Protzig stehen sie da, und ein Hauch Romantik umgeistert ihre Zinnen, Tore, Bäume und Parks von Schlössern, Burgen und Herrenhäusern, selbst dann noch, wenn sie längst verlassen sind. Manches Haus zeigt neuen Putz, frische Farbe, ausgebesserte Details an Skulpturen, Fenstern und Fassaden. Glück haben sie gehabt, diese alten Bauten, wenn sich jemand um sie kümmert.

Manche Tore sind verschlossen, Schilder warnen vor wachenden Hunden. Anderswo sind Besucher willkommen und schauen sich um (wie L-IZ.de),  staunen oder lassen sogar ihre Fantasie spielen …

Irmgard und Manfred Knochenmuß, die heutigen Schlossherren aus Leidenschaft, sind bestimmt interessanter als die Vorgänger, denn sie sind da und sie sind liebenswert. Sie haben hier zwei Wohnungen. Eine private und eine öffentliche. Letztere scheint tatsächlich aktuell bewohnt oder zumindest bewohnbar zu sein. Mit Türklingel an der Wohnungstür und über den Flur hinter der nächsten Tür ertönt schon wieder eine Glocke – und plötzlich steht man in einer alten Colditzer Kneipe! In Colditz wollte die keiner mehr, so wurde sie demontiert und wieder aufgebaut. Mit all den 1.000 kleinen Dingen vor, hinter, über und unter dem Tresen. Wer will, kriegt Kaffee und Kuchen, gleich hier oder in der guten Stube serviert. Dabei schwatzen Irmgard und Manfred mit den Besuchern.

Ihnen gehört das Schloss nicht, aber sie leben hier und ziehen Besucher magisch an. „Es ist nur eine Heimatstube, es ist kein Museum“, sagt Manfred Knochenmuß und verweist darauf, dass es keine geordnete und gestaltete Ausstellung mit Beschriftungen gibt. Es ist auch keine Sammlung im Sinne bildender Kunst und Künstler, mehr eine Ansammlung von Gebrauchsgegenständen aller Art, besser gesagt, aller Zwecke. Benutzungs- und Alterungsspuren sind nicht zu übersehen und sind erwünscht! Ergänzungen der Sammlung sind scheinbar vorgesehen.

Giebelschmuck auf Schloss Podelwitz. Foto: Karsten Pietsch
Giebelschmuck auf Schloss Podelwitz. Foto: Karsten Pietsch

Neo-Ritterburg an der Freiberger Mulde

Es geht in der Heimatstube nicht um die Geschichte der einstigen Schlossbesitzer und die Architektur. Dazu kann man Bücher studieren. Eine Wasserburg soll es gewesen sein, aus dem späten 16. Jahrhunderts stammt die Anlage um das größere Gebäude und ein kleineres Schlösschen am Flussufer. Erneuert wurde 1858, erweitert 1893, entstanden ist eine romantische Ritterburg, oder sagt man vielleicht neu-romantisch oder Neo-Ritterburg dazu. Ritter bewachen noch heute die Burg, in Form von Skulpturen hoch oben auf dem Giebel.

Immerhin bietet die Mulde mit möglichen Überquerungen und dem nahe gelegenen Mulden-Zusammenfluss einen militärstrategisch wichtigen Punkt. Wenn denn jemand den Fluss überqueren wollte. Ansonsten war der Strom auch ein guter Schutz vor Angreifern und eine Nahrungsquelle.

„Junkerland in Bauernhand“

Anfang des 20. Jahrhunderts waren Schloss und Gut ringsum ein großer landwirtschaftlicher Betrieb mit Ställen, einer Schnapsbrennerei, Lagerscheunen, einer Gärtnerei mit Orangerie. Nach 1945 wurde die Familie von Reiswitz in der Bodenreform enteignet, als es hieß „Junkerland in Bauernhand!“ Schlossherren waren nun die Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft (LPG), im großen Haus waren Wohnungen und ein Kindergarten. Lauter kleine Prinzessinnen und Prinzen in einem echten Schloss!

Etliche baufällige Gebäude sind längst abgerissen worden. Altes Mauerwerk und Gewölbe dient heute zur Zierde der Gaststätte. Parkplatz und Wiesen rundum halten auch heute friedlichen Belagerungen stand. Ein Förderverein Schloss Podelwitz e. V. und seit 1. Februar 2014 Wasserschloss Podelwitz GbR kümmern sich neben der Stadt Colditz um das Schloss.

Erinnern, erzählen

Vor über 20 Jahren begann hier die Ära Knochenmuß. Zur eigenen Wohnung war nämlich schon ein Haus in Colditz-Hausdorf gekommen, das als „Heimatstube“ Besucher empfing. Bereits damals durfte man über die Sammlung staunen, deren Bestandteile zwar aus Großeltern-Wohnungen von Dachböden, Schuppen, Rumpelkammer oder auch Flohmarkt, anderen Heimatstuben und Volkskunde-Ausstellungen bekannt waren, hier aber war der Haushalt und der Hausrat komplett. Manfred Knochenmuß, von Beruf Keramiker und Bautischler, schon längst in Pension, sagte vor über 20 Jahren in einem Radiointerview. „Das Zeug ist doch gar nicht so wichtig, aber das Reden darüber. Die Erinnerungen und Erzählungen der Leute!“

Irmgard und Manfred Knochenmuß in ihrer ganz privaten Kneipe. Foto: Karsten Pietsch
Irmgard und Manfred Knochenmuß in ihrer ganz privaten Kneipe. Foto: Karsten Pietsch

„Das war doch! Meins! – Muttern ihrs! Großvater hat … zu Großmutters Zeiten. – Wer hatte das auch … Und dann war das so und so und es ging! –  Und wenn es kaputt war, dann …“
Nicht ein Bügeleisen stand da im Treppenhaus, sondern ein Dutzend, da wurde es verdächtig. Platznot war abzusehen und so kam jemand auf die Idee, Familie Knochenmuß mitsamt ihren 1000 kleinen Dingen neue Räume füllen zu lassen. Heute scheint es so, als habe das Schloss Podelwitz nur darauf gewartet.

Man passiert eine Ladentür und steht in einem alten Colditzer Lebensmittel-Laden inmitten von Tausenden von Waren und Reklamen. Regale und Schubkästen sind scheinbar alle gefüllt. Hier scheint es auch alles zu geben, was man will … Bis hin zu den Verpackungsmaterialien, und die Ladenkasse klingelt.

In der vollgestopften Küche stapeln sich die Utensilien mehrerer Generationen von Köchinnen und Köchen. Inventar kann hier überhaupt nicht und in keinem der Räume nach Stückzahl ermessen werden.

Ein nächstes Zimmer bewahrt die Post mit all ihren gelben Geräten, samt Original-Briefkasten.

Benutzungsspuren zeigen die Exponate im Spielzeug-Zimmer, dessen Ausstellungsstücke durch viele Hände gingen, und über Generationen weitergegeben worden sind, Großvaters Soldaten und Bausteine, Mutters Puppe, Vaters Teddybär. Meistens sind die Stücke aufgereiht und füllen Vitrinen wie anderswo die Sammeltassen.

Auch eine Kammer der bewaffneten Organe gehört zur Heimstube mit Uniformen, Orden und Urkunden.

Manfred Knochenmuß erklärt gerade feixend Besuchern ein sogenanntes Ent-Stör-Gerät, ein unförmiges Aluminiumgerät, das früher auf den Fernseher gestellt worden sein soll, damit der Westfernseh-Empfang besser wurde. Hier schmunzelt der aufmerksame Betrachter, wohl wissend, dass das Medium Fernsehen seit jeher vor Tricks und Bluffs strotzt. Nur Manfred Kochmuß’ Performance ist eben original!

Eine „heeße“ Empfehlung

Nach all dem Sehen und Staunen lässt man sich nieder – am besten auf der Couch oder einem schon etwas durchgesessenen Stuhl in der guten Stube des Hauses! Hier reihen sich feine Sofas, edle Sessel, samtene Schmuckkissen-Hüllen und Wanduhren in Fülle…

Von der weiß auch die Knochenmuß-Tochter Simone Dathe ein Lied zu singen, denn sie hat hier öfters Staub zu wischen. Und außerdem kann auch sie selbst nichts Altes wegwerfen, wie sie gesteht.

Beim Hinausgehen bleiben die Augen an einem Spruch hängen:  „Streut Blumen der Liebe bei Lebenszeit und bewahret einander vor Herzeleid.“

Detail aus der kleinen Heimatsammlung. Foto: Karsten Pietsch
Detail aus der kleinen Heimatsammlung. Foto: Karsten Pietsch

So ein Leben möchten alle Schlösser haben! Über Baustile, Alltagsgeschichten und Lebenszeit kann man ja noch diskutieren. Am besten bei Kaffee und Kuchen bei Familie Knochenmuß. Oder mit anderen erblichen oder ehrenamtlichen Schloss-Besitzern.

An einer Wand der Podelwitzer Schloss-Wohnung steht der Spruch: „Das Leben ist schön und teuer. Man kann es auch billig haben, aber schön ist es dann nicht mehr.“

Podelwitzer Specials

In der Vorweihnachtszeit gibt es in der Heimatstube eine Sonderausstellung.

Heiraten wie Schlossbesitzer: Trauzimmer ist der Rote Salon im Schloss mit Blick und Zugang durch einen Rosenbogen in den romantischen Garten. Zur Trauzeremonie finden 25 Personen Platz. Die Feierlichkeit kann nach der Trauung im angrenzenden Grünen Salon und im Kamzinzimmer, ausreichend für 40 – 50 Personen, stattfinden oder im Restaurant im Schlossgewölbe mit 70 Personen. Die Pension im Schloss hat 25 Betten in 2- bis 5-Bett-Zimmern.

Eine Bootsanlegestelle für alle Wasserwanderer mit Kanus und Schlauchbooten befindet sich im Schlosspark. Schlauchboottouren auf der Freiberger Mulde werden auf Wunsch auch organisiert, www.schloss-podelwitz.de

Vorsicht, Verwechslungsgefahr!

Podelwitz ist zwar ein eingängiger Ortsname: Aber es gibt Podelwitz bei Leipzig und Podelwitz am Ufer der Freiberger Mulde in der Nähe von Colditz und Leisnig. Solche Feinheiten überhört man schnell. Verirrte riefen schon telefonisch um Hilfe, und hatten dann noch eine gute Stunde Wegstrecke …

Orientierungssinn ist auch direkt in der Gegend um Sermuth gefragt, denn schnell hat man eine Brücke passiert und einen Fluss überfahren. Und hier treffen sich die Zwickauer Mulde und die Freiberger Mulde. Daraus entsteht, wie die Geographielehrer wissen, der am schnellsten fließende Fluss in Mitteleuropa. Wer die Wasserkraft anhand der Flutschäden im Jahr 2002 zum Beispiel in Grimma gesehen hat, erahnt, welche Kräfte da wirken können.

Sagen, Spuk…? rund ums Wasserschloss? In den „schwarzen“ Nachschlagewerken fehlt der Ortsname.
Vorsicht aber vor einem bestimmten Quälgeist, dem Geistigen und einem falschen Geist und den Geistern, die ihn duldeten, in einer Klinik im nahegelegenen Zschadraß, wo der falsche Nervenarzt Dr. Gert Postel eine gewisse Karriere machen konnte. Angeblich hat er sogar Fortbildungen für so genannte Fachkollegen der Psychiatrie gehalten. Nur durch Zufall, weil derselbe Name als Hochstapler früher schon aufgetaucht war, flog der Schwindel auf. Als der super-dynamische Typ bei einer Lesung samt Gespräch in Leipzig zu erleben war, erschrak man. Und vermutete, dass er bei einer Schauspiel-Aufnahmeprüfung durchgefallen wäre, so überdreht fahrig war er.
Eine Parodie auf Dr. Gert Postel soll jahrelang unter dem Namen Badearzt Dr. med. hyd. Gerold Frostelsteiner sogar in der Dübener und der Dahlener Heide aufgetaucht sein und von Kurschatten, Moorgeistern und Torfnasen referiert haben. Nur nicht im Klinikbereich, sondern als Theaterstückfigur.

Wann? Wie? Wohin? Weiter?

Familie Knochenmuß wohnt am Ort, im Schloss. Trotzdem dürfen sich Interessenten für die Heimatstube gern telefonisch anmelden, in Schloss, Heimatstube, respektive guter Stube, Kneipe und Postamt: Tel. (034381) 40815.

Restaurant „Schlossgewölbe“,  geöffnet Mittwoch und Donnerstag ab 17.00 Uhr, Freitag bis Sonntag ab 11.00 Uhr.
Tel. (034381) 124600, info@wasserschloss-podelwitz.de, www.schloss-podelwitz.de

Nächster DB-Bahnanschluss von Leipzig und Dresden: Tanndorf in 1,5 km Entfernung vom Schloss.

Nächste Ausflugsstation: Schloss Colditz

„Der britische Chronist David Ray beschäftigt sich schon seit vielen Jahren mit den Geschehnissen während der Nutzung von Schloss Colditz als Offiziersgefangenenlager in der Zeit des 2. Weltkrieges. Das Oflag IV C galt in Fachkreisen als “ausbruchsicher”, was zahlreiche Fluchtversuche widerlegen. David Ray gilt als die Nr. 1 unter den Historikern um Oflag IV C. Manfred Knochenmuß hingegen hat die Zeit hier vor Ort live miterlebt. So ist er eine erstklassige mündliche Ergänzung der vielen Ausstellungsstücke.
Nicht nur Fotos, auch Sammelstücke sind hochinteressante Zeitzeugen.“ (schloss-podelwitz.de)

Aktuelles

Rund um Schloss Podelwitz findet allerhand statt:

3. Oktober, 2. Oktoberfest im Park Podelwitz,
4. Oktober, 15. Erntedankfest, 10.00 Uhr bis 18.00 Uhr,
31. Oktober, Whisky Tasting im Kaminzimmer, Anmeldungen unter Tel. 034381  124600, info@wasserschloss-podelwitz.de
07. November, Weinverkostung Schloss Proschwitz,
11. November, Martinsgans-Essen.

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