Mehrere antirassistische Organisationen kritisieren die Entscheidung des sรคchsischen Innenministeriums, den 2018 getรถteten Christopher W. nicht mehr als Opfer rechter Gewalt einzustufen. Die Gruppe โ€žRassismus tรถtet!โ€œ reagierte โ€žwรผtendโ€œ auf den Vorgang; die Opferberatung โ€žSupportโ€œ sieht darin ein โ€žfalsches Signalโ€œ. Ostersamstag ist eine Solidaritรคtskundgebung in Aue geplant.

Am Montag war bekanntgeworden, dass das Innenministerium die Tรถtung von Christopher W. im April 2018 in Aue nicht mehr als rechtsmotiviert einstuft. Grundlage fรผr die im vergangenen November getroffene Entscheidung sei das Urteil des Landgerichts Chemnitz im Jahr 2019 gewesen. Dieses hatte kein rechtes oder homofeindliches Tatmotiv benannt. Die Entscheidung wurde aufgrund einer Kleinen Anfrage der Landtagsabgeordneten Juliane Nagel (Linke) bekannt.

โ€žWir haben keine Zweifel an der bisher korrekten Einordnung der Tรถtung als politisch motivierte Gewalttat durch das LKA im Jahr 2019โ€œ, so Andrea Hรผbler, Co-Geschรคftsfรผhrerin des Demokratie- und Bildungsvereins RAA Sachsen, in einer Pressemitteilung. โ€žDie Ausstufung ist angesichts der bekannten Fakten nicht nachvollziehbar.โ€œ

Viele Anhaltspunkte fรผr rechtsmotivierte Tat

Vieles spreche fรผr eine rechtsmotivierte Tat: Das Opfer wurde bereits vor seinem Tod homofeindlich beleidigt und angegriffen, die Tรคter sind dem rechtsradikalen Spektrum zuzuordnen und das Verbrechen geschah mit groรŸer Brutalitรคt.

Anna Schramm, Opferberaterin im RAA-Projekt โ€žSupportโ€œ, spricht von einem โ€žvรถllig falschen Signalโ€œ. Noch immer wรผrden viele Opfer queerfeindlicher Straftaten diese nicht zur Anzeige bringen. โ€žSichtbar queere Menschen leben gefรคhrlich in Sachsen.โ€œ

Die Gruppe โ€žRassismus tรถtet!โ€œ bemรผht sich seit mehr als einem Jahrzehnt darum, dass Opfer rechter Gewalt als solche anerkannt werden. 2014 initiierte die Gruppe die Ausstellung โ€žDie verschwiegenen Totenโ€œ, die unter anderem im Leipziger Rathaus zu sehen war. Initiativen wie diese dรผrften mitverantwortlich dafรผr gewesen sein, dass beispielsweise der 2003 in Leipzig getรถtete Thomas K. mehr als zehn Jahre spรคter offiziell als Todesopfer rechter Gewalt anerkannt wurde.

Jahrzehntelange Auseinandersetzung

Angesichts der jรผngsten Entscheidung spricht die Gruppe in einer Stellungnahme davon, dass sich in 25 Jahren die Auseinandersetzung mit rechter Gewalt kaum verbessert habe. โ€žEs scheint, als wรผrde jeder Strohhalm genutzt, um rechtsmotivierte Tรถtungsdelikte nicht als solche benennen zu mรผssenโ€œ, so Sprecher Hannes Heinze. โ€žEs ist unfassbar und macht wรผtend, immer wieder um jedes Todesopfer rechter Gewalt mit Behรถrden streiten zu mรผssen.โ€œ

Diese Wut dรผrfte wohl auch am 19. April zu spรผren sein. Am Ostersamstag veranstaltet die im Erzgebirge aktive Gruppe โ€žSpektrum 360โ€œ eine Gedenkdemonstration fรผr Christopher W. in Aue. Start ist 14 Uhr am Bahnhof.

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