Donald Trump konnte als US-Präsident sein Wahlkampfversprechen zur Abschiebung illegaler Migranten umsetzen, dank seiner Befugnis, per Dekret (Executive Order) zu regieren. Diese Anordnungen sind für Bundesbehörden verbindlich, auch wenn Gerichte sie anfechten können. Anders ist das im parlamentarischen System der Bundesrepublik. Wenn Friedrich Merz sagt, er wolle, sollte er Bundeskanzler werden, per Richtlinienkompetenz das Asyl- und Aufenthaltsrecht ändern, dann ist das eine Nebelkerze.
Entweder versteht Merz die parlamentarische Demokratie nicht oder er befindet sich auf dem Weg in die Autokratie. Vielleicht ist er auch nur insgeheim neidisch auf den US-Präsidenten und seine Befugnisse, oder er will Wählerinnen und Wählern Sand in die Augen streuen.
Was ist die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers? Schauen wir ins Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Artikel 65: „Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik und trägt dafür die Verantwortung. Innerhalb dieser Richtlinien leitet jeder Bundesminister seinen Geschäftsbereich selbständig und unter eigener Verantwortung. Über Meinungsverschiedenheiten zwischen den Bundesministern entscheidet die Bundesregierung. Der Bundeskanzler leitet ihre Geschäfte nach einer von der Bundesregierung beschlossenen und vom Bundespräsidenten genehmigten Geschäftsordnung.“
Ein Bundeskanzler Merz kann also die Richtlinie „Wir wollen weniger Migration und nicht aufenthaltsberechtigte Migrantinnen und Migranten zügig abschieben. Wir wollen auch Straftätern, im Falle der doppelten Staatsbürgerschaft, die Deutsche Staatsbürgerschaft aberkennen können“ setzen. Daran müssen sich die Bundesminister halten und „selbständig und unter eigener Verantwortung“ handeln.
Was bedeutet das?
Als Erstes wäre das Bundesministerium für Justiz am Zuge. Dieses müsste die Durchführbarkeit der Maßnahmen und die Notwendigkeit des Erlasses entsprechender Gesetze prüfen. Eventuelle Gesetzesänderungen oder neue Gesetze gingen dann durch den Bundestag und, wenn erforderlich, durch den Bundesrat. Erst, wenn diese beschlossen sind, kann das Ministerium des Innern und für Heimat handeln. Gerade im Falle des Entzuges der Staatsbürgerschaft käme auf jeden Fall auch das Bundesverfassungsgericht zum Zuge.
Beispielhaft wäre die Aufhebung des Anspruches, Rechtsmittel gegen Abschiebungen einzulegen, dazu wäre eine Änderung des Asylgesetzes (AsylG), zumindest Abschnitt 9, erforderlich. Der Bundeskanzler hat eben „nur“ eine Richtlinienkompetenz, keine US-präsidialen Rechte. Ein solches Verfahren könnte durchaus die gesamte Legislatur dauern und der Ausgang ist fraglich.
Also alles gut, oder?
Nein, es ist nichts gut. Allein die Überlegung, beziehungsweise die Ankündigung einer solchen Vorgehensweise durch den Spitzenkandidaten einer demokratischen Partei ist gefährlich.
Sie lässt an schlimme Zeiten denken, in denen per Ermächtigungsgesetz die parlamentarische Demokratie, zu Gunsten einer Autokratie, abgeschafft wurde. Wie gesagt, sie lässt daran denken. Man darf davon ausgehen, dass Friedrich Merz das nicht will. Im Gegensatz zu mindestens einem politischen Mitbewerber.
Warum spielt er dann mit diesen Worten? Vielleicht will er sich als der starke Mann aufstellen, der Probleme schnell lösen kann – wer weiß? Es ist aber anzunehmen, dass selbst ein Markus Söder einem Bundeskanzler Merz nicht zu präsidialen Rechten verhelfen würde.
Fazit: Friedrich Merz weiß genau, was die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers bedeutet, er will vor der Wahl den starken Mann spielen und damit Stimmen von rechts holen. Das wird nicht funktionieren, wie die letzten Wahlumfragen zeigen. Menschen, die (egal aus welchen Gründen) unser demokratisches System ablehnen, wählen im Zweifelsfall das Original – nicht die schlechte Kopie. Es wäre wünschenswert, wenn Friedrich Merz sich auch sprachlich zurücknehmen würde. Das täte unserer Demokratie gut.
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