Nur wenige ostdeutsche Städte von dieser Größe haben soviel Historie zu bieten wie Potsdam. In der brandenburgischen Hauptstadt kann der geneigte Geschichtsfan locker eine Woche verbringen, ohne sich mehr als nötig im eigenen Urlaub zu langweilen. Doch aufgepasst: Der alte Fritz lockt, aber ein Besuch im Schloss Sanssouci ist eine Enttäuschung. Ein anderes Schloss von Friedrichs Nachfahren bleibt viel positiver im Gedächtnis. Nicht nur deshalb ist Potsdam auch im Winter eine Reise wert.
Im Februar reist man innerhalb Deutschlands – wenn überhaupt – ja eigentlich eher gen Süden, dem Skiurlaub entgegen. Nur kommt mir da irgendwie die Kultur zu kurz und außerdem gibt es nördlich von Leipzig eine Stadt, die ich nur von der Autobahnabfahrt kenne, obwohl so viele von ihr schwärmen und die typischen, Schulter-Klopfer-Tipps geben: “Da musst du als Historiker unbedingt mal hinfahren”, “Ja, mache ich schon noch…”.
Potsdam im Februar ist allerdings gar nicht so verkehrt, sieht man einmal davon ab, dass im Park Sanssouci Skulpturen, Pokale und kleine Denkmäler hinter schützenden Holzwänden verschwunden sind, weder Schloss Charlottenhof, noch das Chinesische Haus oder die Römischen Bäder Friedrich Wilhelms des IV. geöffnet haben und das Marmorpalais im Neuen Garten nur am Wochenende Besuchern offen steht. Ein Jammer, dass wir nur Montag bis Freitag da waren.Pokale hin, Pokale her, wer nicht gerade ein außergewöhnliches Interesse an Steinpokalen hat, der kann auch im Winter einen Spaziergang durch den Park genießen, nur sollte man keine Bepflanzung erwarten.
Einmal im Park, lohnt natürlich auch ein Blick ins Schloss. Der Weinberg ist winters quasi außer Betrieb, die Fontäne ebenfalls, aber das Schloss, das Friedrich der Große Mitte des 18. Jahrhunderts bauen ließ, ist trotzdem geöffnet. Satte 12 Euro möchte man dort von den Besuchern haben, die sich dann nicht allein, sondern nur mit einer Führung, die in regelmäßigen Abständen angeboten wird, im Schloss herumtreiben sollen.Die Führung selbst ist für 35 Minuten konzipiert und ist für jemanden, der den alten Fritz noch nie gesehen oder gehört hat, ein Gewinn, für jeden, der sich nur rudimentär auskennt wird es schon schwerer, neue, wertvolle Informationen zu bekommen und für jeden, der den Lebenslauf des alten Fritzen besser kann als den eigenen – davon soll es ja (noch) einige geben – lohnt eine Führung nicht. Es gibt sechs Räume zu sehen, keiner wirklich spektakulär, bis auf den Sterbesessel von Friedrich II. Die Führerin redete ihre Gäste eher in den Schlaf als in Ekstase, verpasste es, die wichtigen Randinformationen in Friedrichs Leben einzubinden und spulte ihr Programm verunsichert (nicht wegen eines nörgelnden Historikers) herunter. Eine wahre Enttäuschung, die auch ein schöner Spaziergang an der Orangerie vorbei (derzeit geschlossen) über das Belvedere (derzeit geschlossen) bis zum Neuen Palais (derzeit geschlossen) nicht wettmachen konnte. Das Neue Palais öffnet übrigens im Frühjahr wieder, nach der Ausstellung Friederisiko wird nur mal feucht durchgewischt.
Viel lohnenswerter ist da ein Besuch von Schloss Cecilienhof, das für den letzten deutschen Thronfolger Wilhelm III. und seiner Frau Cecilie in den Jahren des 1. Weltkriegs gebaute letzte Schloss der Hohenzollern.Dort sieht man bei Weitem nicht alle 176 Räume, aber doch die geschichtsträchtigsten. Uns führte zunächst eine kompetente Führerin in einem lebendigen Rundgang durch die Räume der Potsdamer Konferenz. Sie sparte nicht an den feinen Randnotizen, zeigte jedes Arbeitszimmer, Stalin, Churchill/Attlee und Truman hatten jeder eines und betraten den Konferenzraum, früher die Wohnhalle von Wilhelm und Cecilie, jeweils durch eine andere Tür. Wo saßen sie, wo saßen ihre Berater, wo die Dolmetscher, was steht in den Akten, die erst vor Kurzem freigegeben wurden, was passierte im angrenzenden Villenviertel, was geschah in der täglichen Vorbereitung auf die Beratungen, die täglich 17 Uhr begannen. Ein Runduminformiert-Paket, das auch nicht die Anekdote aussparte, dass die Sowjets, die ja Gastgeber der Konferenz waren, direkt vor dem Eingang ein Beet in Form eines roten Sowjet-Sterns anlegten, an dem der britische Vertreter jeden Tag vorbeilaufen musste.
Nicht minder informativ die Führung durch die Privatgemächer, die zu DDR-Zeiten bis 1995 Hotelzimmer waren, nachdem die Familie im Januar 1945 vor der heranrückenden Roten Armee geflüchtet war. Allerdings ging es hier eher auf Gala-Ebene weiter: Wilhelms Wasserhähne, Cecilies Blümchentapete und vor allem Cecilies Badezimmer ganz in rosa. Am Ende wurde es jedoch noch einmal bitterernst, denn die Lebensgeschichten von Wilhelms sechs Kindern sind bei vier von ihnen Tragödien und auch die Beziehung zu Adolf Hitler ist eine Erwähnung wert. 10 Euro für 70 Minuten Führung: eindeutig besser angelegtes Geld als beim ollen Fritz.
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Außerdem lohnenswert: Schlendern über die Potsdamer Einkaufsstraße, die Brandenburger Straße, bis zum Holländischen Viertel, ein Besuch in der Russischen Kolonie und im zehn Kilometer entfernten Haus der Wannsee-Konferenz (Kein Eintritt für eine fundierte Ausstellung). Zudem mit auf den Urlaubsplan schreiben: Die Max-Liebermann-Villa quasi nebenan und die Villa Schöningen (Ausstellung zur Geschichte der Glienicker Brücke), das Schloss Bellevue und für Kids natürlich der Filmpark Babelsberg, der hat aber im Februar geschlossen.
Und nicht wundern: In der Innenstadt darf man auf der Straße tatsächlich auch mal kostenlos parken. Dafür genügend Geld für die Übernachtung einplanen. In der Landeshauptstadt kennt man den eigenen, touristischen Wert, aber wer nicht direkt in Downtown Potsdam wohnen will, hat gute Karten, etwas zu einem angemessenen Preis zu finden.
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