Da wird nun in Sachsen emsig an modernen Strukturen für das Rettungswesen gearbeitet, werden neue Leitstellen installiert und die Hubschrauber fliegen, dass die Wände wackeln. Und trotzdem werden die Löcher im System nicht kleiner. Die Linksfraktion im Sächsischen Landtag hatte das zum Thema einer Großen Anfrage gemacht. Am Freitag, 16. Dezember, hat der Landtag darüber diskutiert.

Für die Linken ist das Thema auch noch politisch aufgeladen. „Vielleicht könnte unser Genosse und Freund Lothar Bisky noch leben, wenn der Rettungsdienst damals die Chance gehabt hätte, früher da zu sein“, erzählt die Sprecherin der Linksfraktion für Gesundheits- und Sozialpolitik, Susanne Schaper. „Der ehemalige PDS-Bundesvorsitzende erlag 2013 den Folgen eines Treppensturzes. Auch sein Fall weist auf ein Problem, das alle angeht: Kommt schnell Hilfe, wenn wir sie brauchen? Diese Sicherheit gibt es leider nicht immer.“

Biskys Unfall ereignete sich 2013 in seiner Wohnung in Schildau im Landkreis Nordsachsen.

Und es liegt nicht immer an der Nichteinhaltung von Hilfsfristen, die für Betroffene oft lebensgefährlich werden. In Sachsen fehlt es auch längst an Ärzten, die die Notfallbereitschaften absichern können.

Susanne Schaper: „2015 blieben 1.153 von 54.881 Notarztdiensten unerfüllt, statistisch gesehen waren die Notarztstandorte also nur an rund 340 Tagen besetzt. In meiner Heimatregion Chemnitz war der Rettungsdienst seit 2014 nur in etwa drei Vierteln aller Fälle innerhalb der gesetzlichen Frist von zwölf Minuten vor Ort. In ganz Sachsen wird die Hilfsfrist in nur 86,5 Prozent der Fälle eingehalten. Die gesetzliche Vorgabe von 95 Prozent wird also um 8,5 Prozent verfehlt. Das klingt nicht dramatisch, das ist es aber. Denn oft stehen Menschenleben auf dem Spiel.“

Und dann geht es um Geld. Sachsens große Investoren erzählen zwar gern, wie technisch gut ausgestattet und teuer neue Rettungsleitstellen werden. Aber wenn es dann um den täglichen Betrieb und die Einsatzkosten geht, hält man sich lieber raus. Sozialministerin Barbara Klepsch: „Letzteres ist vorliegend der Fall, denn die Frage betrifft hinsichtlich der Einsatzkosten im bodengebundenen Rettungsdienst ausschließlich Sachverhalte, die durch die Träger des Rettungsdienstes als Selbstverwaltungsaufgabe wahrgenommen werden.“

Man habe als Freistaat nur die Rechtsaufsicht, nicht die Fachaufsicht.

„Unsere Große Anfrage hat die Wissenslücken des Sozial- und Gesundheitsministeriums offenbart. So kann oder will man beispielsweise nicht mitteilen, wie viel Rettungseinsätze kosten oder wie sich das nicht-ärztliche Personal im Rettungswesen zusammensetzt“, kritisiert Schaper. Eine Kritik, die nicht neu ist. Denn wenn der Freistaat nicht weiß, wie die Kosten- und Personalstrukturen sind und warum es seit Jahren zu wahrnehmbaren Lücken im Rettungsnetz kommt, kann auch niemand sagen, wo eigentlich nachgesteuert werden muss. Sind die Vergütungen durch die Krankenkassen zu gering? Fehlt es an Fachpersonal? Ist das Netz der Einsatzstellen zu dünn?

Und wie ist das mit den Notfallstationen?

Schaper: „Auch weiß man nicht, in wie vielen Fällen die überlasteten Notaufnahmen von Patienten genutzt werden, die eigentlich zum kassenärztlichen Notdienst hätten gehen können. Das ist eine schwache Leistung. Ich danke allen engagierten Menschen, die den Rettungs- und Notfalldienst trotz aller Widrigkeiten aufrechterhalten. Nicht nur in ihrem Interesse fordere ich die Koalition auf: Verschaffen Sie sich endlich ein umfassendes Bild von der Lage, damit sie die Probleme lösen können!“

Bei dieser Unwissenheit möchte es zumindest die Linksfraktion nicht belassen. Aus ihrer Sicht soll sich die sächsische Staatsregierung deutlich mehr Kompetenz bei der Aufsicht über das Rettungswesen zulegen.

„Wir wollen einen ‚Rettungsdienst-Notfallmedizin-Bericht Sachsen 2017‘, der die Informationslücken ausfüllt“, erklärt Mirko Schultze, Sprecher für Rettungswesen, zu den jetzt per Antrag eingebrachten Forderungen der Linksfraktion. „Die Regierung muss darauf hinwirken, dass alle Rettungsleitstellen und -fahrzeuge mit genug ärztlichem und nichtärztlichem Fachpersonal besetzt sind und bleiben, damit die Hilfsfrist eingehalten werden kann. Sowohl die angestellten als auch die neben- oder freiberuflich tätigen Notärzt*innen brauchten ein arbeitszeitgerechtes System, damit sie ihre Aufgaben erfüllen können. Nicht zuletzt müssen an weiteren Krankenhausstandorten ambulant-stationäre Gesundheitlich-Medizinische Versorgungszentren entstehen, um die Notaufnahmen zu entlasten.“

Aber zumindest zu einem Posten gab es eine genaue Angabe von Barbara Klepsch: „Für die Leistungen der Luftrettung belaufen sich die durchschnittlichen Kosten je Einsatz nach Auskunft der Leistungserbringer auf 1.888,53 EUR.“

Der Antrag der Linksfraktion „Rettungsdienst und Notfallmedizin im Freistaat Sachsen“. Drs. 7668

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