Da steckt ganz Deutschland mit Ansage in der vierten Corona-Welle, aber die Gelassenheit aus dem Vorjahr scheint völlig verschwunden. Weggeräumt von einer zunehmenden Hysterie in sozialen Netzwerken und dem scheinbaren Eiertanz einer Politik, die keine klaren Ansagen mehr macht. Dafür Allgemeinverfügungen beschließt, die viele Menschen überfordern. Auch zur eigentlich simplen Frage: Wie gefährlich ist denn jetzt eigentlich der ÖPNV?

Immerhin wird er in der jüngsten Corona-Notverordnung des Freistaats Sachsen auch erwähnt, die seit Montag, 22. November in Kraft ist und erst einmal bis zum 12. Dezember gilt: „Homeoffice-Pflicht für Arbeitnehmer, die ihre Arbeit von zu Hause erledigen können“, kann man da lesen. Und: „FFP2-Maskenpflicht im Bus- und Bahnverkehr“.Was tatsächlich keine Änderung ist. Denn die FFP2-Maskenpflicht gilt schon seit dem 8. November, auch wenn die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) darum nicht viel Tamtam gemacht haben, sondern nur die entsprechende Meldung herausgaben und an den Anzeigetafeln den Hinweis durchlaufen lassen: „Im Zuge der Corona-Schutzverordnung des Freistaates Sachsen wird die Maskenpflicht ab Montag, 8. November 2021, ausgeweitet. Für den öffentlichen Personennah- und Fernverkehr gilt damit eine FFP2-Maskenpflicht. Schüler sind hiervon ausgenommen und benötigen einen medizinischen Mund-Nasen-Schutz.“

Dazugekommen ist mit dem Beschluss auf Bundesebene vom 18. November die 3G-Regel in Bussen und Bahnen. Einen entsprechenden Nachweis zu Impfung, Genesung oder aktuellem Test sollte man also dabei haben.

Wichtigster Schutz: die Masken

Was natürlich trotzdem bei vielen Fahrgästen die Frage aufwirft: Wie sicher ist der ÖPNV dann eigentlich? Oder soll damit nur das Funktionieren der Wege zur Arbeit abgesichert werden?

Die Frage hat zwei Aspekte. Einmal natürlich diesen: Reichen die Masken zum Schutz der Fahrgäste aus?

Aber da gilt wie bei allen AHA-Regeln: Je mehr Menschen sich daran halten, umso wirksamer sind sie bei der Minderung möglicher Infektionsgefahren.

Mit dem Abstandhalten von 1,5 Metern ist es natürlich bei den Leipziger LVB nicht weit her, dazu fahren noch viel zu viele kleine Bahnen (NGT 8, Leoliner), und auch in den großen Fahrzeugen (XL, XXL) sind im Berufsverkehr viel zu viele Fahrgäste unterwegs, die kaum Möglichkeiten haben, auf Abstand zu gehen. Auch wenn sie es sichtlich versuchen.

Aber ein Blick in Busse und Bahnen zeigt, dass sich geschätzt 90 Prozent der Fahrgäste an die Maskenpflicht halten. Nicht alle – aber erstaunlich viele mit FFP2-Masken. Die Botschaft von den Anzeigetafeln ist also durchgedrungen.

Wie ist das mit der Innenraumluft?

Mancher fragt sich natürlich: Was nutzt das, wenn sich drinnen trotzdem die Luft staut?

Aber im Unterschied zu geschlossenen Räumen sind ÖPNV-Fahrzeuge keine dauerhaft geschlossenen Behälter. Die meisten Fahrer/-innen geben aktuell an jeder Haltestelle sämtliche Türen frei, die Fahrzeuge haben also viel öfter als etwa gelüftete Schulräume einen Luftaustausch. Das mindert die Gefahr, dass sich Coronaviren im Innenraum der Fahrzeuge anstauen, deutlich.

Denn darum geht es ja bei all diesen Maßnahmen: Die Ansteckungsgefahr dadurch zu senken, dass es nicht zu virusgeschwängerter Luft in Innenräumen kommt.

Bei den modernen Fahrzeugen der LVB kommt noch hinzu, dass sie auch mit modernen Lüftungsanlagen ausgerüstet sind. Die Luft wird also auch zusätzlich erneuert. Und dazu kommt natürlich, dass sich die meisten Fahrgäste nicht stundenlang im Fahrzeug aufhalten, sondern nach relativ kurzer Zeit wieder aussteigen. Anders als bei Aufenthalten in Innenräumen.

Lässt sich der Effekt auch belegen?

Dazu gibt es eine nach wie vor gültige Studie des Deutschen Zentrums für Schienenverkehrsforschung beim Eisenbahn-Bundesamt (DZSF).

Eine Zusammenfassung der Ergebnisse lautet so: „Es wird angenommen, dass die Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln bisher zum gesamten Infektionsgeschehen in Deutschland nur einen geringeren Beitrag lieferte, verglichen mit anderen Infektionsorten wie dem häuslichen Umfeld oder dem Pflegebereich.“

Das klingt erst einmal zurückhaltend, andererseits zeigen die Ergebnisse, dass die konsequente Anwendung von Hygienekonzepten – dazu gehören z. B. die Steigerung der Reinigungszyklen in Verkehrsmitteln und Stationen und weitere Schutzmaßnahmen wie die Beachtung der sogenannten AHA-Regeln – positive Auswirkungen auf das Infektionsgeschehen im ÖPNV hat. Heißt im Klartext: Sie bestätigt vorhergehende Studien, die ebenfalls kein erhöhtes Infektionsrisiko im ÖPNV nachgewiesen haben – sofern eben ein paar Regeln eingehalten werden.

Und das Maske-Tragen unter der Nase und ähnlicher Quatsch gehören eindeutig nicht dazu.

„Das Infektionsrisiko lässt sich vielmehr mittels ausreichender Frischluftzufuhr, Umluftfilterung, Einhaltung von Abstand und dem richtigen Tragen von geeigneten Schutzmasken effektiv reduzieren. Der wirksamste Schutz wird durch das Tragen einer korrekt sitzenden FFP2-Maske erzielt.“

Die Studie bestätigt auch, was LVB-Fahrgäste aus leidvoller Erfahrung wissen: „Eine Analyse des Platzbedarfs für die Einhaltung der Abstandsregeln hat gezeigt, dass diese in der Regel in den Verkehrsmitteln nicht eingehalten werden können. Daher sollte die Maskenpflicht im Inneren der Verkehrsmittel zum Schutz vor Übertragung durch Tröpfchen unbedingt bestehen bleiben.“

Im ÖPNV gilt also ganz besonders: Mit FFP2-Maske schützt man sich zuallererst selbst.

Wo und was wurde gemessen?

Aber die Forscher haben die Ansteckungsgefahr nicht nur simuliert. Sie sind im Winter 2020/2021 auch in Zügen der Deutschen Bahn, auf der Werdenfelsbahn und im Münchener Nahverkehr losgezogen und haben Luftproben und Oberflächenabstriche in den Fahrzeugen entnommen.

„In den Fahrzeugen und Bahnhöfen wurden Luftkeimsammlungen durchgeführt und von häufig berührten oder mit der Ausatemluft potenziell virenbelasteten Oberflächen Wischproben genommen. Die Proben sind mittels molekularbiologischer Analytik nicht nur auf SARS-CoV-2, sondern auch auf humane Adenoviren (HAdV) geprüft worden. HAdV sind üblicherweise weit verbreitete humanpathogene Viren, sie dienten als Kontrolle für den Erfolg der Probenahme“, heißt es in der Studie.

Die Proben wurden in der Zeit von Dezember 2020 bis März 2021 genommen. Da befand sich zwar auch Bayern im zweiten und dritten Lockdown und weniger Menschen waren als Touristen oder Pendler zur Arbeit unterwegs.

Aber die ÖPNV-Fahrzeuge waren nicht so leer wie im ersten Lockdown. Das Ergebnis war trotzdem: „In keiner der Luft- und Wischproben konnte SARS-CoV-2 nachgewiesen werden. (…) Die Ergebnisse der molekularbiologischen Untersuchungen können wie folgt interpretiert werden: Aufgrund der geringen Auslastung des öffentlichen Personenverkehrs war die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine infizierte Person im Fahrzeug befindet, sehr gering. In den Fahrzeugen waren zum Zeitpunkt der Probenahmen vermutlich keine infizierten Personen unterwegs. Die obligatorischen Schutzmaßnahmen, insbesondere die Pflicht zum Tragen einer FFP2-Maske, wirken und führen zu einer deutlichen Verringerung an virushaltigen Aerosolpartikeln in der Luft.“

Wenn dann Infizierte tatsächlich zu Hause in Quarantäne bleiben, drückt das ebenfalls die Gefahr, dass sich im ÖPNV Coronaviren ausbreiten. „Die Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass zum Zeitpunkt der Untersuchung an den Orten, an denen die Probenahmen erfolgten, das Risiko einer SARS-CoV-2-Infektion bei Einhaltung der Schutz- und Hygienemaßnahmen im öffentlichen Personenverkehr nicht gegeben war.“

Was auch bedeutet: Wenn möglichst viele der Empfehlungen eingehalten werden, ist die Gefahr, sich im ÖPNV mit COVID-19 zu infizieren, nicht höher als an den meisten anderen öffentlichen Orten.

3G-Regel

Am heutigen 24. November ist das geänderte Infektionsschutzgesetz in Kraft getreten – demnach sind alle beförderten Personen des öffentlichen Personennahverkehrs und des Personenfernverkehrs verpflichtet, einen Impfnachweis, einen Genesenennachweis oder einen Testnachweis mitzuführen und auf Verlangen vorzulegen. Wer das kontrollieren wird, ist nach wie vor offen – viele Beförderungsunternehmen haben bereits angekündigt, dafür kein Personal zur Verfügung zu haben.

Eine weitere Aufgabe neben Kontrollen in der Gastronomie und mehr für die Ordnungsämter der Städte und Gemeinden, hier und da begleitet durch die Polizei?

Der gegenseitige Schutz im ÖPNV funktioniert so oder so nach wie vor am besten, wenn möglichst alle sich an die AHA-Regeln halten, mit FFP2-Maske unterwegs sind und diese auch über die Nase ziehen.

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Es gibt 5 Kommentare

So weit ich weiß, werden Besucher*nnen des Psychosozialen Gemeindezentrums Nordost in Mockau beispielsweise aktuell in einem Zelt vor dem Haus von den dort Beschäftigten vor Eintritt getestet. Die Mitarbeiter*nnen selbst zweimal in der Woche. Es ist kein Geheimnis: man möchte das offene Haus solange wie möglich, offen halten, auch um die Kliniken (Psychiatrien) zu entlasten bzw. nach Möglichkeit freizuhalten.
https://www.seb-leipzig.de/gemeindezentrum

Zukünftig dürfte es meiner Meinung nach immer wichtiger werden, auch Menschen, die anders sind, Menschen mit einer (seelischen) Behinderung in herkömmliche Betriebe zu integrieren. Alle sollen davon profitieren, wenn bei einigen bereits Zeit- und Leistungsdruck eine untergeordnete Rolle spielen.

Wie wäre es mit Impfen? Dann braucht’s auch keinen Test.
Man kann sich das Leben aber auch selbst schwer machen.

Soweit ich das aus eigener Erfahrung sagen kann, sind die meisten Busse in den Dörfern (zumindest im Leipziger Land) ohnehin fast immer leer, Schulbusse ausgenommen. Was die wenigen Fahrgäste machen, weiß ich auch nicht. Vermutlich gar nichts. In den leeren Bussen wird sich niemand um Ansteckunsgfragen kümmern, vermute ich. Wäre irgendwie auch sinnlos.

Glücklicherweise bin ich Großstädter und schaffe es nach der Arbeit irgendwo in der Stadt einen Test zu machen. Wie das die Nutzer des ÖPNV auf dem Dorf machen, die erstmal zum Test fahren müssen und der dann beispielsweise 4x in der Woche zwischen 9 und 16 Uhr möglich ist verstehe ich nicht. Kann mir jemand helfen, ich will es gern verstehen.

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