Während die Dramatik der Vierten Welle zunimmt, scheint die Angst der Deutschen vor einer Corona-Erkrankung deutlich gesunken zu sein. Das jedenfalls legt eine Umfrage der DAK nahe, die vielleicht erklärt, warum so viel Sorglosigkeit im Spiel ist und die Zahl der Neuinfektionen derart steigen lässt. Aber man muss die Ergebnisse der Umfrage einordnen, sonst ergeben sie schlicht keinen Sinn.

Und deshalb ist auch die Interpretation nicht ganz stimmig, die die DAK selbst anbietet: „Die Sorge vor COVID-19 ist in Deutschland deutlich gesunken. 2020 hatten noch 37 Prozent der Deutschen Angst vor einer Corona-Erkrankung – aktuell sind es nur noch 20 Prozent. Damit halbiert sich der Wert fast im Vergleich zum Vorjahr. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Forsa-Instituts im Auftrag der DAK-Gesundheit.“ Die Krankenkasse warnt trotzdem vor einem Nachlassen im Umgang mit Hygienemaßnahmen.Da trägt augenscheinlich der Blick durch die Röhre. Denn wie kommt es gleichzeitig zur Aussage „Krebs bleibt der größte Angstmacher der Deutschen, gefolgt von Alzheimer und Demenz auf Rang zwei“?

Weil Forsa im Auftrag der DAK gar nicht so explizit nach Corona gefragt hat.

Denn eine Erkrankung an COVID-19 ist nur eine mögliche Erkrankung, vor denen sich die Deutschen fürchten.

Die Zahlen zu COVID-19

Wenn man darauf achtet, erscheint in der aktuellen DAK-Umfrage der Rückgang des Angst-Empfindens mit Blick auf eine potenzielle COVID-19-Erkrankung besonders auffällig. Gaben 2020 noch 37 Prozent der Deutschen an, Angst vor dem Coronavirus zu haben, sind es in diesem Jahr nur noch 20 Prozent. Damit halbierte sich der Wert fast im Vergleich zum Vorjahr.

In der Altersgruppe der 14- bis 29-Jährigen ist aktuell die Sorge mit 30 Prozent besonders groß. Bei den Menschen ab 30 Jahren sinkt der Wert um 13 Prozentpunkte ab. Deutliche Unterschiede gibt es auch beim Bildungsgrad. So fürchten sich 29 Prozent der Befragten mit Hauptschulabschluss vor dem Coronavirus, aber nur 17 Prozent der Frauen und Männer mit Abitur oder abgeschlossenem Studium.

„Wir stehen mitten in der Vierten Welle und die Inzidenzen steigen. Gerade jetzt geht die Angst vor einer COVID-19-Erkrankung zurück. Die Corona-Pandemie ist scheinbar für viele Menschen so alltäglich geworden, dass die Sorge vor einer Infektion sinkt. Das ist bemerkenswert und alarmierend. Wir dürfen das Coronavirus nicht unterschätzen“, interpretiert Andreas Storm, Vorstandschef der DAK-Gesundheit, die Zahlen.

„Denn genau jetzt sind neben dem Impfen die bekannten Schutzmaßnahmen wie Mund-Nasen-Schutz und Abstandsregeln wichtig, um die Pandemie in den Griff zu bekommen. Die Corona-Pandemie ist noch nicht vorüber. Wir müssen auch weiterhin alle Hygieneregeln gewissenhaft einhalten, um uns alle zu schützen und eine Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden.“

Die am meisten gefürchteten Krankheiten aus Sicht der Bundesbürger. Grafik: Forsa / DAK
Die am meisten gefürchteten Krankheiten aus Sicht der Bundesbürger. Grafik: Forsa/ DAK

Wahrscheinlich aber irrt er. Und zwar gewaltig. Denn als Forsa vor einem Jahr die Umfrage durchführte, gab es noch keine Impfungen. Die kamen erst zum Jahreswechsel 2020/2021 richtig in Gang. Und sie geben augenscheinlich vielen Geimpften das Gefühl, dass sie jetzt etwas besser gegen eine – schwere – COVID-19-Erkrankung geschützt sind. Also weniger Angst haben müssen.

Denn die Umfrage, die die DAK in dieser Form schon seit Längerem durchführen lässt, unterscheidet nicht nach Geimpften und Ungeimpften. Was bei den einen Sorglosigkeit sein kann, kann bei den anderen auch Vertrauen darauf sein, dass die Impfung in weiten Teilen schützt.

Was übrigens auch eine andere Zahl nahelegt: Laut DAK-Umfrage halten aktuell nur rund neun Prozent der Deutschen Corona-Schutzmaßnahmen nicht ein. 2020 waren es mit acht Prozent ähnlich viele Menschen.

Das heißt: Die Gruppe derer, die der Pandemie fahrlässig begegnen, ist noch immer eine Minderheit wie vor einem Jahr. Eine lautstarke, die natürlich auch viele Menschen verunsichert, die sich eigentlich impfen lassen würden, wenn da nicht der Eindruck wäre, diese lautstarke Minderheit und ihre Vorurteile gegen das Impfen könnten irgendwie substanziell sein.

In der Umfrage war die COVID-19-Erkrankung freilich nur ein Topos unter lauter alten bekannten Erkrankungen, die man mit einer Impfung ganz und gar nicht in den Griff bekommen kann.

Und erhellend ist auch die Verteilung nach Landesteilen. Und da verblüfft schon, dass es in Ostdeutschland (wo die Infektionszahlen jetzt besonders hoch sind) immer noch 27 Prozent der Befragten sind, die sich vor einer COVID-19-Erkrankung fürchten, in Baden-Württemberg und NRW aber nur 17 Prozent.

Mit welchem Faktor das korrespondiert, ist nicht so eindeutig, gaben ja bundesweit vor allem junge Befragte (14 bis 29 Jahre) und Menschen mit Hauptschulabschluss an, derart starke Angst vor einer COVID-19-Erkrankung zu haben.

Eine Angst unter vielen

Seit zwölf Jahren untersucht das Forsa-Institut für die DAK-Gesundheit regelmäßig die Ängste vor Krankheiten in Deutschland. Am meisten fürchten sich die Deutschen auch in diesem Jahr vor Krebs (70 Prozent). Am zweithäufigsten wird die Sorge vor Alzheimer oder Demenz angegeben (54 Prozent). Einen Schlaganfall (49 Prozent) und Unfälle mit schweren Verletzungen (48 Prozent) fürchten jeweils rund die Hälfte der Bundesbürgerinnen und Bundesbürger.

Es folgen die Angst vor einem Herzinfarkt (41 Prozent), einer schweren Augenkrankheit bis hin zur Erblindung (40 Prozent) und die Furcht vor einer psychischen Erkrankung (35 Prozent). Frauen geben noch etwas häufiger als Männer an, dass sie sich am meisten vor Krebs sowie einer Alzheimer- oder Demenzerkrankung fürchten.

Auch in Zeiten der Corona-Pandemie fühlen sich die Deutschen grundsätzlich gesund. Die deutliche Mehrheit (88 Prozent) bewertet ihren Gesundheitszustand als gut (52 Prozent) oder sehr gut (36 Prozent). Damit steigt der Anteil der Männer und Frauen, die ihre Gesundheit als sehr gut bewerten, wieder auf den höchsten Wert seit 2013.

Im Vorjahr hatten 28 Prozent ihrem Gesundheitszustand die beste Note gegeben – ein Plus von acht Prozent. Männer fühlen sich hier gesünder als Frauen: Während 41 Prozent der männlichen Befragten ihre Gesundheit als sehr gut einschätzen, sind es bei Frauen 32 Prozent.

Die DAK-Studie zeigt dann auch noch: Frauen achten grundsätzlich mehr auf ihre Gesundheit als Männer. So nutzen sie per se häufiger Maßnahmen, um Krankheiten vorzubeugen: Sie ernähren sich oft gesünder, trinken seltener Alkohol und rauchen weniger. Besonders eklatant ist der Geschlechterunterschied bei Krebsvorsorgeuntersuchungen.

Drei Viertel aller Frauen (75 Prozent) nehmen Krebsvorsorge-Termine wahr, wohingegen nur jeder zweite Mann (48 Prozent) den Weg in die Praxis findet, um sich untersuchen zu lassen. Einigkeit besteht aber beim Thema Sport: So treiben 85 Prozent der Deutschen regelmäßig Sport, um gesund zu bleiben. Besonders aktiv sind die 14–29-Jährigen: Hier treiben 91 Prozent regelmäßig Sport.

Die Umfrage „Angst vor Krankheiten“ ist eine regelmäßige und repräsentative Bevölkerungsbefragung durch Forsa im Auftrag der DAK-Gesundheit. Vom 4. und 25. Oktober 2021 wurden 2.007 Frauen und Männer ab 14 Jahren befragt.

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