Höchst besorgt über die Wiederaufnahme des Schulbetriebs in Sachsen äußert sich jetzt der Leipziger Stadtelternrat in einem Offenen Brief an die Staatsregierung. Denn wirklich vorbereitet auf einen Unterricht unter Corona-Bedingungen ist aus Sicht der Eltern die sächsische Schule ganz und gar nicht. Gerade die Öffnung der Grundschulen wirft für die Eltern eine ganze Reihe Fragen auf.
Denn mit der Öffnung der Grundschulen schlägt ein Problem sofort durch, das in Zeiten des nach wie vor existierenden Coronavirus schnell sehr dramatische Auswirkungen hat. Denn so wie Sachsen die Öffnung der Grundschulen plant, kann aus Sicht des Leipziger Stadtelternrats von einer Nachverfolgung möglicher Infektionsketten, wenn doch wieder ein Infektionsherd auftritt, keine Rede mehr sein. Und das würde nicht nur die betroffenen Kinder, Lehrer/-innen und Hortbetreuer/-innen gefährden, sondern auch die Familien der betroffenen Kinder und damit ziemlich sicher auch viele Eltern in systemrelevanten Berufe.
Aber kann das von Christian Piwarz (CDU) geleitete Kultusministerium so schnell eine Lösung für das Dilemma finden? Die Elternsprecher jedenfalls drängen auf eine sofortige Lösung, die wenigstens eine unkontrollierbare Ausbreitung des Virus erschwert.
Der Offene Brief an das Kultusministerium
Infektionsketten an Leipziger Grundschulen im Zusammenhang mit der Allgemeinverfügung vom 12.05.2020, welche am 18.05.2020 in Kraft tritt.
Sehr geehrter Minister Kretschmer,
sehr geehrter Kultusminister Piwarz,
sehr geehrte Sozialministerin Köpping,
mit großer Aufmerksamkeit haben wir als StadtElternRat/Kreiselternrat Leipzig die o.g. Allgemeinverfügung gelesen; vor allem im Hinblick auf die Kitas und Grundschulen, welche nunmehr weniger auf „Abstandsmaßnahmen“ sondern mehr auf konstante Gruppen setzen sollen. Die Stadt Leipzig beschult über 21.000 Grundschüler in Grundschulen mit bis zu 550 Schülern.
Konstante Gruppen/Klassen brauchen konstantes und vor allem ausreichend Personal. In den Kernbetreuungszeiten (Unterricht, sowie Kernhortzeit – ohne Früh- und Späthort), scheint dies – wenn auch unter enormen Anstrengungen – machbar. Die benannten Früh- und Späthort-Zeiten hingegen bereiten uns große Sorgen. Personell ist dies an nahezu JEDER Leipziger Grundschule NICHT möglich.
Im Punkt 1.7. heißt es: 1 Der Betreuungsanspruch gegenüber den Kindertagesstätten und der Kindertagespflege besteht im Rahmen des jeweiligen Betreuungsvertrages ab dem 18. Mai 2020 grundsätzlich uneingeschränkt. 2 Stehen Personal oder Räumlichkeiten nicht im erforderlichen Umfang zur Verfügung, kann der Betrieb der Einrichtung insbesondere durch Verringerung der Betreuungszeiten vorübergehend eingeschränkt werden.
Eine solche Regelung sucht man für die Horte vergebens!!! Ähnlicher Auslegung könnte sich jedoch der Punkt 5.7.3. unterziehen: 1 Die Zusammensetzung des Klassenverbandes ist so weit als möglich bei der Bildung von Hortgruppen zu berücksichtigen. 2 Hortgruppen sollen nicht aus Schülern mehrerer Klassenverbände zusammengesetzt werden. 3 Die Ziffern 5.1. bis 5.4. und 5.6. sind für Hortgruppen entsprechend anzuwenden.
Nun wurde jedoch sowohl durch die Kommune Leipzig, als auch durch das LaSuB und SMK an Schulen und Horte mitgeteilt, dass eben der Früh- und Späthort in gemischten Klassen stattzufinden habe (aufgrund personeller Engpässe).
Wir sehen hier einen ENORMEN WIDERSPRUCH zur Allgemeinverfügung, zu dem Nachweis von Infektionsketten und eine überhöhte Risikoinanspruchnahme für unsere Grundschüler!
Diese haben Geschwister in anderen Einrichtungen (Kitas und weiterführenden Schulen) und Eltern in Risikoberufen (Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen usw.).
Nehmen wir exemplarisch eine Grundschule mit 400 Schülern – ca. 19 Klassen –, aus jeder Klasse besuchen 2 Kinder den Frühhort, zwei weitere den Späthort. Im Unterricht sind diese Kinder in einem Klassenverband ohne Mundschutz, ohne Abstand und sonstige infektionsminimierende Maßnahmen. Es ist völlig irrsinnig, Lehr- und Erzieherpersonal ganztags mit Nachweisen von Infektionsketten zusätzlich zu belasten, wenn doch augenscheinlich deutlich ist, dass die Früh- und Späthortkinder über den einfachen Weg Kontakt mit allen 400 Kindern, Lehrern und Erziehern haben.
Wie gehen derzeit davon aus, dass Sie diese Infektionsketten wissentlich zulassen, unterstützen und damit den Allgemeinverfügungen des Landes widersprechen; unsere Kinder und alle Angehörigen einem „Infektionsexperiment“ unterziehen, dessen Ausmaße Sie nicht kalkulieren können, da Ihnen die Dunkelziffer der infizierten Menschen Sachsens unzureichend bekannt ist.
Wir erwarten von Ihnen in Ihren Funktionen ein Mindestmaß an Verantwortung und Lösungswillen zur oben beschriebenen Situation, sei es in Form von Möglichkeiten des Aussetzens des Früh- und Späthortes oder Bereitstellung von ausreichend Personal. Da wir davon ausgehen, dass Ihnen der zweite Punkt unschwer bis zum 18.05.2020 gelingen wird, fordern wir eine umgehende Lösung im Hinblick des ersten Punktes oder gerne in Form einer besseren Idee Ihrerseits, die umsetzbar ist und weniger unzumutbar zu Ihrer Forderung nach nachvollziehbaren Infektionsketten an Grundschulen, die nicht zu gewährleisten sind.
Selbstverständlich haben wir das Wohl unserer Kinder im Blick. Gleiches Augenmerk erwarten wir von Ihnen gegenüber Ihren Staatsbediensteten Beamten im Lehrerberuf, sowie gegenüber den angestellten Lehrern und Erziehern, die derzeit Unglaubliches auf die Beine stellen und dabei Unmögliches leisten sollen. Bei einer derartig von Ihnen angestrebten Überbelastung werden Sachsen die Pädagogen reihenweise an Krankheiten verloren gehen, welche möglicherweise über die Coronakrise hinausgehen werden.
Bitte schützen Sie Kinder, Lehrer, Erzieher und deren Familien, so wie es die Allgemeinverfügung vorsieht und das Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) der BRD verlangt.
Für eine Rückmeldung Ihrerseits, haben wir uns unter Anbetracht der Situation den 16.05. vorgemerkt, wenngleich wir großes Interesse an einer früheren Rückmeldung Ihrerseits haben. Zudem möchten wir Sie in Kenntnis setzen, dass wir das Ihnen hier vorliegende Schreiben am Freitag, den 15.05. um 14 Uhr medial weitergeben werden.
Mit sorgenvollen Grüßen verbleiben wir,
Nancy Hochstein
Vorsitzende SER/KER Leipzig
Michael Gehrhardt
Stellv. Vorsitzender SER/KER Leipzig
Konstanze Beyerodt
Mitglied im LER für die Grundschulen des SER/KER Leipzig
Stadtelternrat Leipzig
vertreten durch die Vorsitzende Nancy Hochstein
Große Fleischergasse 12
04109 Leipzig
Die Fragezeichen, ob die Regeln des Kultusministeriums auch eingehalten werden, bleiben auch bei Landtagsabgeordneten
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