2014 ist wieder so ein Jahr, in dem die Feinstaubgrenzwerte in deutschen Städten reihenweise überschritten werden. Auch in Sachsen. Auch in Leipzig. Kaum ein Vierteljahr ist herum, und an der Messstation Leipzig-Mitte wurde schon an 29 Tagen der Grenzwert überschritten. Maximal 35 Tage im Jahr sind erlaubt. Also findet FDP-Stadträtin Isabel Siebert: Da kann doch die Umweltzone gleich wieder weg.

Als “vorhersehbar” bezeichnete die stellvertretende Vorsitzende der FDP-Fraktion Isabel Siebert (36) die Ergebnisse der Feinstaubbelastung in den ersten Monaten dieses Jahres. Danach ist davon auszugehen, dass die erlaubten Grenzwerte in Leipzig im Jahr 2014 massiv überschritten werden.

Für sie ist sonnenklar: “Die Umweltzone war nutzlos und bleibt nutzlos – insbesondere dann, wenn man die Kosten der Bürger und den Nutzen für die Umwelt ins Verhältnis setzt. Entscheidend für die Feinstaubbelastung ist der Einfluss des Wetters. Scheint die Sonne bei wolkenlosem Himmel und haben wir eine stabile Hochdruckwetterlage, dann sammelt sich Feinstaub in den unteren Luftschichten. Starkwind und kräftiger Regen führen dagegen zu einer deutlich geringeren Belastung. Wenn wir dann einen milden Winter haben und die Heizperiode dennoch auf vollen Touren läuft, bildet sich mehr Feinstaub und die Grenzwerte werden überschritten. Und das Wetter sorgt im Zweifel auch dafür, dass wir in Leipzig mit Feinstaub aus polnischen Kraftwerken belastet werden.”

Siebert fordert nun, die Umweltzone im Zuge der Fortschreibung des Luftreinhalteplanes zu streichen. “Wenn die Wirksamkeit von solchen Eingriffen nicht nachgewiesen werden kann, sollte man sie konsequenterweise streichen. Im Energie- und Klimaschutzprogramm der Stadt Leipzig sind darüber hinaus zahlreiche Maßnahmen aufgeführt, die ich für sinnvoller halte.”

Das Programm steht auf der Tagesordnung der Ratsversammlung am 21. Mai 2014. Nur liegt es nicht einmal ansatzweise in der Macht der Stadt Leipzig, die Umweltzone wieder abzuschaffen.

“Die Umweltzone ist einfach kein taugliches Mittel für bessere Luftqualität”, findet Siebert trotzdem, “viel Stadt- und Straßenrandgrün, sichere Rad- und Fußwege, eine staufreie City und attraktive ÖPNV-Angebote dagegen schon!”

Man würde sich das ja alles so sehr wünschen. Und die FDP sei sowieso dafür, sagt Siebert. Ihre Fraktion verträte das im Umweltausschuss des Stadtrates. Deshalb habe die FDP-Fraktion im Leipziger Stadtrat auch entsprechende Initiativen immer unterstützt und auch selbst ergriffen, von der gleitenden Zeitkarte für die LVB über die Erhöhung der Fußwegsicherheit bis zu Etaterhöhungen für Baumpflanzungen.

Die Stadtverwaltung müsse sich aber auch an die eigene Nase fassen: “Es kann nicht sein, dass im Luftreinhalteplan in großem Umfang Baumpflanzungen geplant aber dann mangels Geld nicht umgesetzt werden. Gleiches gilt für den Austausch des stadteigenen Fuhrparks. Auch hier sind viele alte Stinker auch weiterhin mit selbsterteilten Ausnahmegenehmigungen unterwegs. Was passiert, wenn wir weiterhin die Grenzen reißen, haben OBM Jung und Umweltbürgermeister Rosenthal bereits mit der Einführung der Umweltzone angedeutet: Citymaut und Fahrverbote. Das wäre dann noch schädlicher für die Leipziger als eine nutzlose Umweltzone.”Erstaunlich: Da denkt die FDP-Fraktion fast schon wie Bündnis 90/Die Grünen. Die Leipziger Grünen fordern jetzt, da auch das Bundesumweltamt wieder warnt, dem Thema Luftsauberkeit eine höhere Priorität einzuräumen und die weiteren im Luftreinhalteplan beschlossenen Maßnahmen konsequent umzusetzen. Aber nicht die Abschaffung der Umweltzone. Im Gegenteil. Die zeigt nämlich Wirkung, wenn man sich tatsächlich mal mit den Feinheiten beschäftigt. Feinstaub ist nämlich nicht gleich Feinstaub.

Auch Durchfahrverbote und die Ausweitung von Tempo-30-Zonen müssen offen diskutiert werden, fordern die Grünen. Ebenso müssen schärfere Bestimmungen für private Holzfeuerungsanlagen her. Denn das eigentlich krank machende am Feinstaub sind seine Ruß-Bestandteile. Und die stammen aus Verbrennungsmotoren und Verbrennungsanlagen.

“Die Messungen des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung Leipzig haben zweifelsfrei ergeben, dass die Umweltzone Wirkung gezeigt hat – etwa bei der Verringerung des schwarzen, toxischen Kohlenstoffes”, erläutert Anett Ludwig, Energieökonomin und Mitglied im AK Umwelt und Klimaschutz. Denn Feinstaub in Städten wird vor allen Dingen durch den fließenden Verkehr emittiert. Dabei gelangt Feinstaub jedoch nicht nur aus Motoren – vorrangig aus Dieselmotoren – in die Luft, sondern auch durch Bremsen- und Reifenabrieb sowie durch die Aufwirbelung des Staubes von der Straßenoberfläche.

Nach einer Analyse der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sterben im Jahr sieben Millionen Menschen weltweit durch Luftverschmutzung. In Deutschland schätzt das Umweltbundesamt die Zahl auf 47 000, vor allem durch Feinstaub und Stickstoffoxid. Die Partikel dringen beim Einatmen in den Körper ein und lagern sich in den Gefäßen ab. Folgen können Entzündungen und Erkrankungen der Atemwege und des Herzkreislaufsystems sein, bis hin zu Infarkten und Lungenkrebs. Auch Allergien gegen Feinstaub sind möglich, die sich ähnlich wie Pollenallergien auswirken.

Und aus Grünen-Sicht gibt es dann ein ganz anderes Ergebnis in der Einschätzung der Umweltzone. “Wir haben bereits 2011 darauf hingewiesen, dass die Umweltzone alleine nicht ausreichen wird, um alle Luftprobleme in Leipzig zu lösen”, erklärt Jürgen Kasek, Vorstandssprecher des Kreisverbandes. Die Stadt kann und muss wesentlich mehr tun: Von den Umweltqualitätszielen über den Stadtentwicklungsplan Verkehr und öffentlicher Raum, das Radverkehrsentwicklungskonzept, den Nahverkehrsplan oder den Luftreinhalteplan – in einer Vielzahl grundsätzlicher Dokumente hat sich die Stadt zum Vorrang des Umweltverbundes aus Fuß-, Rad- und öffentlichem Verkehr gegenüber dem motorisierten Verkehr bekannt. Die Themen Umweltschutz und Gesundheit haben jedoch in weiten Teilen der Stadtverwaltung und insbesondere bei Herrn Jung keine herausgehobene Bedeutung. Statt konsequent zu handeln, wird leichtfertig die Lebensqualität, vor allem aber die Gesundheit der Einwohner aufs Spiel gesetzt. “Nur wenn die auch im Luftreinhalteplan aufgenommenen Maßnahmen zur Verkehrsvermeidung und der Verlagerung auf den Umweltverbund tatsächlich mit Leben erfüllt und umgesetzt werden, wird man bei der Zielsetzung einer sauberen und gesunden Stadt vorankommen.”

Und es mehren sich die Stimmen, die den neuerlichen Zubau an Holzfeuerungsanlagen in Leipzig kritisieren. Es sind nicht nur die Rußpartikel aus dem europäischen Osten, die Leipzigs Luft belasten.

Ein Bericht der”Süddeutschen” zum Feinstaub: www.sueddeutsche.de/gesundheit/feinstaubbelastung-dicke-luft-1.1937950

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