Natürlich war es die richtige Entscheidung, nicht gleich nach Hayna zu fahren, sondern noch 800 Meter an jungen Laubbäumen in Gelb und Grün und Ocker vorbeizuradeln. Denn was auf dem Wegweiser als Haynaer Strand ausgewiesen wurde, ist tatsächlich der mittlerweile bekannte Biedermeierstrand, an dem der Haynaer Strandverein e. V. jedes Jahr Konzerte, Musicals und Feste rund um die Strandbühne organisiert. Für manchen noch heute ein Geheimtipp.
Aber es ist Oktober. Da genügt ein Blick über den Strand, um zu sehen, dass hier in diesem Jahr nicht mehr viel passiert. Nur „Halloween am Biedermeierstrand mit Markt und Schauerlichkeiten“ steht noch auf dem Programm des Haynaer Strandvereins, bevor es im Dezember noch „A Victorian Chrismas“ gibt.
Denn obwohl es mit 17 Grad fast sommerlich warm ist, tummelt sich niemand im Wasser. Nur Hundebesitzer und Spaziergänger sind unterwegs. Und natürlich Radelnde jeden Alters. Für eine große Portion aus der Eismanufaktur Hayna ist es hingegen noch zu früh. Und Kinder, die jetzt unbedingt ein Eis haben möchten, sind auch nicht dabei. Bleibt nur die Frage: wie herum nun?
Aber die beantwortet schon eine große Zeichnung auf dem Asphalt: „Radfahrer“. Samt Pfeil. Vielleicht von ordnungsliebenden Menschen aufgemalt, damit sich alle angewöhnen, dass man mit seinem Rad immer im Uhrzeigersinn um einen Teich zu fahren hat. Sorry: See. Schladitzer See.
Mit seinen 2,2 Quadratkilometern Wasserfläche ist der 1999 bis 2012 geflutete Bergbaufolgesee zwar einer der kleineren in der Region, aber so winzig nun doch nicht. Denn an seinen Ufern findet etliches Platz, was man dem See gar nicht zugetraut hätte. Denn er erfüllt hier im Leipziger Norden genau die Funktion, die im Süden der Cospudener See ausfüllen muss.
Breitenfeld hieß der Tagebau, der hier bis 1991 betrieben wurde. Dann war hier genauso Schluss wie in Cospuden. Zum Glück. Denn sonst wäre das auch Leipzig noch schlecht bekommen. Denn: „Planungen, die eine Ausweitung des Tagebaus Breitenfeld bis an den nördlichen Stadtrand von Leipzig sowie die Verlegung der Autobahn 14 vorsahen, wurden nicht mehr realisiert.“
Man atmet also richtig auf, wenn man sich hier wieder in den Sattel schwingt und auf den 2012 gebauten asphaltierten Rundweg begibt, der einige Abstecher und Abzweige hat. Aber die kann jeder ausprobieren, wie er Lust hat. Etwa das Wolteritzer Strandcafé, das aber jetzt schon geschlossen ist. Was ein emsiger Freisitzbesucher so recht nicht verstehen mag: So ein Wetter – und das Café hat geschlossen.
Wer also pausieren möchte, packt sich am besten alles in den Rucksack. Auch den Kaffee für unterwegs.
Ansonsten heißt es nämlich rollen und strampeln. Rollen auf einem ganz langen Abschnitt vom Biedermeierstrand durch lauter junges Waldgrün und Waldgelb rechts und links, bevor es in großem Schwung erst einmal abwärts geht, bevor man das Schild sieht, das einem wieder zwei Möglichkeiten einräumt: Eine Anhöhe hinaufzufahren und dort abzusteigen, um auf einem eher für Fußgänger angelegten Weg um den Hügel herumzugehen. Oder noch ein paar Höhenmeter mehr im Sattel zu strampeln, um dann vom Aussichtspunkt Schafshöhe über den See zu schauen.
Da wird er dann überschaubar. Zum Glück. Nicht auszudenken, wie sich hier die Kohlebagger noch weiter auf Leipzig zugefressen hätten.
Jetzt hat man dafür einen Herbstsee, an dem selbst die Männer in ihren Rennfahrertrikots langsamer kurbeln, als würden sie hier ihre Leipziger Eile doch mal loswerden und ihr Soll ein paar Stufen tiefer hängen. Auch wenn man per Rad die schöne Gemütlichkeit der vorübergleitenden Hundebesitzer nicht ganz hinbekommt.
Absteigen lohnt sich trotzdem immer wieder. Am Wolteritzer Strand nähert sich der Radweg dem Seeufer wieder. Hier kann man sich dem lauen Herbstwind hingeben, dem netten Wellenschlag und den Gedanken daran, dass man eigentlich viel zu selten rauskommt aus dieser hektischen Stadt.
Dabei ist es nicht weit. Und so ein langer Rundweg ist es auch nicht, bloß 8 Kilometer, die schneller unter den Reifen verschwinden, als man sich umschauen mag. Aber man schaut sich um.
Am Wolteritzer Strand hat man tatsächlich ein richtiges Strandgefühl, steht zwischen Wellen, Sand, Schilf und einem Warnschild, das einem das Laufen auf eigene Gefahr erklärt. Man ist ja für jeden Hinweis dankbar.
Bleibt man noch?
Was hat man eingepackt? Das ist die Frage. Denn die Uferkrümmung lässt schon ahnen: Bald hat man den See halb umrundet. Dann geht es zurück. Und noch ist was übrig vom Tag. Das sollte man genießen.
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Beim nächsten Ausflug gleich weiter zum NSG Werbeliner See. Der ist einerseits schön nicht-erschlossen, jedoch ist der Radweg in Abschnitten schon soweit runter, dass ich mich frage wie das sein kann.