Über den Auftritt des amerikanischen Vizepräsidenten J.D. Vance am vergangenen Wochenende auf der Münchner Sicherheitskonferenz konnte nur der oder die überrascht sein, der:die bis jetzt die Augen verschlossen hat vor der politischen Priorität der Trump-Administration: die freiheitliche und rechtsstaatliche Demokratie zu zerstören – nicht nur in den USA, sondern auch in den Ländern der Europäischen Union (EU), als konsequente Fortsetzung und Vollendung von Donald Trumps Putschversuch vom 6. Januar 2021 und der Verwüstung des Capitols durch seine Anhänger.
Seit über 10 Jahren haben die Propheten der Trump-Musk-Heritage Foundation-Bande wie der Chefideologe Trumps, Steve Bannon, systematisch rechtsextremistische Gruppierungen und Parteien in Europa unterstützt und vernetzt, mit dem Ziel, die EU von innen zu zersetzen. Dabei konnte Bannon beträchtliche Erfolge erzielen: der Austritt Großbritanniens aus der EU, autokratische Systeme in Ungarn und der Slowakei, rechtsnationalistische Parteien in Regierungsverantwortung in den Niederlanden und Italien, starke rechtsextremistische Parteien in Frankreich, Österreich, Schweden, Finnland, Deutschland.
Seit über 10 Jahren treffen sich die Rechtsextremisten Europas zumeist in Ungarn, um sich dort ideologisch einzuschwören auf die drei Grundsäulen der Rechtsnationalisten „Gott, Vaterland, Familie“ und Strategien zu entwickeln, die Europäische Union erodieren zu lassen. Dass damit die Trump-Musk-Heritage-Foundation-Bande letztlich das gleiche Ziel verfolgt wie Russland, nämlich Europa politisch und wirtschaftlich zu paralysieren, gehört zu den ernüchternden Erkenntnissen der vergangenen Wochen.
Insofern war es nur konsequent, dass J.D. Vance in München eines der Hauptnarrative der Rechtsextremisten, dass in Europa keine Meinungsfreiheit mehr herrsche, als die eigentliche Bedrohung Europas herausstellte. Da konnte es auch nicht mehr überraschen, dass er Deutschland dazu aufforderte, die rechtsextreme AfD als normale Partei zu behandeln.
Klar, dass er sich in München demonstrativ mit der Kanzlerkandidatin der AfD, Alice Weidel, traf – ganz im Sinn des den globalen, antidemokratischen Feldzug der Trump-Administration finanzierenden Oligarchen Elon Musk und seines Goebbels-affinen Propagandafeldzuges für eine faschistische Umwertung der Werte und gegen Meinungsvielfalt.
Vance und Musk ersehnen nichts mehr als ein völkisch-nationalistisches Deutschland, das seine Kraft in Rivalitäten mit den anderen europäischen Nationalstaaten vergeudet und damit zur Manövriermasse und wirtschaftlichen Beute imperialistischer USA wird. Mehr noch: Eine in Nationalstaaten zerfallene EU, die sich im Endstadium gegenseitig kriegerisch bekämpfen, kann dann in weiten Teilen Russland überlassen werden. Solche Andeutungen hatte Trump schon kürzlich gemacht.
Zugegeben: Wenn ich solche Zeilen schreibe, erstarren meine Finger und mir stockt der Atem. Denn ich möchte – wie viele andere – nicht wahrhaben, dass so systematisch und offensichtlich seit Jahren geplant die europäische Friedensordnung von skrupellosen, blasphemisch aufgeblasenen Egomanen zerrieben wird. Doch leider kann ich im Agieren der Trump-Musk-Heritage-Foundation-Bande derzeit nichts anderes erkennen: Zerstörung aller Rechtsnormen und internationalen Vereinbarungen, um rücksichtslos und mit imperialem Anspruch die eigenen Interessen durchzusetzen.
Genau das spiegelt sich wider in der Beanspruchung des Gaza-Streifens durch die Trump-Administration und in den sog. Friedensverhandlungen zwischen Putin-Russland und der Trump-Administration. Da wird die Ukraine zum Spielball, zur Manövriermasse von zwei Autokraten, für die Menschenwürde, Menschenrechte, Ehrfurcht vor dem Leben Fremdwörter sind.
Die jetzt begonnenen sog. „Friedens“-Verhandlungen, ohne Beteiligung der Ukraine und der EU, werden dazu genutzt, Europa von Osten her durch Putin-Russland und von Westen her durch die Trump-Administration zu zerstören. Wer davor die Augen verschließt, der ist ein Tölpel.
Die Konsequenzen, die sich aus diesem bedrohlichen Szenario ergeben, sind vielfältig. Die EU und insbesondere Deutschland müssen zum einen jede normale, partnerschaftliche Kooperation mit der Trump-Administration einstellen. Mit Politiker/-innen und Regierungen, die die Demokratie und den Rechtsstaat bewusst zerstören, kann es keine sog. Wertegemeinschaft geben.
Zum anderen muss die Verbindung zu den Menschen und Institutionen der Länder aufrechterhalten bleiben, die sich von der rechtsstaatlichen Demokratie verabschiedet haben. Diese Gradwanderung steht uns im Blick auf die USA jetzt bevor. Spätestens dann, wenn die Trump-Administration ihre Okkupationspläne im Blick auf Kanada, Grönland, Panama, Gaza umsetzt, wird es zum Schwur kommen.
Ähnliches gilt auch dann, wenn sich Putin und Trump auf einen Diktat-„Frieden“ für die Ukraine einigen sollten. Dann werden Deutschland und die EU entscheiden müssen, ob sie die Souveränität einer freien Ukraine weiter verteidigen wollen oder ob sie die Ukraine aufgeben und damit Russland überlassen. Doch das Wichtigste ist: Wir dürfen in Deutschland nicht zulassen, dass die Putin- und Trump-Anhänger/-innen, dass rechtsextremistische Gruppierungen und Parteien wie die AfD das Sagen bekommen.
Dies ist die Aufgabe und Verantwortung eines jeden Bürgers, einer jeden Bürgerin in Deutschland. Die Weichen dafür werden schon am kommenden Sonntag bei der Bundestagswahl gestellt. Darum ist entscheidend, dass der Stimmenanteil der AfD so gering wie möglich ausfällt. Eine Stimme für die AfD ist eine Stimme gegen den Frieden, gegen Europa und für Kriegstreiber und Menschenverachter wie Putin und die Trump-Musk-Heritage-Foundation-Bande. Diesem Verhängnis müssen wir widerstehen.
Christian Wolff, geboren am 14. November 1949 in Düsseldorf, war 1992–2014 Pfarrer der Thomaskirche zu Leipzig. Seit 2014 ist Wolff, langjähriges SPD-Mitglied, als Blogger und Berater für Kirche, Kultur und Politik aktiv. Er lebt in Leipzig und ist gesellschaftspolitisch in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens engagiert. Zum Blog des Autors: https://wolff-christian.de/
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