Psychische Störungen sind Volkskrankheiten. Dies ist ein Ergebnis der jüngsten Forschung, über welche sich Psychologen und Psychiater aus aller Welt derzeit in Leipzig austauschen. Die Universität Leipzig ist Gastgeber des 14. Internationalen Kongresses des Verbandes der psychiatrischen Epidemiologen (IFPE). Es ist das erste Mal, dass dieser in Deutschland stattfindet.
Die Forscher untersuchen die Häufigkeit und die Symptome von psychischen Krankheiten. “Welche Folgen haben sie für Einzelne? Welche für die Solidargemeinschaft?”, so bringt Steffi Riedel-Heller den Kongress auf den Punkt. Sie ist Direktorin des Instituts für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Öffentliche Gesundheit an der Uni und damit oberste Gastgeberin für Ihre Kollegen. Es sind über 500 von ihnen, aus 40 Ländern, darunter die USA, Australien und Taiwan, die in einem großen Hotel in der Nähe des Hauptbahnhofs zusammenkommen. Noch bis Sonntag dauert der Kongress an, auf dem alle Präsentationen in Englisch gehalten werden. “Ich freue mich besonders über die Vielzahl an jungen Kollegen, die hier ihre Ergebnisse präsentieren werden”, so Riedel-Heller.
Verschiedene Schwerpunkte stehen auf der Tagesordnung. Zum einen psychische Erkrankungen im hohen Alter. Das Leipziger Institut macht sich in diesem Feld einen Namen mit seiner Langzeitstudie, die 1.200 Leipziger untersucht hat. Sie ergab, dass Depressionen zu den häufigsten psychischen Krankheiten gehören. “Etwa 14 Prozent aller Menschen über 75 Jahren in unserer Studie leiden darunter”, erklärt die Professorin. Die psychischen Störungen verursachten in der Gesamtbevölkerung zudem öfter Arbeitsausfälle als chronische körperliche Krankheiten.
Auch die frühen Lebensabschnitte werden untersucht. Kai von Klitzing, Direktor der Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Leipziger Uniklinik, fasst zusammen: “Uns interessiert, wo die Krankheit herkommt und wie sie sich entwickelt.” In seiner Forschung stellte er fest, dass auch die Kinder zu zehn bis 14 Prozent betroffen sind. “Wir beschäftigen uns eher mit den stillen Symptomen. Während die Eltern eher von den lauten Kindern beunruhigt werden, schauen wir hin, wenn ein Kind sehr ruhig ist und zum Beispiel im Kindergarten keine Freunde hat.” Generell warnt er jedoch vor Panikmache und Moden in der Kinderpsychiatrie. “Zur Zeit ist es das Mobbing, das bei den Eltern Aufmerksamkeit erregt und oft sagen sie, ihr Kind sei hochbegabt. Das ist dann aber meist dem Narzissmus der Eltern geschuldet.”
Den Kongress, der zum ersten Mal in Deutschland stattfindet, nutzt der Präsident der Fachgesellschaft IFPE, Johannes Wancata, um darauf aufmerksam zu machen, dass es in Deutschland keinen Lehrstuhl für psychiatrische Epidemiologie gibt. “Wir haben gegenüber den USA einen absoluten Nachholbedarf”, so Wancata.
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