Alzheimer ist nicht heilbar. Doch nun stehen neue Therapien kurz vor der Zulassung. Antikรถrper bringen die Amyloid-Plaques im Gehirn nachweislich zum Verschwinden. Das kann das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen, aber nicht rรผckgรคngig machen. In Kombination mit einer frรผhen Diagnostik lieรŸen sich damit allerdings Symptome wirksam aufhalten, sagt Prof. Dr. Dorothee Saur, Neurologin am Universitรคtsklinikum Leipzig.

Im Interview gibt Prof. Dr. Dorothee Saur Antworten darauf, was die Entwicklung fรผr Patient/-innen bedeutet.

Viele Menschen fรผrchten sich vor einer Demenz im Alter. Nun laufen aktuell bei der Europรคischen Arzneimittelbehรถrde EMA Antrรคge auf Zulassung fรผr zwei neue Medikamente, die den Gedรคchtnisverlust bekรคmpfen sollen. In den USA ist eines davon bereits zugelassen. Was bedeutet das fรผr die Alzheimer-Behandlung?

Das ist ein echter Meilenstein, darauf haben wir lange gewartet. Bisher haben wir keine wirksamen Therapien, um den bei einer Demenz einsetzenden Prozess des Abbaus kognitiver Fรคhigkeiten zu beeinflussen. Die jetzt vor der Zulassung stehenden zwei Therapien setzen genau da an โ€“ sie bremsen den Verlust an Gehirn- und Gedรคchtnisleistung.

Das geschieht, indem die verabreichten Antikรถrper das Immunsystem so stimulieren, dass dieses die vorhandenen Amyloid-Ablagerungen im Gehirn, die Plaques, angreift und entsorgt. Das lรคsst sich mit speziellen PET-Gehirnscans gut nachvollziehen โ€“ vorhandene Ablagerungen verschwinden nahezu vollstรคndig. Allerdings wird dadurch bisher das Fortschreiten der Erkrankung noch nicht gestoppt, nur deutlich verlangsamt.

Fรผr die Betroffenen macht das aber einen groรŸen Unterschied: Das kรถnnte weitere Lebensjahre mit geringeren Einschrรคnkungen bedeuten.

Gilt das fรผr alle Alzheimer-Betroffene, oder gibt es Einschrรคnkungen?

Es erรถffnet uns vor allem bei Menschen mit einem sehr frรผhen Stadium der Demenz ganz neue Mรถglichkeiten. Wir kรถnnen dank moderner Methoden zur Diagnostik inzwischen sehr genau erkennen, ob eine frรผhe Form der Alzheimererkrankung vorliegt. Die Betroffenen merken da noch nicht viel von der Krankheit im Alltag, haben vielleicht ganz leichte kognitive Stรถrungen, die aber nicht weiter ins Gewicht fallen.

Wir sehen aber mittels PET-Scans oder der Nervenwasserdiagnostik schon, dass hier der Erkrankungsprozess bereits eingesetzt hat. Mit den neuen Mitteln kรถnnen wir in dieser Phase die Behandlung beginnen und das Voranschreiten um bis zu 30 Prozent verlangsamen. Das ist ein echter Vorteil fรผr die Patient/-innen, deren ja noch รผberwiegend intakte Hirnfunktionen sich damit mรถglicherweise nicht so schnell verschlechtern.

Fรผr diese Gruppe wรคre daher der Effekt am grรถรŸten, sodass wir davon ausgehen, dass die Therapien fรผr Frรผhverlรคufe zugelassen werden, auch wenn die Zulassungskriterien derzeit noch offen sind.

Wann rechnen Sie damit, dass die Therapien in der Klinik ankommen?

Wir rechnen in Deutschland im Frรผhsommer 2024 damit. Und dann brauchen wir die entsprechenden Voraussetzungen fรผr die sehr aufwรคndigen Therapien: die Bildgebung und Nervenwasseruntersuchung fรผr die Frรผhdiagnostik und die Therapieplรคtze. Zum einen mรผssen die mehrstรผndigen Infusionen, um die es sich dabei handelt, regelmรครŸig im Abstand von zwei bis vier Wochen verabreicht werden.

Wir sprechen dabei รผber eine Behandlung, die รผber mehrere Monate dauern wird, wobei die genaue Dauer noch gar nicht bekannt ist. Die Patient/-innen mรผssen in dieser Zeit gut betreut werden, mit regelmรครŸigen MRT-Untersuchungen zur Verlaufskontrolle, vor allem zu Beginn der Therapie.

Zwar gilt die Therapie grundsรคtzlich als gut vertrรคglich, aber jeder reagiert individuell, und auch hier gibt es unerwรผnschte Reaktionen, die rechtzeitig erfasst und behandelt werden mรผssen.

Wie beschรคftigt Sie das in der Neurologie am UKL, bereiten Sie sich darauf vor?

Das Thema hรคlt uns in Atem. Fรผr Deutschland geht die Deutsche Alzheimer Gesellschaft von 430.000 neuen Demenzerkrankungen pro Jahr aus. In etwa Dreiviertel der Fรคlle handelt es sich um eine Alzheimererkrankung. Alzheimer-Therapeutika kรถnnten daher schnell in die Gruppe der verordnungsstรคrksten Arzneimittel aufrรผcken.

Die Strukturen sind dafรผr aber noch nicht vorbereitet. Wir arbeiten derzeit daran, das zu รคndern und an dieser Stelle Vorreiter zu werden. Die niedergelassenen Neurolog:innen in den Praxen werden hier viel leisten kรถnnen, aber zweifellos nicht komplett alles abdecken.

Wir rechnen mit einer groรŸen Nachfrage, fรผr die wir unsere Demenzsprechstunde entsprechend ausstatten wollen. Wir bereiten uns aber auch darauf vor, an dieser Stelle begleitend weiter zu forschen. Wir wissen noch nicht, welche Auswirkungen die Therapien auf lange Sicht haben, das muss beobachtet und ausgewertet werden.

Aber insgesamt ist dies ein groรŸer Schritt. Das, was wir hier erleben, ist zudem nur ein Anfang. Es wird weitere Ansรคtze geben, beispielsweise zur Diagnostik mittels eines Bluttests, und auch zur Therapie. Denn auch wenn wir die Amyloid-Ablagerung jetzt bekรคmpfen kรถnnen, gegen den zweiten Krankheitsauslรถser bei Alzheimer, die verรคnderten Tau-Proteine, ist die Entwicklung noch nicht so weit.

Das Interview fรผhrte die Pressestelle des Universitรคtsklinikums Leipzig.

Fachveranstaltung zum Thema

Fรผr interessiertes Fachpublikum bieten die Neurologen am Universitรคtsklinikum Leipzig zu diesem Thema am 29. November ein Fachsymposium an.

Mehr Informationen dazu finden Sie hier: Klinisch-Neurowissenschaftliches Kolloquium: Minisymposium โ€žDemenzenโ€œ.

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โ€œEs erรถffnet uns vor allem bei Menschen mit einem sehr frรผhen Stadium der Demenz ganz neue Mรถglichkeiten. Wir kรถnnen dank moderner Methoden zur Diagnostik inzwischen sehr genau erkennen, ob eine frรผhe Form der Alzheimererkrankung vorliegt. Die Betroffenen merken da noch nicht viel von der Krankheit im Alltag, haben vielleicht ganz leichte kognitive Stรถrungen, die aber nicht weiter ins Gewicht fallen.โ€
Gibt es denn da eine Vorsorgeuntersuchung? Oder wie erfahren Menschen, dass sie im frรผhen Stadium der Erkrankung sind!? Wรคre ne interessante Frage an eine Neurologin gewesenโ€ฆ

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