Wenn du arm bist, hast du auch in schlechten Zeiten den ร„rger erst so richtig an der Backe. Das ist in der Pandemie so gewesen, das geht mit Inflation und steigenden Energiekosten immer so weiter. Denn wer kein Geld hat, der merkt mit voller Wucht, wenn die Dinge teurer werden. Und gerade Kinder merken in Notsituation, wie sich die Probleme in ihrem Umfeld immer mehr ballen. Das belegt auch eine neue DAK-Erhebung.

Sozial benachteiligte Schรผlerinnen und Schรผler leiden in der Corona-Zeit besonders. Die betroffenen Mรคdchen und Jungen erleben die negativen Verรคnderungen ihrer Lebensqualitรคt durch die Pandemie deutlich stรคrker als alle Vergleichsgruppen.

Das gilt fรผr die Lebenszufriedenheit, den Gesundheitszustand und das psychische Wohlbefinden, stellt die DAK fest. Insbesondere klagen immer mehr Kinder und Jugendliche รผber hรคufige Kopf-, Bauch- oder Rรผckenschmerzen โ€“ vor allem in Familien mit einem niedrigen Sozialstatus. Das zeigt der aktuelle Prรคventionsradar der DAK-Gesundheit fรผr das Schuljahr 2021/2022.

Fรผr die bundesweit einmalige Schulstudie befragte das IFT-Nord in Kiel fรผr die Krankenkasse bundesweit rund 18.000 Jungen und Mรคdchen der Klassen 5 bis 10 in insgesamt 13 Bundeslรคndern und verglich die Ergebnisse mit den Vorjahren.

Als Konsequenz fordert DAK-Vorstandschef Andreas Storm eine konzertierte Aktion der Gesundheits- und Familienpolitik, um die Kinder- und Jugendgesundheit in Deutschland zu stรคrken. Fรผr den Berufsverband der Kinder- und Jugendรคrzte verschรคrft sich die soziale Ungleichheit.

Wenn Entlastungspakete den Einkommensarmen nicht helfen

Und so bestรคtigt sich auch das, was parallel der Paritรคtische Wohlfahrtsverband in seinem am Dienstag, 28. Juni, vorgestellten Armutsbericht feststellen kann. โ€žPandemie und Inflation treffen eben nicht alle gleich. Wir haben keinerlei Verstรคndnis dafรผr, wenn die Bundesregierung wie mit der GieรŸkanne รผbers Land zieht, Unterstรผtzung dort leistet, wo sie รผberhaupt nicht gebraucht wird und Hilfe dort nur vรถllig unzulรคnglich gestaltet, wo sie dringend erforderlich wรคreโ€œ, so Schneider.

Nur zwei Milliarden Euro des insgesamt 29 Milliarden-Euro-schweren Entlastungspakets seien als gezielte Hilfen ausschlieรŸlich einkommensarmen Menschen zugekommen, kritisiert der Verband. Dazu wรผrden die Einmalzahlungen durch die Inflation โ€žaufgefressenโ€œ, noch bevor sie รผberhaupt ausgezahlt sind.

โ€žDer aktuelle DAK-Prรคventionsradar zeigt, dass sich in der Pandemie die Gesundheit und Lebenszufriedenheit vieler Kinder und Jugendlicher aus sozial schwachen Familien besonders stark verschlechtert hatโ€œ, sagt DAK-Vorstandschef Andreas Storm.

โ€žDie Ergebnisse zahlreicher Studien und Untersuchungen zeigen einen groรŸen Handlungsdruck. Wir mรผssen verhindern, dass durch die Pandemie eine verlorene Generation mit Gesundheitsproblemen und seelischen Leiden entsteht. Ich fordere kurzfristig eine konzertierte Aktion der Gesundheit- und Familienpolitik in Bund und Lรคndern, um die Kinder- und Jugendgesundheit zu stรคrken.โ€œ

Der Prรคventionsradar der DAK-Gesundheit untersucht seit 2016 das kรถrperliche und psychische Wohlbefinden sowie das Gesundheitsverhalten der Klassen 5 bis 10. Rund 18.000 Mรคdchen und Jungen aus 1.100 Klassen in 13 Bundeslรคndern haben an der sechsten Befragungswelle durch das IFT-Nord in Kiel teilgenommen.

Wenn Kinder unter den Pandemiefolgen leiden

Demnach berichten 29 Prozent aller Schulkinder von einem schlechteren Gesundheitszustand aufgrund der Pandemie. Bei den sozial benachteiligten Kindern und Jugendlichen sind dies mit 38 Prozent deutlich mehr.
Im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit ist in der Gesamtheit aller Jungen und Mรคdchen der Anteil derjenigen, die mindestens einmal pro Woche Kopf, Bauch- oder Rรผckenschmerzen haben, um etwa ein Drittel gestiegen.

In sozial schwachen Familien ist es ein Anstieg um fast die Hรคlfte. Insgesamt leiden aktuell 24 Prozent aller Befragten regelmรครŸig unter Schmerzen. Bei den Benachteiligten sind es 38 Prozent. In Bezug auf Erschรถpfung und Mรผdigkeit zeigt sich ein vergleichbares Bild: Bei den sozial benachteiligten Kindern fรผhlen sich 70 Prozent hรคufig mรผde und erschรถpft โ€“ in der Gesamtheit sind es 57 Prozent.

Dr. Thomas Fischbach, Prรคsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendรคrzte, bestรคtigt die Studienergebnisse der DAK-Gesundheit. โ€žWir sehen in unseren Praxen, dass neben organbezogenen Erkrankungen wie Adipositas auch psychosomatische Beschwerden wie hรคufige Bauch- und Kopfschmerzen zunehmen. Und es gibt mehr allgemeine psychische Probleme wie fehlende Motivation und Erschรถpfung bis hin zu depressiven Stรถrungen. Insgesamt bereiten uns die sozial benachteiligten Kinder die grรถรŸten Sorgen. Die Pandemie wirkt als zusรคtzlicher Verstรคrker der sozialen Ungleichheiten und die Bundespolitik schaut bislang tatenlos zu.โ€œ

Einsamkeit und sinkende Lebenszufriedenheit

Laut DAK-Prรคventionsradar hatte fรผr mehr als die Hรคlfte der Kinder und Jugendlichen die Pandemie Auswirkungen auf die Lebenszufriedenheit. Insgesamt hat sich bei 7,7 Prozent der Befragten die wahrgenommene Lebenszufriedenheit โ€ždeutlich verschlechtertโ€œ.

Vergleichbare Ergebnisse gibt es bei den Zukunftsaussichten. Zudem hatte jedes zweite Schulkind im Schuljahr 2021/2022 ein vermindertes psychisches Wohlbefinden. In der Gruppe der sozial Benachteiligten waren es 67 Prozent; am stรคrksten hier betroffen: die im Mittel 15-jรคhrigen Mรคdchen der Klassen 5 bis 10 mit einem Anteil von 86 Prozent.

Auffรคllig sind auch die Angaben, die viele Mรคdchen und Jungen zum Thema Einsamkeit machen: Die ganz groรŸe Mehrheit aller Befragten (rund 84 Prozent) hat wรคhrend der Corona-Schuljahre Einsamkeit erlebt. Von diesen geben rund 39 Prozent an, dass sie sich aufgrund der Pandemie sogar hรคufiger einsam gefรผhlt haben. Befragte mit diesem Befinden geben auch รถfter als andere Kinder an, dass Freundschaften durch die Pandemie leiden.

โ€žDer aktuelle DAK-Prรคventionsradar macht in verschiedenen Bereichen deutlich, dass die Pandemie je nach sozialem Status der Schulkinder sehr unterschiedliche Auswirkungen und Folgen hatte. Vermutlich verfรผgen Kinder und Jugendliche mit einem hรถheren Sozialstatus รผber mehr Ressourcen, die notwendig sind, die Ausnahmesituation zu รผberblicken, einzuordnen und sie letztlich gut zu รผberstehenโ€œ, erklรคrt Professor Reiner Hanewinkel als Studienleiter beim IFT-Nord in Kiel.

Das Institut fรผr Therapie- und Gesundheitsforschung fรผhrt die jรคhrlichen Befragungen zum Prรคventionsradar durch und wertet die Ergebnisse fรผr die DAK-Gesundheit aus. โ€žKinder und Jugendliche erleben wรคhrend der Pandemie ein deutliches AusmaรŸ an psychischen Belastungen und EinbuรŸen bei der Lebensqualitรคt. Familien mit einem niedrigen sozialen Status verfรผgen รผber weniger Ressourcen zur Bewรคltigung und benรถtigen Unterstรผtzungsangebote.โ€œ

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