Man vergisst es ja oft: Ein gesundes Leben ist nicht geschenkt. Und eine der Kehrseiten moderner industrieller Produktion ist auch: Viele Menschen ernähren sich falsch und bewegen sich zu wenig. Und die Leipziger sind keine Ausnahme, wie auch die LIFE-Gesundheitsstudie deutlichst bestätigte. Durchschnitt ist eben nicht gesund. Ein falsches Leben schlägt sich in negativen Gesundheitsparametern nieder.

Der allgemeine Gesundheitszustand der Leipziger Bevölkerung entspricht dem deutschen Durchschnitt, so ist zwar die erste Feststellung des Leipziger Forschungszentrum für Zivilisationserkrankungen (LIFE) nach einem Dreivierteljahr Datenerhebung anhand von 1.785 Leipziger Probanden. Allerdings nehmen auch hier Übergewicht, Diabetes und Bluthochdruck tendenziell deutlich zu. Das ist der zweite Satz.

Und der dritte ist eine alarmierende Feststellung: Überraschend für die Forscher: Ein Drittel der älteren Studienteilnehmer hat ausgesprochen junge Gefäße während bei zahlreichen Jüngeren unerwartet früh steife Gefäß und Ablagerungen an der Halsschlagader aufgefallen sind.

Zwei von drei Leipzigern sind übergewichtig

Seit Erhebungsbeginn konnten zwischen November 2011 und August 2012 genau 1.785 erwachsene Probanden untersucht und in die Studie aufgenommen werden. Die jetzt veröffentlichten Zwischenergebnisse beruhen auf den Auswertungen ihrer Daten und stellen eine erste Wegmarke im Leipziger Forschungsprojekt dar. Ihre Genauigkeit wird sich mit zunehmender Probandenzahl verbessern.

Was sich danach abzeichnet: Der Gesundheitszustand der Leipziger entspricht zwar dem der durchschnittlichen Bundesbevölkerung. Dementsprechend ist aber auch der Anteil an Probanden mit Übergewicht und Fettleibigkeit hoch. Weniger als 30 Prozent der über 60jährigen Probanden haben einen günstigen Body-Mass-Index von unter 25.

Auch Diabetes oder Verdacht auf Diabetes liegt in manchen Altersgruppen bei über 20 Prozent. Fettstoffwechselstörungen verschiedener Art betreffen in manchen Altersgruppen über 50 Prozent der Personen, Bluthochdruck sogar über 65 Prozent. Interessant sei, so erklären die Forscher, dass offenbar viele Personen mit Bluthochdruck davon wissen und in Behandlung sind, was auf eine gute hausärztliche Betreuung hindeutet.

Im Bereich der psychischen Gesundheit weisen unter den bisher registrierten Probanden etwa 6 Prozent eine klinisch relevante depressive Symptomatik auf.Junge Leipziger verstärkt von Fettstoffwechselstörungen und Allergien betroffen

Überraschendes haben neue Gefäßmessmethoden des LIFE-Forschungszentrums ergeben. Als Maß für Atherosklerose werden Messungen zur Steifigkeit von Arterien durchgeführt. Bislang wurde angenommen, dass deutliche Symptomatiken nur bei alten Menschen auftreten. Tatsächlich wurde aber bereits bei zahlreichen 30- bis 50-jährigen Gefäßsteifigkeit beobachtet, während etwa 30 Prozent der älteren Probanden vergleichsweise jugendliche Gefäße haben. Ähnlich stellen sich die Daten zur Bildung von Ablagerungen an der Halsschlagader dar.

Eine weitere Neuheit, eine laserbasierte optische Augenuntersuchung hat hervortreten lassen, dass die Netzhaut im Bereich des schärfsten Sehens schon bei zahlreichen 50-jährigen krankhaft verändert ist.

Beim Fettstoffwechsel sind einige Altersgruppen in relativ jungem Alter von ungewöhnlich veränderten Werten betroffen.

In allen Altersgruppen ist dagegen eine hohe Belastung mit verschiedenen Allergieformen aufgefallen.

Hinweise auf Ursachen von Zivilisationserkrankungen geben die Erkenntnisse noch nicht. Dazu müssen sie erst in Relation zu Daten über die individuellen Lebensstile und Erbfaktoren der Probanden gesetzt werden. Diese Auswertungen werden Mitte des kommenden Jahres erwartet.

Der Stand der Life-StudieNach aktuellem Stand konnten rund 3.000 Erwachsene in die Studie aufgenommen werden. Derzeit folgen etwa 40 Prozent der Leipziger Bürgerinnen und Bürger der schriftlichen Einladung. Dabei ist der Anteil bildungsnaher und gesundheitsbewusster Personen relativ hoch. Die Teilnahmerate berufstätiger und nicht berufstätiger Personen hält sich fast die Waage, jedoch stehen ältere Damen der Einladung reservierter gegenüber als ältere Herren. Zukünftig soll verstärkt für die Teilnahme geworben werden.

Die Probanden erwartet ein fünfstündiges, umfassendes Aufnahmeprogramm. Eingeschlossen sind körperliche und apparative Untersuchungen sowie ausführliche Befragungen unter anderem zu Lebensumständen und früheren Risikofaktoren. Die Resonanz ist überwiegend positiv. Darauf folgen die Probenanalysen und Datenverarbeitungen in den LIFE-Forschungslaboren. Die wichtigsten Untersuchungsergebnisse werden den Studienteilnehmer(inne)n anschließend in schriftlicher Form mitgeteilt. Alle Messdaten werden in einer standardisierten Form erhoben, so dass Vergleiche mit anderen Studien und Rückschlüsse auf regionale Besonderheiten möglich sind.

Bis Mitte 2014 muss die LIFE-Erwachsenenstudie ihr Ziel erreichen und rund 10.000 gesunde und erkrankte Probanden aufgenommen haben, ein in Deutschland bislang einmaliger Datensatz, um der Entstehung und Entwicklung von Zivilisationskrankheiten auf den Grund zu gehen. In ihn setzen nicht nur die Leipziger Wissenschaftler hohe Erwartungen. Er soll auch für die Politik und Gesundheitswirtschaft in Sachsen wegweisende Erkenntnisse für effektive Maßnahmen zur Gesundheitserhaltung und zum Versorgungsbedarf von Erkrankten liefern.

LIFE Child – ein gesundes Leben lernt man in der Kindheit

Auch Familien durchlaufen bei LIFE ein Untersuchungsprogramm. Ziel der Kinderstudie ist es, insgesamt 15.000 gesunde wie erkrankte Kinder und Jugendliche sowie ihre Eltern in eine Langzeitbeobachtung einzubeziehen. Wie Krankheiten entstehen und sich weiter entwickeln, kann hier ganz besonders genau verfolgt werden. Ebenso wie die kindliche Entwicklung vom Mutterleib bis zum Übergang ins Erwachsenenalter. Seit dem Startpunkt für die Hauptstudie im August 2011 haben bis heute 1.935 Familien den LIFE Child-Parcours durchlaufen.

Das Geschlechterverhältnis ist mit 50,8 Prozent Jungen und 49,2 Prozent Mädchen ausgeglichen, wobei im Jugendlichenalter mehr Mädchen und im Schulalter mehr Jungen teilnahmen. 272 Familien nahmen an einem weiteren Untersuchungstag das Programm der Adipositas-Teilstudie wahr, 146 Kinder blieben im Rahmen der Schlafuntersuchung über Nacht.

Seit November 2011 werden auch Schulklassen und ihre Lehrer einbezogen, bislang 15. Ihre Teilnahme ermöglicht ganz neue Rückschlüsse auf die soziale Interaktion in Klassen, die Dynamik von Klassenwechseln und das Lehrverhalten. Außerdem wird damit ein repräsentatives Abbild der Leipziger Bevölkerung geliefert. Die Schulklassen-Forschung in diesem Umfang ist einzigartig.

Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal stellt die Untersuchung möglichst beider Elternteile dar. Nach aktuellen Erkenntnissen haben Väter oder auch Lebenspartner der Mutter einen nicht unerheblichen Anteil an der Prägung des Kindes. Neben 3-dimensionaler Körpervermessung, Blutanalyse und Interviews stehen dabei auch Stimmanalysen auf dem Programm, bisher an 1.395 Müttern und 306 Vätern. Der Anteil von Familien mit Migrationshintergrund liegt aktuell bei 4,9 Prozent. 147 Schwangere nahmen teil, wobei inzwischen 60 “LIFE-Kinder” geboren wurden und weiter wissenschaftlich begleitet werden.

Nie wieder im Leben findet eine so starke Prägung statt wie im Kindesalter. Lebensstil, Wohnumgebung, Erziehung, familiäre Rituale, soziales Umfeld, Schule und natürlich die Erbanlagen nehmen entscheidenden Einfluss auf unser Verhalten, die Persönlichkeitsentwicklung, auf Berufs- und Partnerwahl, auf körperliche und geistige Fitness und damit auf die Entstehung von Krankheiten. All diese Aspekte bleiben in der Regel ein Leben lang stabil. Diese Vielzahl an Einflussfaktoren und ihr Zusammenspiel ist weitgehend unbekannt und soll in der LIFE Child Studie aufgedeckt werden.

www.uni-leipzig-life.de

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