Morgen wählt Deutschland einen neuen Bundestag. Wer sein Mitbestimmungsrecht auf dem Wahlzettel nutzen darf, ist klar geregelt – doch wie sieht es eigentlich bei Untersuchungs- und Strafgefangenen aus? Per se verlieren auch diese nach einer Inhaftierung nicht ihr aktives Wahlrecht, allerdings gibt es praktische Barrieren für die Ausübung. Wir haben bei der JVA Leipzig nachgefragt.

Das Wichtigste vorab: Nein, ein Freiheitsentzug durch Untersuchungs- bzw. Strafhaft reicht schon vom Grundgesetz her nicht, Personen von der Ausübung des aktiven Wahlrechts auszuschließen. Auch wer wegen einer schwerwiegenden Straftat wie Mord, Totschlag oder Vergewaltigung hinter Gittern sitzt, darf meist sein Kreuzchen machen.

Eine Ausnahme greift bei einigen (nicht allen) politischen Delikten, wo ein Richterspruch das aktive Wahlrecht befristet aberkennen kann: Hoch- und Landesverrat fallen darunter, Agententätigkeit, aber auch Wahlfälschung oder Wahlbehinderung.

Wer also inhaftiert ist, aber nicht unter einen Ausschluss des Wahlrechts fällt, das 18. Lebensjahr vollendet sowie mindestens drei Monate eine Wohnung in der BRD hat (oder sich sonst gewöhnlich hier aufhält) und die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, kann laut Bundeswahlgesetz mitbestimmen. In der JVA Leipzig mit Krankenhaus trifft das (Stand 21. Februar 2025) voraussichtlich auf 178 Personen zu, teilt Anstaltssprecherin Nadine Schönfelder auf LZ-Anfrage mit. Insgesamt waren zum Stichtag 382 Menschen hier inhaftiert.

Stimmabgabe im sächsischen Knast: Briefwahl ist der Regelfall

Wie in Deutschland meist üblich, greift auch die JVA in Leipzig-Meusdorf für die Gefangenen bevorzugt auf die Möglichkeit der Briefwahl zurück. Zwar gäbe es die Bundeswahlordnung (BWO) her, eigene Wahllokale hinter Gittern zur Stimmabgabe einzurichten. Die JVA Leipzig setzt dies aber, ebenso wie alle anderen Gefängnisse Sachsens, nicht um.

„Über die Bundestagswahl und den genauen Ablauf wurden die Inhaftierten mittels Aushang rechtzeitig vorab informiert. Die Unterlagen zur Briefwahl muss jede/-r selbst schriftlich anfordern. Die Gefangenen können den Antrag sowie den verschlossenen Wahlbrief in den üblichen Postgang geben oder bei einer bzw. einem von der Anstaltsleitung zu bestimmenden Anstaltsbediensteten abgeben“, beschreibt Sprecherin Schönfelder den organisatorischen Ablauf der anstehenden Wahl in der JVA.

Innenhof der JVA Leipzig. Foto: Lucas Böhme
Innenhof der JVA Leipzig mit Haftgebäuden in der Leinestraße. Foto: Lucas Böhme

„Die Gefangenen sind über diese Möglichkeit zu belehren, gegebenenfalls ist auf eine Verzögerungsgefahr bei Benutzung des üblichen Postweges hinzuweisen. Dennoch sollte der reguläre Postweg bevorzugt werden.“ Wird der amtliche Wahlbriefumschlag genutzt, gibt es dabei keine Überwachung, auch nicht bei Untersuchungsgefangenen, erklärt Nadine Schönfelder: „Wahlbriefe von Untersuchungshaftgefangenen werden deshalb unmittelbar dem auf dem Wahlbriefumschlag genannten Adressaten zugeleitet.“

Wahlbeteiligung vermutlich gering

Neben der Briefwahl steht für Inhaftierte (auch in Leipzig) übrigens noch die gesetzliche Option offen, die Stimme direkt im jeweils zuständigen Wahlbezirk abzugeben oder, mithilfe eines Wahlscheins, in einem beliebigen Wahlbezirk des Wahlkreises. Quasi der klassische Weg, wie die meisten ihn kennen. In diesen Genuss kommen real freilich nur Gefangene, denen die Anstaltsleitung einen Ausgang genehmigt hat. Die Briefwahl bleibt also der Normalfall.

Interessant wäre freilich, wie hoch die Wahlbeteiligung hinter Gittern ausfällt. Hierzu jedoch gibt es auf Bundesebene keine offizielle Statistik. Eine Erhebung zur Bundestagswahl 2021 aus Hessen ermittelte lediglich eine Quote von 23,6 Prozent unter Gefangenen (zum Vergleich: In ganz Hessen lag die Beteiligung damals bei 76,2 Prozent). In der JVA Leipzig sei die Zahl derer, die ihr aktives Wahlrecht nutzen, nicht bekannt, so Anstaltssprecherin Nadine Schönfelder. Auch zu den letzten Wahlen lägen keine Daten vor.

Zu vermuten ist, dass die Zahl auch hier überschaubar ausfällt. Es mag oft daran liegen, dass Gefangene andere Sorgen haben als die große Politik. Ein Grund könnte aber auch sein, dass der Zugang zu Informationsmöglichkeiten (etwa Wahlprogramme) ungleich schwerer ist als für Menschen in Freiheit. Insoweit bleibt auch die Frage der Parteienpräferenz Gefangener spekulativ.

Last but not least: Die Möglichkeit, das aktive Wahlrecht abzuerkennen, ist in Deutschland, wie beschrieben, recht begrenzt. Beim passiven Wahlrecht besagt die generelle Regelung des Strafgesetzbuches: Wer rechtskräftig wegen eines Verbrechens zu mindestens einem Jahr Haft (mit oder ohne Bewährung) verurteilt wird, verliert das passive Wahlrecht für fünf Jahre, kann sich folglich in dieser Zeit nicht in ein öffentliches Amt wählen lassen.

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