Am Montag, 3. Juni, gab's für Leipzig einen besonderen Preis. Eigentlich auch ein kleines Trostpflaster für Sozialbürgermeister Thomas Fabian. Die Stadt bekam den ersten Preis im bundesweiten Wettbewerb "Vorbildliche Strategien kommunaler Suchtprävention" für kreisfreie Städte. Leipzig hatte sich am Bundeswettbewerb mit dem Projekt "Von der Straße ins Leben - Aufsuchende Hilfen für alkoholkranke Menschen im öffentlichen Raum" beteiligt.
Träger des Projektes ist die SZL Suchtzentrum gGmbH. Es wurde 2010 modellhaft im EFRE-Programmgebiet Leipziger Westen gestartet und zunächst über EFRE-Fördermittel finanziert. Das Projekt wurde ausgeschrieben und der SZL Suchtzentrum gGmbH übertragen. Die sich seitdem mit drei mutigen Sozialarbeitern in Lindenau und Leutzsch um jene Menschen kümmert, die in der Regel als “Störfall” an öffentlichen (Trink)plätzen für Aufsehen sorgten, auch für entsprechende Kritik an der Stadt und dem öffentlichen Bild. Aber was kann man da tun? Einfach die “Grüne Minna” schicken und die oft genug vom Alkohol Abhängigen einfach einsammeln und wegschaffen? Das löst das Problem nicht.
Der Ansatz war – wie in anderen Feldern der Leipziger Suchtpolitik auch – der eines niedrigschwelligen und vor allem aufsuchenden Angebotes. Denn wenn Menschen mit Problemen den Weg zu den Hilfsangeboten nicht finden, braucht es mutige Sozialarbeiter, die das Gespräch mit den Betroffenen vor Ort suchen.
“Dieser erste Platz ist eine sehr schöne Würdigung unserer kommunalen Suchtpolitik in Leipzig, die dadurch gekennzeichnet ist, dass wir praktische Probleme mit unterschiedlichen Einrichtungen und Behörden gemeinsam und ganz konkret bewältigen”, betonte Bürgermeister Thomas Fabian beim Pressetermin am Mittwoch, 5. Juni, extra. Das Jahr 2012 war ja über einem völlig überflüssigen Zwist mit dem damaligen Leipziger Polizeipräsidenten hingegangen, der nun ausgerechnet in der Leipziger Präventionspolitik die Ursache für die steigende Beschaffungskriminalität in Leipzig ausgemacht hatte.
“Und die aufsuchende Sozialarbeit ist ein besonders erfolgversprechender Weg in der Suchtprävention”, betonte Fabian, der am Mittwoch das Preisgeld in Höhe von 10.000 Euro von der Stadt Leipzig an den für die Durchführung beauftragten Träger, die SZL Suchtzentrum gGmbH, weitergab.
Der Träger will das Preisgeld nutzen, einen Grundstock für eine Ausweitung des Angebotes zu legen. “Wir freuen uns sehr, dass das Leipziger Projekt ausgezeichnet wurde und wir freuen uns besonders, dass die Stadt Leipzig das Preisgeld an uns weiter reicht”, sagte Holger Herzog, Geschäftsführer der SZL Suchtzentrum gGmbH. “Das ist für uns Anerkennung unserer fachlichen und engagierten Arbeit und zugleich Ansporn, weiter intensiv am Thema zu arbeiten. Mit dem Preisgeld wollen wir ein Streetmobil mitfinanzieren, um schneller an die Plätze zu kommen und vor allem, um unseren Radius weiter vergrößern zu können.”
Denn bislang war das Projekt, das Ende 2009 startete, auf das EFRE-Fördergebiet im Leipziger Westen beschränkt. Die drei Sozialarbeiter, die im Dienst der Sache unterwegs waren, legten die Wege mit Fahrrädern zurück und betreuten dabei im Lauf der drei Jahre 53 verschiedene bekannte Trinkplätze. Sie sprachen 5.078 Mal mit Klienten.Ziel ist es, erwachsene Betroffene an den Stellen aufzusuchen, an denen sie sich zum Alkoholkonsum treffen, zum Beispiel vor Supermärkten und Haltestellen im Stadtgebiet. Das Ziel dabei: die Betroffenen möglichst frühzeitig in das Hilfesystem zu vermitteln, das es ja gibt in Leipzig. Der Tagestreff des Suchtzentrums gehört genauso dazu wie die Übernachtungshäuser der Stadt, aber auch die psychiatrischen und allgemeinen Krankenhäuser und die Entgiftungsstationen. Denn neben Arbeits- und Obdachlosigkeit macht vielen Betroffenen auch die schwere körperliche Beeinträchtigung durch Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit zu schaffen, genauso wie die psychische Instabilität.
Aber den Ausstieg oder zumindest den Weg zur Hilfe finden Viele nur, wenn sie ermutigt und begleitet werden. Was tatsächlich gelingt. Rund 500 Mal fanden die Angesprochenen binnen eines Jahres den Weg in den Tagestreff, rund 100 Mal auch den Weg in die Klinik. Es ist kein leichter und schon gar kein kurzer Weg, bestätigt Holger Herzog. Wirkliche Erfolge wird man erst im Lauf der Jahre erzielen. Aber erste Effekte spüren vor allem die Gewerbetreibenden im Leipziger Westen. Die Klagen bei Polizei und Ordnungsamt sind – nach Einschätzung von Bürgermeister Thomas Fabian – um rund 40 Prozent zurückgegangen. Und das auch, weil auch die betroffenen Gewerbetreibenden gelernt haben, öfter die Kommunikation zu suchen. Entweder durch kurzen Draht zu den Sozialarbeitern oder sogar im direkten Gespräch mit den Betroffen, die auch durchaus mal selbst mit anpacken, wenn es um die Reinigung ihrer Lieblingsplätze geht.
Das Ergebnis ist eine spürbare Entspannung für alle – auch für Bewohner und Geschäftsleute, die die Trinker nicht mehr gleich als akute Gefahr wahrnehmen und gemeinsam Handlungsoptionen entwickeln.
In Auswertung der Ergebnisse wird das Projekt seit 2012 über das Gesundheitsamt finanziert – mit 86.000 Euro werden zwei volle Sozialarbeiterstellen abgesichert. Es kann damit auch auf andere Stadtteile ausgeweitet werden. Die Erweiterung erfolgte ab Mai 2012 zunächst in den Stadtteil Grünau mit vier eingegrenzten Handlungsschwerpunkten. Aber mit einem Streetmobil wären auch andere Konfliktpunkte in Leipzig ansteuerbar, bestätigt Herzog. Der Handlungsradius würde sich spürbar erhöhen.
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Vierteljährlich gibt es ein Monitoring zur Qualitätssicherung. Hier arbeiten die Vertreter vom Ordnungsamt, Sozialamt, Amt für Jugend, Familie und Bildung, der Polizeidirektion Leipzig, des Verbundes gemeindenahe Psychiatrie, von Bürgervereinen und SZL Suchtzentrum gGmbH zusammen. Und es bestätigt eigentlich ein Grundprinzip sozialer Arbeit: Man muss nicht übereinander reden, sondern miteinander. Und zwar auch mit den Betroffenen selbst. Bei denen hat das oft den Effekt, dass sie vielleicht nicht beim ersten Mal kommen oder beim zweiten Ansprechen. “Manche kommen erst nach einer Weile, wenn sie sich selbst eingestehen, dass sie Hilfe brauchen”, erzählt Herzog. “Und manche bringen dann ihre Freunde mit. Das braucht alles seine Zeit.”
Manchmal werden die Trinkergruppen dann so klein, dass ein bislang beliebter Trinkplatz sich auflöst. Da die Betroffenen aber nicht einfach umziehen oder gar das Suchtmittel wechseln, verändert sich der Stadtbezirk eher auf stille Art. Was den drei Sozialarbeitern dann wieder Freiräume verschafft, sich um neue Herausforderungen zu kümmern.
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