Die Merseburger Zaubersprüche sind das älteste althochdeutsche Textdokument und damit ein wichtiges Zeugnis für die Entwicklung der deutschen und anderer europäischer Sprachen. Sie sind die einzigen in Deutschland erhaltenen heidnischen Beschwörungsformeln, aufgeschrieben von einem Mönch vor mehr als 1.000 Jahren und verwahrt in der Domstiftsbibliothek Merseburg. Die Zeilen geben magische Beschwörungsformeln aus vorchristlicher Zeit in seltener Ursprünglichkeit wieder und halten damit heidnisch-germanisches Brauchtum fest.

Während der erste Vers gesprochen wurde, um Gefangene aus ihren Fesseln zu befreien, sollte mit dem zweiten die Heilung einer Fußverletzung bewirkt werden. Die streng geformten Sprüche offenbaren die besondere Klangfülle althochdeutscher Sprache.

Mit den Mitteln von Wiederholung, Gleichlauf und Schlussbeschwörung wird eine magisch-zwingende Ausstrahlung der Rede angestrebt. Beachtenswert ist der Umstand, dass die Merseburger Zaubersprüche das einzige bekannte althochdeutsche Sprachzeugnis darstellten, in dem Gestalter der germanischen Götterwelt (Wodan, Balder, Friia, Volla, Sunna, Phol, Sinhtgunt) agieren.

Die Aufzeichnung dürfte, wie man jetzt annimmt, im ersten oder zweiten Drittel des 10. Jahrhunderts erfolgt sein. Die Merseburger Zaubersprüche erhielten ihren Namen nach dem Fundort. Entdeckt wurden die Zeilen erst im Jahre 1841 von dem in der Wissenschaft weithin bekannten Historiker Georg Waitz in der Bibliothek des Domstifts Merseburg.

Er selbst verzichtete auf eine Veröffentlichung der Zaubersprüche und überließ sie den Brüdern Grimm zur Bearbeitung. Jakob Grimm wählte die Merseburger Zaubersprüche zum Thema seines Antrittsvortrags der Berliner Akademie der Wissenschaften am 3. Februar 1842. Grimm würdigte die überlieferte Handschrift als „… Kostbarkeit“, der „keine Bibliothek in Deutschland … etwas zur Seite zu stellen [habe].“

Präsentation der Zaubersprüche im Original durch Markus Cottin. Foto: Vereinigte Domstifter zu Merseburg und Naumburg
Präsentation der Zaubersprüche im Original durch Markus Cottin. Foto: Vereinigte Domstifter zu Merseburg und Naumburg

Im Zauberspruchgewölbe im Merseburger Dom werden die Merseburger Zaubersprüche im Faksimile präsentiert. Hier können die Besucher des Doms sich intensiv mit den Zaubersprüchen, ihrer Herkunft, Überlieferung und Übersetzung auseinandersetzen.

Bereits 2021 haben die Vereinigten Domstifter gemeinsam mit Privatdozent Dr. Wolfgang Beck vom Institut für Germanistische Literaturwissenschaft der Universität Jena den Antrag gestellt, die Merseburger Zaubersprüche ins UNESCO-Weltdokumentenerbe eintragen zu lassen.

Dieser ist im September 2021 vom deutschen Nominierungskomitee „Memory of the World“ einstimmig angenommen worden. Im Herbst 2025 werden die Zaubersprüche bei der Sitzung des Sekretariats der UNESCO in Paris durch das Auswärtige Amt eingereicht.

Um das Ziel, UNESCO-Weltdokumentenerbe zu werden, zu erreichen, bedarf es großer Unterstützung. Am 6. Februar 2025 besuchte die Abgeordnete im Europäischen Parlament, Alexandra Mehnert, Merseburg und den Merseburger Dom. Ihr wurden die Merseburger Zaubersprüche im Original präsentiert und sie unterzeichnete anschließend eine Erklärung zur Unterstützung der Zaubersprüche auf dem Weg zum UNESCO-Weltdokumentenerbe.

Alexandra Mehnert sagte nach der Unterzeichnung: „Die Merseburger Zaubersprüche und alles, was ich hier kennenlernen durfte, leben von allen Akteuren, der Stadt, den Schulen und den Vereinigten Domstiftern, das beeindruckt mich sehr.“

Der Stiftsdirektor der Vereinigten Domstifter, Dr. Holger Kunde, betonte, „dass er sich durch die Unterzeichnung der Unterstützungserklärung erhofft, dass Frau Mehnert den Prozess der Antragstellung weiter begleitet und im europäischen Kontext unterstützen kann“.

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