Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, meint: „Jetzt hilft nur Solidarität. Wer gesund ist, muss vorrätige Arznei an Kranke abgeben“ und „Wir brauchen so was wie Flohmärkte für Medikamente in der Nachbarschaft.“ Ist das gut, oder kann das weg?
Ein Erlebnisbericht
Ich bekam von meinem Hausarzt ein Rezept für Schmerzmittel „Ibuprofen 600“, holte dies in der Apotheke ab und brauchte das Mittel dann doch nicht, die Schmerzen waren erträglich.
Ich nahm die original verschlossene Packung bei meinem nächsten Arztbesuch mit und wollte sie dem Arzt zurückgeben, vielleicht kann er das Mittel ja verwenden. Er darf es nicht annehmen und weiterverwenden, sagt er.
Also zur Apotheke, ich wollte ja die Zuzahlung nicht zurück, nur das Medikament nicht wegwerfen. Die Apotheke durfte es auch nicht nehmen.
Nach Packungsbeilage und Arzneimittel-Gesetz darf ich ein verschreibungspflichtiges Medikament aber auch nicht meinem Bekannten, der selbiges permanent gegen seine Rückenschmerzen einnimmt, geben.
Ich muss es entsorgen, geht einfach über den Hausmüll – der geht ja in die Müllverbrennung.*
*Hinweis: Die so getroffene, von mir zitierte, Aussage der Apotheken-Mitarbeiterin ist nicht korrekt. Die Entsorgung von Medikamenten erfolgt in Leipzig über die Apotheken, die dies anbieten, oder über das Schadstoffmobil.
Endlich Flohmarkt
Nach Klaus Reinhardt, der das alles ja wissen müsste, darf ich dieses Medikament neuerdings auf dem Nachbarschafts-Flohmarkt anbieten, damit jemand eventuell die Tabletten teilt, weil ja die 600-er Stärke nicht benötigt wird.
Er fordert mich auf, die Verschreibungspflicht und die Apothekenpflicht zu umgehen und des „Marktes freie Kräfte“ zu aktivieren.
Natürlich spricht er von „Medikamenten aus der Hausapotheke“, da gehört das Beispiel vielleicht, seiner Meinung nach, nicht hinein. Aber, ehrlich gesagt, ich weiß nicht, was in der deutschen Hausapotheke alles drin ist.
Haltbarkeit
Der Präsident der Bundesärztekammer meint auch, man könne ja zahlreiche Arzneimittel, „deren Haltbarkeitsdatum bereits einige Monate abgelaufen sei“, weiterhin bedenkenlos verwenden. Was er nicht sagt ist, welche Arzneimittel das sind. In meinem Falle steht in der Packungsbeilage eine Warnung, dies zu tun.
Wo ist also die Liste mit den Ausnahmen, Herr Reinhardt?
Fazit
Ich stimme zu, wenn ich eine Flasche Hustensaft, deren Ablaufdatum in der Zukunft liegt und die rezeptfrei erhältlich ist, in der Hausapotheke habe, dann kann ich die meinem Nachbarn geben.
Verschreibungs- und rezeptpflichtige Arzneimittel gehören aber nicht auf Flohmärkte. Herr Reinhardt wird weder mir noch dem Anwender helfen, wenn etwas schiefgeht.
Für die korrekte Verschreibung und Dosierung gibt es Ärzte und Apotheker, oder habe ich da etwas falsch verstanden?
Der Beitrag entstand im Rahmen der Workshopreihe „Bürgerjournalismus als Sächsische Beteiligungsoption‘ – gefördert durch die FRL Bürgerbeteiligung des Freistaates Sachsen.
Es gibt 6 Kommentare
Überdosieren kann ich auch, wenn ich ein Medikament selbst verschrieben bekommen habe.
Wozu gibt es Beipackzettel?
Normalerweise würde man einfach IBU-Tabletten kaufen (in entsprechender Dosierung bzw. vorhanden Tabletten teilen), die Tabletten zermörsern und unter Apfelmus oder ähnliches rühren für die Kinder. Aber ich rate mal: das ist bestimmt auch wieder gefährlich.
Warum viele Medikamente verschreibungspflichtig sind, weiß ich auch nicht. Damit jeder dran verdient? Wäre auch zu einfach, sich (wirksame) Augentropfen gegen Bindehautentzündung oder Ohrentropfen gegen Ohrenentzündung selbst kaufen zu können.
Da muss der Arzt und der Apotheker schon noch extra dran verdienen.
Auch ne IBU 600 – da nehme ich anderthalb 400er und gut. Solange die Gesamtdosis passt, aber naja.
Wenn meine Nachbarin mich fragt, ob ich noch Ibu habe, dann würde ich ihr das natürlich geben. Mit dem Hinweis, dass sie von den 400ern zwei nehmen soll, damit es wirkt 😉
Also in den USA ist die Weitergabe von verschreibungspflichtigen Medikamenten strafbar, weis nicht wie das hier ist. Ich würde jedenfalls keine verschreibungspflichtige Medikamente aus zwielichtiger Quelle nehmen. Die Medikamente sind verschreibungspflichtig, damit sie nicht jeder einfach so nach gut dünken nimmt.
@Sebastian Ibuprofen ist ab 600 verschreibungspflichtig
@Thomas_2 es geht nicht um Angst, e´das mit Ibu war der Erfahrungsbericht. Es geht um den Aufruf, auch verschreibungspflichtige und eventuell abgelaufene, Medikamente weiterzugeben. Das ohne Einschränkung in der Aussage des Präsidenten der Bundesärztekammer. Ja, der viel beschworene gesunde Menschenverstand, der ist nur ungleichmäßig verteilt. Fragen Sie Rettungssanitäter die zu Menschen gerufen werden, die nach ihrem “gesunden Menschenverstand” sich selbst medikamentiert haben.
Und mir war nicht klar, dass Ibuprofen verschreibungspflichtig ist…
So ein flacher Kommentar.
Da kommt schon wieder die German-Angst durch. 600mg IBU, OMG, vielleicht auch noch abgelaufen!
Gesunder Menschenverstand heißt das Zauberwort, wer nur Arzt und Apotheker vertraut – naja, den Beipackzettel kann ich auch alleine lesen.
Abseits davon: Es geht im Großen und Ganzen um Kindermedikamente, die knapp sind.
Wegen so einer Denke sind auch alle Notfallaufnahmen überfüllt – lieber mal checken lassen, der blaue Fleck könnte ja doch was erstes sein…