Sollten Sie sich bei der Überschrift an den Film „Menschen Tiere Sensationen“ von und mit Harry Piel oder die gleichnamige Zirkusshow erinnern, dann haben Sie vollkommen recht. Was ist emotionaler als ein Zirkusbesuch oder eben ein Wahlkampf, zumal dieser in der emotional aufgeladenen Zeit des Jahresanfangs stattfindet? Emotionen beim Zirkusbesuch finden die Meisten normal. Allerdings gibt es Menschen, die meinen, diese hätten im Wahlkampf nichts zu suchen.

So ein – nicht wirklich wichtiges – CDU-Mitglied. Gundolf Siebeke aus Köln meint, dass Frauen zu labil und emotional wären für die Ausübung des Wahlrechts.

Es geht aber nicht um diese Auslassungen, es geht um die Frage „Wie emotional darf Wahlkampf sein?“ und ob Robert Habeck wirklich als einziger Emotionen bedient.

Was sind diese Emotionen?

Googeln Sie mal den Begriff, dann finden Sie eine Vielzahl von Emotionsdefinitionen, da ist für jeden etwas dabei. Für die weitere Betrachtung nehmen wir die sieben Basisemotionen nach Paul Ekman, die zwar strittig sind, aber sich gut zur Illustration eignen. Diese sind Wut (anger), Verachtung (contempt), Abscheu (disgust), Freude (enjoyment), Angst (fear), Traurigkeit (sadness) und Überraschung (surprise).

Wie emotional ist nun der aktuelle Wahlkampf? Besser gesagt: Welche Emotionen werden bei Männern und Frauen hervorgerufen?

Eines der dominierenden Themen ist die „illegale Migration“, die von konservativen und rechten Politikern instrumentalisiert wird. Auf Männer zugeschnittener Wahlkampf soll Wut und Abscheu hervorrufen. Die Argumente gehen von „Die vergewaltigen unsere Frauen“ über „Die kosten zu viel Geld“ bis „Die nehmen uns die Arbeitsplätze weg“, wobei der zweite und dritte sich widersprechen. Das merkt aber im Wahlkampf kaum jemand. Schaut man sich auf Männeremotionen gerichtete Reden von Politikerinnen und Politikern an, schwankt deren Mimik meist zwischen diesen beiden Emotionen.

Beim gleichen Thema, an Frauen gerichtet, wird eine besorgte, zwischen Angst und Traurigkeit schwankende Miene aufgesetzt.

Beim Klimaschutz geht es genauso emotional zu. Anlassbezogen nehmen wir die Silvesterböllerei. Da wird, männlich konnotiert, die Wut wegen der Bevormundung durch die Politik, weiblich die Traurigkeit im Gewande der Besorgnis um Freiheitsrechte angesprochen.

Natürlich wird auch von der anderen Seite der Wahlkampf emotional geführt. Von links mit Wut auf und Verachtung für das kapitalistische System und dem Kümmerer-Image von Politikern, welches immer den Ausdruck von Traurigkeit hat.

Auch bei den Grünen ist das so: Angst vor dem Klimakollaps, Traurigkeit über verpasste Chancen, Wut und Abscheu für das System, welches den Klimawandel befördert.

Die Emotion Überraschung kommt ziemlich kurz. Höchstens wenn sich AfD-Politikerinnen und Politiker als homosexuell outen oder wenn Friedrich Merz plötzlich mehr Wärmepumpen fordert, tritt diese auf.

Was im Wahlkampf fehlt, ist das Vergnügen. Vielleicht wäre hier der Begriff Zuversicht angebracht. Wer sagt eigentlich mal „Es wird besser, weil …“ ohne den Zusatz „nur wenn ihr mich wählt“?

Emotionen sind also die Grundlage jedes Wahlkampfes, egal ob sich dieser an Wählerinnen oder Wähler richtet. Die meisten Menschen reagieren auf die emotionale Ansprache mehr als auf rationale Argumente. Wobei Frauen am Ende rationaler wählen, weil diese (das könnte man als sexistisches Klischee bezeichnen) berechnen, was sie von ihrer Wahlentscheidung haben.

Fazit: Ob Frau, ob Mann, wir werden alle im Wahlkampf auf emotionaler Ebene angesprochen. Es ist aber ein Klischee, dass Frauen emotionaler wählen. Am Ende wählen Menschen nach Emotion oder Ratio – das muss jede und jeder selbst entscheiden. Der Unterschied zum Zirkus liegt darin, dass bei diesem Freude und Überraschung dominieren.

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