Das 17. Bundesland, Sangria-Paradies, es wird nur gesoffen und gelallt. Lange haben mich solche Vorstellungen vom Besuch der Insel abgehalten, doch Vorurteile sind dazu da, überwunden zu werden. Soviel vorab: Sie wurden hinweggefegt. Hinweggefegt schon von Oleander und Hibiskus in voller Blüte und das mitten im Oktober, die Erlebnisse der Woche bleiben mir sicher lange gegenwärtig. Die Insel ist traumhaft und eröffnet viele Möglichkeiten den Urlaub zu gestalten, von denen die klischeehafte Ballermann-Tour wohl die bemitleidenswerteste ist.
Noch im Ankunftsterminal des Flughafens muss sich die Spreu vom Weizen trennen, laut grölende Deutsche mit aufgedrehter schlechter Musik ziehen klar angetrunken den Korridor entlang. Sollen sie in Arenal ihr Glück finden, es gibt wie gesagt lohnendere Ziele aus der Sicht vieler. So ist der Shuttle-Bus in die Stadt auch gut gefüllt während der Fahrt ist der Moment des Fremdschämens sofort vergessen und eine tiefe Gelassenheit und Zufriedenheit stellt sich ein. Dazu tragen die windgetriebenen Wasserpumpen bei, die die Landwirtschaft in der Trockenheit erst ermöglichen, und die schon beim Anflug einen Blickfang bildeten.
Am Placa d’ Espagna angekommen, fällt erstmal die mit dem Catalan verwandte Schreibweise aller Straßennamen auf, das Gepäck für das es am Flughafen noch keine Abstellmöglichkeit gab, übergebe ich am Bahnhof einer Aufbewahrung. Ein kleiner Schwatz mit Ernesto, der mir noch Tips gibt, was ich außer meinem Ziel – der Altstadt um die Catedral de la Seu – noch anschauen sollte. „Du wirst es bereuen, nur einen Tag hier zu sein, Palma ist großartig.“ Auch von Kellner Emilio hole ich mir noch ein paar Tips für den schönsten Weg hinunter Richtung Meer und Altstadt.
Noch bleibt genug Zeit diesen aus dem Bauch heraus zu wählen. Ein Blick von jeder Kreuzung in die nächste Gasse, die schönste, die in die grob passende Richtung führt, spaziere ich hinunter. Interessant ist dabei die Mischung aus einer touristisch geprägten Stadt an den großen Plätzen, die sich aber dennoch einen urig-mediterranen Charme bewahrt und in der Straßencafés und Pastilerias noch in größerer Zahl vorhanden sind als Fastfood-Ketten und Coffeeshops amerikanischer Herkunft. Gerade die Pastilerias sind sehr zu empfehlen, bieten sie doch eine köstliche Auswahl an Pasteten zum Mitnehmen für kleines Geld, so das die Reisekasse nicht zu sehr belastet wird.
Bei 28 Grad dauert es etwa eine halbe Stunde, bis das größte Altstadtbauwerk vor mir aufragt. Ohne zahlreiche Pausen für Fotos wäre die Strecke auch in 15 Minuten machbar. Der Gedanke bei diesen Temperaturen drei Tage lang laufintensiven Sport am Strand zu treiben, ist kurz mal nicht der angenehmste doch im Prager Sommer 2010 ging das ja auch irgendwie. Das Ultimate Frisbee-Turnier habe ich mir zudem ja selbst ausgesucht, auch wenn der Trainingsstand nach einer längeren Verletzung besser sein könnte.
Noch einmal geht es aus einer Senke eine längere Treppe zur Kathedrale und der benachbarten Festung hinauf, die die Mauren während ihrer Herrschaft über die Insel errichteten. Die Einnahme durch die „Reconquista“-Truppen überstand die Almudaina offenbar. Oben angelangt, geht beim Blick über den Parc del Mar und das Meer noch einmal das Herz auf und das Urlaubsgefühl schwemmt spürbar Glückshormone in die Blutbahn. Da trübt es auch nicht, das der Eintritt in die Kirche satte 6 Euro beträgt. Es ist schließlich Urlaub, immer schön entspannt bleiben.
Die wohltuende Kühle des Steinbauwerks lohnt fast schon die Gebühr nach der brennenden Sonne. Den Rucksack mit den Wertsachen und etwa acht Kilogramm Gewicht inklusive Wasserflasche zu tragen war draußen doch recht anstrengend. Die Ornamentik der Buntglasrosette, durch die zweimal im Jahr genau zur Sommersonnenwende die aufgehende Sonne exakt in das beeindruckende Hauptschiff scheint sind der augenscheinlichste Blickfang. Ob dieses Naturschauspiel vom Baumeister so geplant war, ist unbekannt . Reiseführer verkaufen die Geschichte dennoch gerne so.
Ebenso beeindruckend wie außergewöhnlich stellt sich die 2007 von Miquel Barcelò umgestaltete Kapelle in der Nordostecke dar. Maritime Motive wie Krebse, plastisch gestaltete Korallen und Kraken zieren diese als Wandgemälde und Fresken. Avantgardistische Rauchglasscheiben mit Wellenmuster schaffen eine einzigartige, gar nicht mehr so sakrale Atmosphäre. In Leipzig wäre dies wahrscheinlich ein Anlaufpunkt für Gothic-Jünger. Kurzum der Eintritt lohnt und nach etwas mehr als einer Stunde sind die Eindrücke nicht nur im Gedächtnis, sondern auch auf der Speicherkarte der Kamera nachhaltig eingefangen. Gelobt sei die Digitalfotografie. Mit dem bis hierhin verbrauchten Filmmaterial hätte der Rucksack gleich noch mal ein Kilo mehr gewogen.
Die mittlerweile nachmittägliche Herbstsonne sorgt immer noch für 25 Grad und schafft ein angenehm goldenes Licht für einen Fotostreifzug um die Festung herum. Zumal mittlerweile eine frische Meeresbrise für Kühlung sorgt. Für eine Besichtigung der Festung zu nochmal 7,50 Euro reicht die Zeit allerdings nicht. Auf dem Rückweg zum Placa d’Espagna nehme ich einen anderen Weg über den Placa Major mit seinen Restaurants, die dann doch preismäßig wieder Touristenfallen zu sein scheinen, wofür allerdings der Blick auf die Handvoll verschiedener Straßenkünstler inbegriffen ist, die anders als in Leipzig nicht die Freisitz-Tische ablaufen und dort noch um einen Obulus bitten.
Das Treffen mit den eigentlichen Reisegefährten steht am frühen Abend wieder am Flughafen an. Hier holt der Shuttle-Bus uns ab um uns in die Nähe von Alcudia im Nordosten der Insel zu fahren. Die Nachricht an die Busgefährten aus Schweden, den USA, Deutschland und Island lautet einfach: „Watch out for the tall guy with a disk.“Denn eine noch nicht im Spielbetrieb eingesetzte Scheibe ist im Reisegepäck dabei. Sie soll über dem dem Hörensagen nach traumhaften Sand ihren Jungfernflug erleben.
Gemeinsam entscheiden wir, dass zwei Russinnen, die sich leider auf unsere Anrufe nicht melden und deren Flieger schon vor anderthalb Stunden landete auf den nächsten Bus warten lassen, den die Organisatorin des Ultimate Frisbee Turniers im recht günstigen Komplettpreis orderte. Auf geht es also zur Hauptetappe der Individualreise und während ich mit Marcus meine Schwedischkenntnisse verbessere, weil ich üben muss, zieht das nächtliche Mallorca nach dem recht frühen Sonnenuntergang an uns vorbei. Die Weingüter von Binissalem und das Tramuntana-Gebirge werden so erst auf der Rückfahrt zu sehen sein.
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