Nach der Ankunft und einem herrlichen Nachmittag in Palma, treffe ich abends die Mitfahrer des Shuttle-Busses nach Alcudia. Frisbeespieler aus aller Welt treffen sich für drei Tage zu einem Turnier. Es wird ein Wiedersehen mit vielen Deutschen, die über das Jahr hinweg auch bei anderen Veranstaltungen Begleiter waren, noch gespannter bin ich auf die Begegnungen und Gespräche mit den internationalen Teilnehmern und auf das Dinner am Freitag, das auf den Fotos vergangener Jahre großartig aussah.
Während der Busfahrt ist vor allem üblicher Smalltalk Inhalt der Gespräche. Beth und Jon hatten von zehn Personen die weiteste Anreise aus Chicago und Toronto. Ob irgendjemand von uns gemeinsam in einer Mannschaft spielen wird, ist noch nicht klar, die Auslosung wird erst am kommenden Mittag stattfinden. Dennoch wird schon ein wenig gefachsimpelt. Über angemessene, weil kraftsparende Lauftechniken im Sand beispielsweise. Da einige schon bei vorigen Ausgaben des Copa Pescadisco (pescar=angeln, disco=Scheibe) dabei waren, werden auch Anekdoten der Vorjahre erzählt. Die knapp anderthalb Stunden Fahrt vergehen so recht schnell.
Angekommen am Hotel zahle ich zunächst die 60 Euro für vier zusätzliche Übernachtungen, die nicht Teil des Turnierpakets sind. Bedenken, die Zimmer könnten genau so aussehen, wie der Preis erwarten lässt, zerstreuten schon Gespräche mit Spielern, die sich vor Ort auskennen. „Es sind schon zähe Verhandlungen mit den Hotels, die bestimmen die Preise und beeinflussen die Kommunalpolitiker“, sagt Uschi Trapp. Sie organisiert die Veranstaltung mit Hilfe der Fischbees aus Hamburg und lebt seit 14 Jahren auf der Insel. „Dieses Jahr war die Unterbringung in zwei benachbarten Hotels geplant, doch eines stornierte vor drei Wochen alle Buchungen. Eine Begründung bekam ich nicht, es war sehr stressig alles noch einmal umplanen zu müssen.“ Schließlich nehmen am Turnier 199 Spieler teil, mindestens 150 haben das Paket mit Hotelunterkunft für drei Tage gebucht oder noch einige Tage verlängert. Der Rest suchte eigene Hotels, da teils Familien mit Kleinkindern anreisen.
Ein Beispiel hierfür ist Katherine aus Kanada, die mit ihrem Mann allerdings in London wohnt. „Unsere kleine Tochter ist vier Monate alt, die andere zwei Jahre. Den Flug hindurch haben beide geschlafen, Gequengel gab es eher auf der Autofahrt vom Flughafen zum Hotel.“ Mit ihr komme ich ins Gespräch, da sie Kapitänin meines Teams „Four Star Dave“ ist. Den Teamnamen liegt in diesem Jahr das Motto „Porn Stars vs. Race Horses“ zu Grunde, wir haben mit diesem Rennpferd-Namen sicher nicht den schlechtesten erwischt.
Die Sonne brennt auch an den ersten beiden Turniertagen unerbittlich, so dass ich schnell die Lichtschutzfaktor 20 – Sonnencreme gegen eine mit Faktor 50 tausche. Eine gesunde Bräune bekommt man bei 6 Stunden Aufenthalt in der Sonne auch so, kann aber hoffentlich die ledrige Haut vieler Strandbesucher mittleren Alters vermeiden. Die vier Spielfelder liegen günstig in nur fünf Gehminuten Entfernung vom Hotel und der Strand ist hier breit genug für noch etliche Reihen Liegen, die uns automatisch Zuschauer bringen. Auch für genug Wasser ist gesorgt, vier Liter sind ein üblicher Verbrauch pro Person bei den paradiesischen aber auch schweißtreibenden Bedingungen. Zwischen den Partien nutzen fast alle Mannschaften die Gelegenheit sich im klaren Meer bei angenehmen 22 Grad Wassertemperatur abzukühlen.
Sand so fein wie in einer Sanduhr lädt zu Hechtsprüngen nach der Scheibe förmlich ein, der Endorphin- und Adrenalinkick bei Erfolg einer solchen Aktion lässt sich nicht in Worte fassen. Kein Vergleich zum Sand des Cospudener Sees, der bei einem Tagesturnier schon einmal die ersten Hautschichten unter dem Fuß komplett wegschleift und nach Abklingen des Adrenalins jeden Schritt zu einem „Prinzessin auf der Erbse“ Erlebnis macht, da selbst die kleinsten Steinchen unter der Schuhsohle schon schmerzen. Das Freitagabend-Dinner bietet mehr Gelegenheit sich mit den Teamkameraden tiefer zu unterhalten und übertrifft meine Erwartungen. 5 Gänge Tapas zum Sattessen und dazu ein guter 2010er Tempranillo schmecken fantastisch. Schließlich finden sich die Zutaten ja auch alle auf der Insel, auch wenn der Wein vom Festland kommt. Den kriegen allerdings auch die Mallorquiner sehr gut hin, wie sich am Samstagabend zeigt. Endlich einmal bot ein Bordmagazin eine sinnvolle Information, nämlich die über die einheimische Rebsorte Mantonegro, von dem wir als Mannschaft zum gemeinsamen Essen drei Flaschen bestellen. „Ein Wein, der so gut ist, dass er keine Holzaromen braucht“, versicherte der Artikel. Nach der Kostprobe stimme ich dem ohne Bedenken zu.
Am Sonntag – dem dritten Turniertag – hinterlässt die Erschöpfung dann allerdings Spuren. Zwar ist der Himmel einmal von den ersehnten Wolken bedeckt, aber die Konzentrationsfähigkeit ist durch die ständige Belastung nicht vorhanden. Falsche Laufwege, fragwürdige Passentscheidungen und ein Sprintduell über das ganze Feld mit unglücklichem Ausgang lassen mich die Entscheidung treffen auf Spielanteile zu verzichten und nur die stille Reserve zu bilden.
Nach 50 Metern Vollsprint als Erster an der Scheibe zu sein, diese ins Aus zu schlagen, nur um zusehen zu müssen, wie sie einem Gegenspieler durch den Wind genau in die Hände getrieben wird, ist kurzfristig recht enttäuschend. Es zeigt sich auch hier die Fairness, die den Sport auszeichnet und ohne Schiedsrichter auskommen lässt. „Don’t bother, next time it might just go the other way around,“ werde ich vom Profiteur meines Pechs aufgemuntert. Noch außer Atem kann ich nur eine dankende Geste erwidern, den Körper noch über die Grenze treiben, das muss nicht sein.
Schließlich habe ich mir mit Leipziger Freunden, die heute anreisen und nur 15 Kilometer weit weg eine Ferienwohnung gemietet haben, noch für den kommenden Tag den Abstecher nach Soller und Fornalutx vorgenommen. Letzteres soll das ursprünglichste Bergdorf der Insel mitten in der Tramuntana sein. Vom Turnier bleiben erstaunlich wenig Muskelkater, ein geteilter fünfter Platz und neue Freundschaften, darunter auch eine Einladung nach Brüssel. Ganz im Sinne des „Spirit of the Game“, der im Regelwerk einen hohen Stellenwert genießt und diesen Sport immer wieder zu einem Erlebnis macht, endet die Siegerehrung mit einer riesigen Gruppenumarmung, bevor die ersten wehmütigen Verabschiedungen anstehen.
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