Am 25. April ist der "Tag gegen Lärm", der 15. mittlerweile. Auch in Leipzig spielt er eine Rolle. Denn hier gilt genauso wie im Rest der Republik: In den letzten Jahrzehnten hat die Belastung der Bevölkerung durch Lärm erheblich zugenommen. 13 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner in Deutschland sind allein durch Straßenverkehr mit Geräuschpegeln belastet, die deutliche lärmbedingte Gesundheitsrisiken und zunehmende Schlafstörungen verursachen.
Bei jahrelanger Einwirkung von einem Pegel über LDEN 65 dB (A) tagsüber steigt bei Männern das Herzinfarktrisiko um 30 Prozent, belegt die NaRoMi-Studie des Umweltbundesamtes.
Jahrelang wurde versucht, besonders über die Senkung der Emissionsgrenzwerte der Fahrzeuge die Belastung durch Verkehrslärm zu senken. Die Emissionsminderung wurde jedoch durch die Steigerung der Anzahl der Fahrzeuge mehr als wett gemacht. Lärm ist mittlerweile ein gravierendes Umwelt- und Gesundheitsproblem. Nach neuesten Erkenntnissen kostet der Lärm in den Ländern Westeuropas die Bevölkerung 1 Million gesunde Lebensjahre.
Und wie sieht’s mit Wirtschaftseinbußen aus? Etwa durch Fluglärm? Lässt sich das kalkulieren? – Natürlich.
Um das Problem in den Griff zu bekommen, hat die EU 2002 die “Richtlinie 2002/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Juni 2002 über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm” – die sogenannte Umgebungslärmrichtlinie – beschlossen. Diese Richtlinie sieht vor, mittels Lärmkartierung, Aktionsplanung und anschließender Maßnahmenrealisierung die Lärmbelastung zu mindern.
Verantwortlich hierfür sind in erster Linie die Städte und Gemeinden.
Das Verfahren muss laut Richtlinie alle fünf Jahre wiederholt werden. Zur Zeit befindet sich die Umgebungslärmrichtlinie in der 2. Phase. Die 2. Phase schließt auch kleinere Gemeinden mit ein.
Der Tag gegen den Lärm findet seit 1998 jährlich im April statt. Der in den USA 1995 ins Leben gerufene “International Noise Awareness Day” will weltweit mit Aktionen auf Lärm als Umwelt- und Gesundheitsproblem aufmerksam machen. Mittlerweile sind in Europa unter anderem Österreich, Schweiz und Spanien beteiligt. In zahlreichen Städten Deutschlands finden am 25. April Veranstaltungen rund um Lärm, Lärmbelästigung, Lärmvermeidung statt.
Die Umgebungslärmrichtlinie gibt vor, dass in der 2. Phase die betroffenen Gemeinden bis zum 30. Juni 2012 die strategischen Lärmkarten erarbeiten. Das trifft auch auf die Gemeinden zu, die in der ersten Phase schon eine Lärmkartierung erstellen mussten – Leipzig zum Beispiel, das sich mit der Erstellung lange Zeit ließ und am Ende auch nur die Hälfte lieferte, fast die Hälfte des Stadtgebietes gar nicht kartierte mit der faulen Ausrede, dort sei die Bevölkerungsdichte niedriger als gefordert.
In Vorbereitung der neuen Lärmkartierung und der ab 2013 neu festzulegenden Aktionspläne fand 2011 schon ein Lärmforum statt, bei dem die Teilnehmer auch Fragebögen zu ihrem eigenen Lärmerleben ausfüllen konnten. 485 nahmen die Möglichkeit wahr. Und das Ergebnis wirft zumindest ein recht deutliches Licht auf den Leipziger Lärm. 78 Prozent der Fragebogenausfüller gaben an, vom Lärm stark bis sehr stark belastet zu sein. Bei dem Lärmquellen vorneweg war – wie zu erwarten – der Kfz-Verkehr mit 35 Prozent der Belästigung, weit dahinter Straßenbahn (14 Prozent) und Eisenbahn (10 Prozent). Doch schon erstaunlich stark präsent der Fluglärm: 23 Prozent.
Noch interessanter an dieser Abfrage ist die zeitliche Verteilung der Belastung. Während der Lärm der Straßenbahn im Tagesverlauf als gleichbleibend empfunden wird, sorgt der Kfz-Verkehr insbesondere in den Morgenstunden von 6 bis 8 Uhr für Störung – die Leipziger werden also vom anschwellenden Lärm der Autofahrer regelrecht aus dem Schlaf gerissen.
Ein Effekt, der deshalb besonders ins Gewicht fällt, weil eine andere Lärmquelle die Leipziger schon vorher immer wieder aus dem Schlaf gedröhnt hat: der Fluglärm. Die Aussage von fast der Hälfte der Forumsteilnehmer: Vom Fluglärm werden sie zwischen 22 und 6 Uhr massiv gestört. Schon die Bürgerbefragung 2008 hat einen ersten Eindruck vermittelt, wie viele Leipziger vom nächtlichen Fluglärm damals belastet waren – und zwar “stark bis sehr stark”. Und da hatte der Flugbetrieb auf der Startbahn Süd gerade erst begonnen.
Neun Prozent waren es übers ganze Stadtgebiet verteilt. Aber der Anteil war in den direkt überflogenen Wohngebieten wie Lützschena-Stahmeln mit 59 oder Böhlitz-Ehrenberg mit 43 Prozent logischerweise höher. Schon 2008 waren also rund 50.000 Leipziger vom Fluglärm stark bis sehr stark betroffen. In der Lärmkartierung der Stadt tauchte der Fluglärm freilich noch nicht auf. Aber das muss sich jetzt ändern.
Betroffene Gemeinden in der zweiten Phase der Lärmkartierung sind: Ballungsräume mit mehr als 100.000 Einwohnern, sämtliche Hauptverkehrsstraßen (3 Millionen Kfz im Jahr), Flughäfen mit mehr als 50.000 Flugbewegungen sowie alle Haupteisenbahnstrecken. Der Flughafen Leipzig/Halle hat mittlerweile deutlich über 60.000 Flugbewegungen im Jahr und mittlerweile finden bis zu 60 Prozent aller Flüge in der Nacht statt.
Da kann sich jeder einen Taschenrechner nehmen und einfach mit der Zahl von 2008 rechnen: Was bedeutet zum Beispiel dieser dauerhaft gestörte Schlaf bei 50.000 Leipzigern, von denen – nach Adam Ries – mindestens 20.000 berufstätig sind? Mal nur mit 1 Stunde Arbeitszeitausfall pro Woche gerechnet – durch Arztbesuche, Konzentrationsunfähigkeit, Übermüdung usw. Das ist nicht viel. Scheint es. Im Jahr sind das nur etwa 1 Millionen Stunden Ausfall. Wer bezahlt die? Der Arbeitgeber? Oder nur der Betroffene, der dann dafür länger arbeiten muss?
Und jetzt einfach mal eine Zahl, die ebenfalls im Statistischen Jahrbuch steht: Die Bruttowertschöpfung pro Arbeitsstunde und Erwerbstätigen lag 2008 in Leipzig bei 32,12 Euro. Der nächtliche Fluglärm hat also irgendwo in der Dimension von 30 Millionen Euro an wirtschaftlichem Schaden verursacht. Nur in Leipzig im Jahr 2008. Je mehr Menschen betroffen sind, umso höher ist dieser Wert natürlich.
Und man darf jetzt gespannt sein, ob die Stadt die geforderte Lärmkartierung bis zum Juni vorlegt.
Bis zum 18. Juli 2013 sollen dann die neuen Aktionspläne ausgearbeitet sein. Daran schließt sich die fortlaufende Umsetzung der geplanten Maßnahmen an. Und da wird es noch spannender. Denn die Einflussmöglichkeiten der Stadt zum Beispiel auf den Flughafen sind praktisch Null. Die Fluglärmkommission, über die die Interessen der Gemeinden normalerweise eingebracht werden können, ist ein zahnloser Tiger.
Die Maßnahmen im Lärmaktionsplan sind auch nicht einklagbar. So dass die Leipziger zwar im Sommer vielleicht wissen, wie viel Lärm sie tatsächlich aushalten müssen. Aber sie haben dann immer noch keine gesetzliche Handhabe in der Hand, eine Lärmminderung zu erzwingen. Nur eine politische. Das ja. Und vielleicht wären sie ganz gut beraten, von den Politikern, die sich 2013 und 2014 zur Wahl stellen, verpflichtende Maßnahmen zur Lärmminderung einzufordern.
Lärmschutz als Thema auf der Website der Stadt:
www.leipzig.de/de/buerger/umwelt/laerm/laerm-ziele-20101.shtml
Lärmforum 2011:
www.leipzig.de/imperia/md/content/36_amt_fuer_umweltschutz/laermschutz/laermforum_umfrage_ergebnisse.pdf#search=%22l%C3%A4rm%22
Keine Kommentare bisher