Das Kürzel NGO ist zum Kampfbegriff nicht nur bei CDU und CSU geworden. Was ist aber gemeint? Was wollen CDU/CSU, in Person von Friedrich Merz und Markus Söder, mit der Propaganda gegen NGOs erreichen und warum ist in der Überschrift von Lobbyisten die Rede? Beginnen wir mit den NGOs und einem Beispiel. Was bedeutet eigentlich das Kürzel NGO? Es ist selbstverständlich aus dem Englischen und heißt „Non-Governmental Organization“, zu Deutsch „Nichtregierungsorganisation“.
Im Politlexikon der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) heißt es dazu: „NGOs sind Organisationen, die auf der Basis privater Initiative transnationale politische und gesellschaftliche, aber auch soziale oder ökonomische Ziele vertreten. NGOs übernehmen im Prozess der politischen Willensbildung vor allem die Artikulationsfunktion. Dies erreichen NGOs durch Themensetzung in den Medien, der politischen Vertretung Interessen über nationale Grenzen hinweg sowie durch konkrete Projektarbeit.“
So weit, so gut, NGOs werden nicht gewählt, sondern leben vom Engagement ihrer Gründerinnen und Gründer und der Unterstützerinnen und Unterstützer.
In der kleinen Anfrage der CDU/CSU-Fraktion an die Bundesregierung wird mit den Fragen 353 bis 385 explizit nach der NGO „Agora Energiewende gGmbH“ gefragt. Leserinnen und Leser erinnern sich an die Affäre Graichen, schon damals schrieb die „Welt“: „Die Frage nach dem Einfluss von Agora ist wichtiger als dienstrechtliche Verfehlungen Graichens.“
Wichtiger als welche dienstrechtlichen Verfehlungen? Ja, es ging um die sogenannte „Trauzeugenaffäre“. Der Angriff richtete sich weniger gegen Graichen selbst, als gegen Wirtschaftsminister Robert Habeck. Das Ganze geschah Mitte des Jahres 2023 und war Teil einer konzertierten Aktion gegen die Energiewende, besonders das sogenannte „Heizungsgesetz“.
Was ist die Agora Energiewende gGmbH? Sie ist ein Think-Tank und hat sich eine Aufgabe gestellt: „Agora Energiewende entwickelt wissenschaftlich fundierte und politisch umsetzbare Konzepte für einen erfolgreichen Weg zur Klimaneutralität.“
Über die Finanzierung ihrer Arbeit berichtet die Agora Energiewende jährlich. Eine Beteiligung der NGO, die über die Involvierung von Mitgliedern und Sympathisanten hinausgeht, bei den Demonstrationen gegen die Migrationspolitik der CDU/CSU ist nicht nachweisbar.
Die Agora Energiewende wurde als Beispiel gewählt, weil Friedrich Merz am 21. Februar explizit auf den Einfluss von NGOs im Wirtschaftsministerium wetterte – siehe oben. Markus Söder sprang auf diesen Zug auf und verschärfte die Tonart sogar noch. In der Welt vom 1. März tönte er: „Gerade in Ministerien der Grünen haben sich NGOs wie Kraken ausgebreitet“.
Man kann also mit Fug und Recht sagen, dass der Einfluss von NGOs von CDU und CDU als schädlich betrachtet wird.
Was ist mit dem guten alten Lobbyismus?
Lobbyismus ist per se ja nichts Schlechtes. Schaut man ins Politiklexikon der bpb, dann steht da:
„Interessengruppen bzw. Verbandsvertreter, die in modernen Demokratien versuchen, auf politische Entscheidungen Einfluss zu nehmen, und dabei v. a. auf Parteien, Abgeordnete und Regierungen, Verwaltung, aber auch auf die Öffentlichkeit und die Medien Druck ausüben. In pluralistischen Gesellschaften sind die Aktivitäten der Interessengruppen/Interessenverbände wesentlicher Teil politischer Entscheidungsprozesse.“
Nach dieser Definition sind NGOs, als Interessengruppen, also Lobbyisten. Schaut man in das Lobbyregister für die Interessenvertretung gegenüber dem Deutschen Bundestag und der Bundesregierung, nachfolgend Lobbyregister genannt, dann findet man dort bei 5.957 Registereinträgen einen 4,28 Prozentanteil an NGOs.
Die „Omas gegen Rechts“ und Correctiv sind im Register nicht zu finden, sie lobbyieren also nicht. Attac ist als NGO gelistet und Amadeu Antonio und Agora Energiewende sind als „Privatrechtliche Organisation mit Anerkennung der Gemeinnützigkeit nach Abgabenordnung“ gelistet. Selbstverständlich sind sie alle NGOs nach der obigen Definition.
Bleiben wir bei der Agora Energiewende, die ja scheinbar so großen Einfluss im grün geführten Wirtschaftsministerium hatte. Im Lobbyregister ist sie nur ein Teil der Agora Think-Tanks gGmbH, sämtliche Angaben zu den Finanzen sind also nur für die gesamte Gesellschaft zu lesen.
Ein anderer Lobbyist im Register ist Enpal B.V., wir erinnern uns an die Rede von Friedrich Merz bei der Eröffnung der Wärmepumpenakademie von Enpal im Juni 2024. Der Bundesverband Wärmepumpe (BWP) e.V. ist ebenfalls im Lobbyregister zu finden. Auch wenn Jens Spahn, der als Wirtschaftsminister unter Merz gehandelt wird, im November 2024 auf dessen Verbandstag sagte: „Für Unsinn gibt es keine Planungssicherheit: Er wird sich wohl mit diesen Lobbyisten und seinem Bundeskanzler auseinandersetzen müssen.
Wir werden auch sehen, wie Jens Spahn, bekanntermaßen ein Fan von „grünem Öl“, mit einem Lobbyisten wie Mobil in Deutschland e.V. umgeht, sollte er wirklich Wirtschaftsminister werden. Es gibt wohl einen Unterschied beim Lobbyismus. Nach Ansicht von CDU/CSU sind NGOs und andere Akteure ohne wirtschaftliches Interesse, die krakenhaft Ministerien unterwandern, schlecht. Der gute alte Lobbyismus durch Unternehmen und Wirtschaftsverbände ist dagegen normal.
Fazit: Wenn CDU und CDU gegen NGOs und deren Einfluss vorgehen, dann zeigen sie deutlich, dass sie gegen den Einsatz für Natur, Klima, Menschenrechte und ähnliches durch Akteure der Zivilgesellschaft sind. Es zählen nur knallharte wirtschaftliche Interessen. Das kann in den nächsten Jahren spannend werden.
Empfohlen auf LZ
So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:
Es gibt 2 Kommentare
Es ist wie immer wieder zweischneidig, für die Einen ist die Eigenbedarf wichtig, für die Anderen der Gesamtzusammenhang.
Und so einer ist nun unser Kanzler.
Hat sich nicht im Griff. Söder, Spahn und Scheuert noch dazu – perfekt. 🙁