Wir starten mit unserem Champs-Elysées-Spaziergang am Triumphbogen und schlendern den breiten Gehweg entlang. In Sichtweite haben hunderte Andere den gleichen Wunsch. Es ist voll, die Prachtstraße scheint nichts von ihrer Beliebtheit eingebüßt zu haben. Viele bummeln und schauen, nur wenige kaufen. Die Idee, alle Geschäfte anzuschauen, muss man sowieso aufgeben. Man hat wegen der Breite der Avenue trotz der Ampeln kaum eine Chance, ständig die Straßenseite zu wechseln.
Also bleiben wir einfach hier auf der stadteinwärtigen, rechten Straßenseite und versuchen, so viele Eindrücke wie möglich aufzuschnappen. Ich hoffe, Sie erwarten von mir nicht, dass ich jetzt hier alle Firmennamen aufzähle, an deren Geschäften wir vorbeigehen. Wer das möchte, macht einfach mal einen virtuellen Spaziergang in Google Maps und zieht die kleine gelbe Figur auf die Champs-Elysées. Oder Sie fahren einfach selbst mal nach Paris.
Ich möchte hier in meinem Tagebuch nur über Dinge erzählen, die mir im Besonderen aufgefallen sind. Zum Beispiel leuchtet gleich zu Beginn auf der gegenüberliegenden Seite das „Goldene M“ der McDonald‘s-Filiale. Die meisten Pariser meiden die Gegenden um die von Touristen besuchten Orte ja eh, solange sie können. Die Diskussion allerdings, die begann, als der Fastfood-Konzern die Eröffnung einer Filiale auf der Prachtstraße ankündigte, war enorm. Dass die Franzosen eine Aversion gegen US-amerikanische Fastfood-Ernährung haben und ihre „französische Gourmet-Küche“ bedroht sehen, ist ja bekannt. Lange verhindert hat der Protest die Eröffnung jedoch nicht, denn jetzt ist er da, ein „McDo“ (wie die Franzosen sagen), der zur jetzigen Mittagszeit gut gefüllt ist. Und selbst weiter oben am Ende der Straße, direkt am Louvre, findet man eine Filiale der Burger-Brater. Das kann man bedauern, aber auch verstehen, denn nur wenige Touristen werden sich in eines der teuren Restaurants setzen und sich dort ein Essen, geschweige denn ein Menü, leisten können.
Lustigerweise (wie ich finde) war es ausgerechnet der McDonald’s-Konzern, der sich vor einigen Jahren über die zu stark steigenden Mieten aufgeregt – und auch geklagt – hatte. Wohl mit Erfolg, wie es scheint, denn die Filiale ist ja noch da. Das konnte auch die Pariser Stadtverwaltung bislang nicht verhindern. Man arbeitet aber an einem Gesetz bzw. einem Beschluss, nach dem Anbieter ungesunder Lebensmittel in der Nähe von Schulen keine Filialen mehr eröffnen dürfen. Werbung für Tabak und Alkohol sind in Frankreich eh strikter als in Deutschland und an vielen Stellen untersagt.
Ein paar Jahre später hat die Pariser Stadtverwaltung eine Zeitlang versucht, die Eröffnung einer H&M-Filiale zu verbieten. Als Begründung wurde angegeben, dass es schon ausreichend Bekleidungsgeschäfte in der Straße geben würde. Dass das nicht erfolgreich umgesetzt werden konnte, zeigt sich wenig später, als wir an der Filiale dieser Kette vorübergehen.
Ein paar Schritte weiter, rechts neben uns sind gerade die Schaufenster des Handtaschendesigners mit den übereinander liegenden Buchstaben L und V zu sehen, entdecke ich auf der anderen Straßenseite hinter den Bäumen das eigentliche Highlight: das Revuetheater „Lido de Paris“, welches seit Mitte der 1940er Jahre für Amusement sorgt. So versteckt und unscheinbar, dass ich beinahe dran vorbeigelaufen wäre. Am Abend, wenn die Straße durch Leuchtreklame in bunte Farben getaucht wird, wäre das wohl nicht passiert.
Die „Dîner-Spectacles“, eine Mischung aus luxuriösem Abendessen mit anschließender Revue, sind legendär. Anfangs gut von den in Paris stationierten amerikanischen Soldaten besucht, wurde es schnell weltweit für seine aufwendigen Produktionen bekannt – und später auch mit gleichem Konzept nach Las Vegas exportiert. Stars wie Marlene Dietrich, Josephine Baker, Maurice Chevalier, Edith Piaf und die Showbrüder Siegfried & Roy standen im „Lido“ auf der Bühne. Auch die Kessler-Zwillinge waren da. Später standen Auftritte von Shirley MacLaine, Tom Jones, Charles Aznavour, Ute Lemper und Elton John hier auf dem Programm.
Ok, das mit dem Standort stimmt nicht ganz. Der Standort wurde nämlich schon in den 70er Jahren in das Großkino „Normandie“ verlegt. Es gab am alten Standort einfach nicht mehr genügend Platz für den wachsenden Bedarf. Heute hat das „Lido“ ein Angebot von 1150 Plätzen, die Angebote sind genauso bunt wie eh und je: der „Soirée Champs-Elysées“ beinhaltet ein Dinner mit der Wahl zwischen 3 Vorspeisen, 3 Hauptgerichten und 3 Nachspeisen, eine halbe Flasche Champagner Brut Premier Cru und natürlich den Eintritt für die Abendshow mit Musik und Tanz. Der Preis: 195 Euro pro Person. Wenn Sie Lust haben und mal schauen wollen: http://www.lido.fr/index.cfm/page/lid/4/rid/3734/
Wir gehen an der Métro-Haltestelle „George V“ vorbei und schon habe ich das nächste Fotomotiv vor meiner Kamera: das Café bzw. Restaurant „Fouquet’s“. Wir stehen vor einer der Hochburgen der französischen Gastronomie. Seit 1899 ist man vor allem für französische, aber auch internationale Filmstars, die Anlaufstelle Nummer eins, wenn es um ein gepflegtes Abendessen geht. Am Haupteingang kann man etliche, in goldene Platten eingravierte Namen von berühmten Darsteller/Innen lesen. Leider liegt direkt vor dem Eingang ein breiter roter Teppich, so dass viele der Namen in der Mitte verdeckt sind. Nur die Namen links und rechts des Teppichs sind zu erkennen.
Alle sind Preisträger des seit 1976 verliehenen französischen Filmpreises „César“, unter ihnen Jean-Paul Belmondo, Isabelle Adjani, Gene Kelly, Juliette Binoche, Gerard Depardieu, Alain Delon und Sophia Loren. Viele von ihnen haben hier gesessen und gefeiert, die gesamte Filmbranche trifft sich hier zum Stelldichein. Früher und heute auch.
Aber auch Nicolas Sarkozy wollte 2007 nach seiner Wahl zum Präsidenten hier feiern und ein bisschen vom Glamour abhaben.
Ein bisschen hat man versucht, die Hektik der Avenue – und des Alltags – auszuschließen, eine Buchsbaumhecke soll dabei helfen. Mit zweifelhaftem Erfolg. Zumindest sollte es die riesige rote Markise schaffen, die Gäste vor der Sonne zu schützen. Wir leiden sehr darunter, es wird immer wärmer.
Wir gehen trotzdem nicht rein. Eigentlich müsste ich sagen, dass wir in unserer legeren Sommer-Touri-Bekleidung sowieso nicht reingelassen werden würden. Man wird platziert – und vorher aussortiert.
Von den sonst hier als Gäste einkehrenden Stars und Sternchen scheint heute eh niemand hier zu sein, dafür ist es zu leer. Aber es könnte ja sein, dass sie sich in der ersten Etage versteckt halten, wo man ebenso die Gäste mit allerlei Gaumenfreuden verwöhnen möchte. Haben Sie Lust auf einen Blick in die Speisekarte?:
Ein bisschen vergrößert:
Ich weiß, es ist schwer zu erkennen, aber besser ließ sich der Bildbereich im Nachhinein leider nicht herausschneiden. Dann mache ich Ihnen eben mal den Mund wässrig, schlüpfe in die Rolle des Kellners und empfehle Ihnen ein paar Gerichte:
Bonjour Monsieur, bonjour Madame, wünschen Sie eine Vorspeise? Zum Beispiel ein Salat aus grünen Bohnen, dazu ein wenig geräucherte Entenbrust, beträufelt mit Himbeeressig für 22 Euro? Oder ein Salatherz mit Parmesan und Zitronen-Olivenöl für 16 Euro? Oder probieren Sie doch auch mal 6 Austern auf Eis für 42 Euro. Haben Sie Appetit auf Melone mit Schinken? Für 28 Euro gern.
Als Hauptgang empfehlen wir unsere Macaroni mit Tomatensauce für 29 Euro. Unser Küchenchef bereitet Ihnen auch gern ein Rinderfilet mit Kartoffelecken zu (und ich setze Ihnen dafür 52 Euro auf die Rechnung). Ok, ok, ich höre ja schon auf. Obwohl mir gerade bei dem zuletzt genannten Gericht mal wieder klar wird, wie schön die französische Sprache klingt. Wenn ich das so hier zu Ihnen gesagt hätte: Je vous conseille comme plat principal le Filet de boeuf, fait du facon „Château Terzian“, avec pommes à la „Coin de rue“, dann hätten Sie doch bestimmt die 50 Euro ausgeben, oder?
Aber das “Fouquet’s” ist nicht nur ein Café und Restaurant, also eine Brasserie, sondern auch ein kleines Hotel. Und wenn Sie es wie Bruce Willis, Alain Delon, Robert Hossein, Jack Nicholson oder Claudia Cardinale machen möchten, dann reservieren Sie einfach in den oberen Etagen des Hauses eine Übernachtung für zwei, inklusive Abendessen, ab 759 Euro.
Darüber, ob das Angebot für Sie infrage kommt, können Sie ja noch so ein bisschen nachdenken. Wir lesen uns im nächsten Paris-Tagebuch wieder. Da treffen wir Frau Merkel, tun was für Auto- und Fußballfans und ich verrate Ihnen, wie wir einen Taschendiebstahl verhinderten.
Au revoir!
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