Am heutigen Sonntagmorgen beginnt die Reise. Endlich. Acht Familienmitglieder machen sich gemeinsam auf zu einem Stadturlaub in Paris. Nicht – wie in dem Lied - in einem Taxi, sondern mit dem Flugzeug. Der erste gemeinsame Treffpunkt ist der Flughafen Berlin-Tegel, denn dort beginnt unser Abenteuer. Wir drei Leipziger starten mit unserem Gepäck am Leipziger Hauptbahnhof, genauer gesagt: gegenüber des Bahnhofs in der Goethestraße, bei den Fernbussen.
Es ist ein bisschen zu warm, um schwere Koffer zu ziehen oder Taschen zu tragen. 25 Grad sind es jetzt schon, etwas über 30 Grad sollen es heute Nachmittag noch werden. Wir sitzen wegen der fehlenden Bänke direkt auf dem Rasen und auf dem Geländer, trotz des frühen Morgens stehen schon eine ganze Menge – vorwiegend junge – Leute mit uns am Straßenrand. Auf welchen Bus genau sie warten, ist nicht herauszubekommen, da die Busse in der Goethestraße keine festen Haltestellen haben. Sie halten da, wo gerade Platz ist. Und dann sieht man, wie alle Fahrgäste ihre Sachen schnappen und sich durch das Menschengewühl zum Halteplatz ihres Busses durchkämpfen. Der gern auch mal 100 Meter weit weg ist.
Es ist wirklich an der Zeit, dass man hier für die Leipziger Fahrgäste eine bessere Lösung hinbekommt. So schnell wie möglich. Jede Zwischenlösung, die man auch noch vor der Fertigstellung des geplanten Leipziger Fernbusbahnhofes den Fahrgästen anbieten kann, ist eine Erleichterung und ganz sicher nicht verschwendet.
Eine wichtige Frage ist offen: Wird unser Bus pünktlich kommen und abfahren? Jeder Stau würde hier – trotz angemessen eingeplanter Zeitreserve – die Planung durcheinander bringen. Eine vom Verkehrsunternehmen angebotene SMS mit Verspätungsinformationen haben wir nicht erhalten. Ein gutes Zeichen. Schon nach wenigen Minuten ist klar: Der Bus fährt ein und wird pünktlich nach Berlin zum ZOB (Zentraler Omnibusbahnhof) weiterfahren. Der Vollständigkeit halber soll auch unser Fahrpreis genannt werden: 8 Euro pro Person. Die Deutsche Bahn zeigt bei rechtzeitig gebuchten Sparangeboten hier mindestens 19 Euro pro Person, allerdings bei einer kürzeren Fahrzeit. Aber zu dritt für 24 Euro nach Berlin? Wie rechnet sich das?
In einem Fernbus nach Paris …
Die Reisetaschen werden im Bauch des Busses verstaut, im Bus selbst ist genügend Platzauswahl, weniger als zwei Drittel der Plätze sind besetzt. Viele sitzen allein und stellen ihre Taschen neben sich auf dem Nachbarsitz ab. Das WLAN funktioniert. Und obwohl die Mediathek von uns nicht genutzt wird, ein paar Filme, Serienepisoden oder Musikalben, die dem eigenen Geschmack entsprechen, scheint wohl jeder finden zu können. Die im Fahrzeug zum Verkauf angebotenen gekühlten Getränke und Süßigkeiten brauchen wir nicht.
Draußen vor der Tür sehe ich ein Pärchen so Anfang dreißig, das gerade angekommen ist. Sie sprechen mit dem Fahrer, kaufen ein Ticket und setzen sich zu uns in den Bus. Haben die jetzt den gleichen Preis bezahlt wie wir bei unserer Online-Buchung vor einer Woche? Die beiden jungen Mittzwanziger in der Reihe vor uns haben scheinbar ein ganz anderes Problem: Einer von ihnen spricht laut in sein Handy, steht auf und geht nach vorne zum Fahrer. Die Uhr im Bus oben links zeigt, dass es in zwei Minuten losgeht. Der junge Mann kommt zurück, er redet laut und wütend mit seinem Sitznachbarn. Einer seiner Freunde sei wohl jetzt schon auf dem Weg zum Bus und in wenigen Minuten hier, aber der Busfahrer wird nicht warten, er wird pünktlich abfahren, Egal, ob dann alle da sind oder nicht. Ärgerlich, aber nachvollziehbar, finde ich.
Ein einziges Manko hat der Bus: Der Platz zum Vordersitz ist knapp. Wenn man nicht gerade dem Idealmaß entspricht, führt das für große Menschen – in jeglicher Hinsicht gemeint – früher oder später zu Schwierigkeiten. Entweder man weiß irgendwann nicht mehr, wo man seine Beine ausstrecken soll oder man entdeckt, dass so ein Klapptisch bei nach hinten geneigter Lehne absolut keinen Sinn mehr macht. Aber nun gut, wir fahren ja nicht mit einem der Euro-Fernbusse durch den ganzen Kontinent, die nächsten zwei Stunden bis nach Berlin werden wir gut überstehen. Auch ohne Klapptisch.
Wir kommen gut voran. Kein Stau, der Verspätungen bringen würde, nur ein kurzer Aufenthalt für einen Fahrerwechsel an einer A9-Autobahnraststätte. „Fünf Minuten für eine Zigarette oder zum Beine vertreten“ ruft der Fahrer in den Bus, „dann geht es sofort weiter“. Pünktlich erreichen wir den ZOB am ICC/Funkturm in Berlin. Dort werden wir vom Rest unserer Familie erwartet, die Reisegruppe ist komplett. Es kann weitergehen!
In einem Taxi nach Paris …
Ein Großraumtaxi bringt uns zum Flughafen. Gar nicht so einfach bei all dem Gepäck. Und wenn dann auch noch ein Kindersitz mit auf die Sitzbank muss. Nun ja, irgendwie sitzen wir dann doch alle im Fahrzeug. Der Taxifahrer macht seiner Zunft – und allen Klischees – alle Ehre und versüßt uns den Morgen mit lockeren Witzen – und dem einen oder anderen Überholmanöver. Zumindest sind wir nach kurzer Fahrt überpünktlich am Flughafen Tegel im Nordwesten der Stadt. Noch zwei Stunden Zeit bis zum Abflug.
In einem Flugzeug nach Paris …
Der Online-Check-In am Vorabend erspart uns lange Wartezeiten. Wir geben unser Gepäck ab und hoffen bei jedem neu hineingeschobenen Gepäckstück, dass das von der Fluggesellschaft angegebene Höchstgewicht nicht erreicht wird. Aber wir liegen mit unseren Schätzungen natürlich weit daneben. Bis zu den festgesetzten 23 Kilo ist noch ein wenig Spielraum, der schwerste unserer acht Koffer bzw. Taschen wiegt gerade einmal 16,7 Kilogramm. Genug Platz für Souvenirs auf dem Rückweg. Oder für französische Bücher. Oder französischen Rotwein?
Auch die Sicherheitskontrollen passieren wir innerhalb weniger Minuten. Hier zahlt es sich tatsächlich aus, sich vorab ausreichend über die aktuell geltenden Bestimmungen im Flugverkehr zu informieren. Stichworte: Ausweise, Medikamente, Scheren und Messer, Feuerzeuge, … Besonders bei den Flüssigkeiten hat man sich ja nach den Ereignissen des Jahres 2001 erstaunliche Dinge einfallen lassen, um die Fluggäste zu ärgern beschäftigen.
Meinung des Autors: Wer mehr als 100 ml flüssigen Sprengstoff braucht, um ein für einen Absturz ausreichend großes Loch in die Seitenwand eines Flugzeuges zu sprengen, macht was falsch. Aber egal …
Die restliche Zeit verbringen wir in der Wartezone, einige von uns schlendern durch die Duty-Free-Geschäfte. Das Boarding beginnt zur angegebenen Uhrzeit, schnell sitzen wir im Shuttle-Bus und wenige Augenblicke später im Flugzeug. Eine ganze Reihe in der Boing 737 gehört uns und noch zwei Plätze in der Reihe davor. Nun sehen wir, wie gut es war, beim Online-Check-In selbst Plätze auszuwählen. Wir sitzen nicht ausgerechnet über einer Tragfläche, sondern haben später freien Blick in die Wolken und viel wichtiger: auf die Erde. Pünktlich startet der Urlaubsflieger gen Paris. Nonstop.
Die knapp zwei Stunden Reisezeit vergehen wie im Fluge. Wir rasen mit über 800 Kilometer pro Stunde in 11.582 Meter Höhe dahin, draußen sind es erfrischende – 57 °C. Wir haben die angebotenen Kekse und Waffeln kaum weggeknuspert, die erhaltenen Saft- und Kaffeebecher kaum geleert, da meldet sich eine Stimme aus dem Cockpit mit der Nachricht, dass jetzt links unter uns Paris auftaucht. Alle Köpfe drehen sich in die angegebene Richtung, zumindest die der dort am Fenster Sitzenden. Die Glücklichen! Viel kann man allerdings noch nicht erkennen.
Erst als wir weiter sinken, taucht am Erdboden eine große weiße Häusermasse auf, unterbrochen von einigen großen dunklen Flecken. Die Anschnall-Lämpchen leuchten. Wir drehen eine Linkskurve um Paris herum und überfliegen den Westen und Südwesten der Stadt mit dem Bois de Boulogne und dem Schloss in Versailles mit seinen großen Parkanlagen. Auch die Pferderennbahn in Longchamp ist zu sehen.
Wenige Augenblicke später ist der Flug auch schon vorbei, die Räder setzen auf dem Pariser Flughafen Orly im Süden der Stadt auf.
Unser Gepäck hat sich glücklicherweise entschieden, mit uns gemeinsam Urlaub in Paris zu machen. Nachdem unsere Gepäckstücke eine Runde Förderband-Karussell hinter sich haben, halten alle ihre Taschen und Koffer wieder in Händen.
Wir sind angekommen. Bonjour Paris!
Im nächsten Teil des Paris-Tagebuchs lernen wir den unterirdischen Nahverkehr der Stadt kennen und machen erste Erfahrungen mit Drehkreuzen, die sich einfach nicht drehen wollen.
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