Wenn ein Land so heftig überaltert ist wie Sachsen, dann macht sich das auch an den Gesundheitsausgaben bemerkbar. Am Montag, 15. September, veröffentlichte das Statistische Landesamt des Freistaats dazu einen Berg von Zahlen. Doch die Zahlen zeigen auch, wie sehr man dort knausert und spart, wo es tatsächlich um die Betreuung der Älteren geht.
Darauf weisen die Statistiker schon mit dem ersten Satz hin: “Während die Ausgaben des sächsischen Gesundheitswesens von 2008 bis 2012 um 17,4 Prozent anstiegen, wuchs die Anzahl der Beschäftigten im gleichen Zeitraum lediglich um knapp ein Zehntel. Pro Einwohner wurden 2012 insgesamt 3.764 Euro für die Gesundheit ausgegeben, 112 Euro mehr als 2011 und sogar 678 Euro mehr als 2008. Sachsen lag damit 2012 bei den Pro-Kopf-Ausgaben im Gesundheitswesen nur leicht über dem Bundesdurchschnitt von 3.740 Euro.”
Was dann die politische These von einer besonderen Belastung Sachsens durch die demografische Entwicklung natürlich infrage stellt. Der höhere Anteil von Senioren in Sachsen führt noch nicht dazu, dass die Gesundheitskosten stärker steigen als anderswo. Länder wie Rheinland-Pfalz, Hessen oder Thüringen haben leicht höhere Ausgaben. Die Altersentwicklung schlägt ja auch nicht in allen Gesundheitsbereichen zu Buche.
“Insbesondere bei der Ausgabenentwicklung in der sozialen Pflegeversicherung wird auch das steigende Durchschnittsalter der Bevölkerung deutlich”, stellen die sächsischen Statistiker fest, “gegenüber 2011 hatte diese mit 5,1 Prozent den größten relativen Zuwachs zu verzeichnen. Die Ausgaben der anderen Träger wuchsen nur um durchschnittlich 2,6 Prozent.”
Noch anschaulicher wird das, weil die Statistiker aus Kamenz die sächsischen Zahlen direkt neben die Zahlen von Rheinland-Pfalz gestellt haben, das mit knapp 4 Millionen Einwohnern ungefähr dieselbe Einwohnerzahl hat wie Sachsen. Auf den ersten Blick schon wird deutlich, das in Rheinland-Pfalz das Netz der Arztpraxen und Krankenhäuser noch wesentlich dichter und die Personalausstattung wesentlich besser sind. Sind in sächsischen Arztpraxen 28.400 Menschen beschäftigt, sind es in Rheinland-Pfalz rund 34.000. Und während in Sachsens Krankenhäusern 51.900 Menschen arbeiten, sind es in Rheinland-Pfalz 60.100. Das erzählt wohl recht eindeutig davon, wie sehr das Netz der Arztpraxen besonders in den ländlichen Bereichen in Sachsen schon ausgedünnt ist – und wie sehr man die verbliebenen Kliniken schon auf straffe Organisation und knappesten Personaleinsatz getrimmt hat.
Die Anforderungen einer älter werdenden Bevölkerung – und der damit einher gehenden gesundheitlichen Versorgung – müssen trotzdem gewährleistet werden. Aber auch das passiert in Sachsen eher auf dem “sparsamsten Weg”: den massiven Ausbau der ambulanten Pflege. Während in Rheinland-Pfalz erst 12.100 Personen in den Pflegediensten beschäftigt sind, sind es in Sachsen schon 20.600. Und dieser Bereich gehört eben nicht nur zu den stark wachsenden Dienstleistungsbereichen in Sachsen, hier sind auch Niedriglohn- und Teilzeitmodelle besonders stark ausgeprägt.
Der höhere Anteil an Alten wird auch im Beschäftigungsbereich der Pflegeheime und der teilambulanten Pflege sichtbar. Während in Rheinland-Pfalz hier 32.000 Personen beschäftigt sind, sind es in Sachsen schon 35.000.
Die Alterung der Bevölkerung sorgt trotzdem dafür, dass immer mehr Menschen im Gesundheitswesen beschäftigt sind. Waren es 2008 noch 224.900, so kam Sachsen 2012 dann auf 246.200.
Aber der Blick auf die Vergleichstabelle zeigt auch, dass die ostdeutschen Bundesländer trotzdem deutlich weniger Beschäftigte im Gesundheitswesen haben als die verglichenen Bundesländer im Westen. Kommen in Sachsen 60,8 im Gesundheitsbereich Tätige auf 1.000 Einwohner (Thüringen: 59,5), liegt selbst der Bundesdurchschnitt bei 64 Personen.
Wenn man bedenkt, dass die Gesundheitsausgaben in Rheinland-Pfalz und Sachsen praktisch gleich hoch sind (Rheinland-Pfalz 15,17 Milliarden Euro, Sachsen 15,24 Milliarden Euro), dann verblüfft das schon. Dann werden augenscheinlich die höheren Kosten für die Versorgung der Älteren durch ein Knapphalten beim Personal kompensiert.
Und das betrifft mal wieder – wie so oft – Frauen und die unleidig falsche Diskussion um die “gleiche Entlohnung” von Mann und Frau, wo nun doch auch der letzte Wirtschaftswissenschaftler wissen sollte, dass Berufe im Sozialbereich zum größten Teil Frauenberufe sind.
Mit den Worten der Landesstatistiker: “Zudem erweist sich der Gesundheitsbereich weiterhin als Frauendomäne – drei von vier Beschäftigten waren weiblich.” Nur haben sie meist die deutlich arbeitsintensiveren Pflegejobs: “Größter Arbeitgeber im Gesundheitswesen waren die Krankenhäuser mit über 20 Prozent aller Beschäftigten. Während die Zahl der Beschäftigten in den Krankenhäusern gegenüber 2008 jedoch nur moderat gestiegen ist (6,0 Prozent), liegen die Zuwachsraten in der Ambulanten Pflege bei 28,0 Prozent bzw. bei der teilstationären und stationären Pflege bei 17,7 Prozent.”
Die Bezahlung der Beschäftigten im Einzelnen geht natürlich in der großen Statistik unter. Vergleichsweise fließt genug Geld ins sächsische Gesundheitswesen: “Fast zwei Drittel der Ausgaben entfielen auf die gesetzliche Krankenversicherung. Den zweitgrößten Anteil (11,3 Prozent) finanzierte die soziale Pflegeversicherung. Deren Ausgaben betrugen pro Kopf 425 Euro.”
Dabei sind die Ausgaben der Pflegekassen mit 1,7 Milliarden Euro in Sachsen schon etwas höher als in Rheinland-Pfalz mit 1,4 Milliarden. Wenn die steigenden Ausgaben aber nicht in entsprechend mehr Personal fließen, wohin fließen sie dann?
Eine Antwort steckt ebenfalls in der demografischen Entwicklung, denn je älter Menschen werden, umso öfter kommen sie auch zur Behandlung zum Arzt oder ins Krankenhaus. Und während die Zahl der Betten in Sachsens Krankenhäusern seit 2000 von 29.600 auf 26.300 gesunken ist, ist die Zahl der stationären Behandlungsfälle gestiegen – von 877.000 auf 1,003 Millionen. Die Verweildauer ist von 10,5 auf 7,5 Tage gesunken, die Zahl der behandelnden Ärzte ist gestiegen (von 5.600 auf 8.200), dafür ist die Zahl des Pflegepersonals mit rund 40.500 im Jahr 2013 praktisch genauso hoch wie 2000.
Diese Zahlen findet man in der vorgelegten Statistik natürlich genauso wenig wie die Zahl der seit 2000 drastisch angestiegenen Kosten der Krankenhausbehandlung in Sachsen – von damals 2,5 Milliarden Euro auf mittlerweile rund 4 Milliarden.
Die Meldung des Landesamtes für Statistik:
www.statistik.sachsen.de/download/200_MI_2014/MI-18814.pdf
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