deshalb meine ich, es wรคre an der Zeit sich mit dieser Frage zu beschรคftigen, damit die Rechte, die wir den Bรผrgerinnen und Bรผrgern geben, auch tatsรคchlich noch durchgesetzt werden kรถnnen. Und das ist eine der groรen Fragen, mit denen wir uns jetzt beschรคftigen wollen, ohne dass ich Ihnen im Moment sagen kann, wo da eine Lรถsung wรคre.
Uns treibt natรผrlich aber auch diese Frage um: Es kann nicht sein, dass wir mit jeder neuen Technologie immer erneut hinsichtlich des Urheberrechts ausgleichen mรผssen, sondern es wรคre jetzt, glaube ich, an der Zeit eine Lรถsung zu finden, die auch zukunftsgerecht ist. Wie immer man die auch gestaltet.
Ich habe nur das Gefรผhl, dass wir im Zuge dieser Maรnahmen eigentlich auch gucken mรผssen, oder auch europรคisch noch mehr zusammenfรผhren mรผssen: Wie erkenne ich eigentlich ein Urheberrecht im Internet? Wie oder woher kenne ich die Urheberrechtsinhaber und wie kann ich die am Ende vergรผten? Und da, glaube ich, gibt es noch Potenzial, wo man sagen muss, hier mรผssen wir noch mal an das Urheberrecht ran, unabhรคngig von der Frage, ob die Definition, die man mal vor 20 Jahren aufgeworfen hat, noch richtig ist.
Stichwort: Was ist eigentlich eine Kopie? Damals hatte man ganz andere Vorstellungen, wie das technisch, technologisch ablรคuft, was jetzt ein sogenanntes Large Language Model macht. Und da glaube ich schon, mรผssen wir das Urheberrecht in gewisser Weise modernisieren.
Wir kรถnnen heute also nur feststellen: Es gibt auf diesem Gebiet wahnsinnig viel zu tun. Es muss erst mal รผber Lรถsungen nachgedacht werden, es gibt keine fertigen Lรถsungsansรคtze.
Genau. Es ist natรผrlich auch schwierig. Wir mรผssen ja sehen, dass wir unsere KI-Entwicklung nicht auf der einen Seite abwรผrgen, auf der anderen Seite dรผrfen wir aber auch das geistige Eigentumsrecht nicht abschaffen. Mit anderen Worten: Eigentlich soll das, was neu entwickelt wird, die existierenden Gesetze und Rechte respektieren und die existierenden Rechte und Gesetze sollen nichts behindern.
Wenn wir uns in diesem Bereich irgendwie annรคhern kรถnnen, glaube ich, ist allen geholfen. Denn im Moment ist es rechtlich vรถllig unklar. In den USA gibt es schon diese Gerichtsverfahren und wir wollen natรผrlich eigentlich ausschlieรen, dass es acht Jahre lang, bis es beispielsweise beim EuGH landet, eine Rechtsunsicherheit gibt. Da wรผrde ich sagen: Das sollten wir ausschlieรen, dass man nur noch รผber Gerichte das irgendwie klรคren kann. Da brauchen wir eine Lรถsung als Gesetzgeber.
Herr Voss, ich bedanke mich fรผr das Gesprรคch.
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