Am 7. Januar 2005 starb der aus Sierra Leone geflüchtete Oury Jalloh in einer Gewahrsamszelle im Polizeirevier Dessau. Genau 20 Jahre später soll mit einer Demonstration an ihn erinnert werden. Unter anderem aus Leipzig ist eine gemeinsame Anreise geplant.

Der Tod von Oury Jalloh sorgt seit 2005 für Wut und Spekulationen. Zahlreiche zivilgesellschaftliche Gruppen vermuten oder sind sich sicher, dass Jalloh von Polizisten getötet wurde. „Oury Jalloh, das war Mord“ gehört daher zu den häufigsten Parolen, die auf den jährlichen Gedenkdemonstrationen zu hören und zu lesen sind.

Laut offizieller Darstellung soll es dem stark alkoholisierten und gefesselten Mann gelungen sein, mit einem Feuerzeug seine Matratze in Brand zu setzen. Er starb später an den Brandverletzungen. Zu den zahlreichen Ungereimtheiten gehört, dass die Polizisten jenes Feuerzeug bei einer vorherigen Durchsuchung nicht gefunden hatten.

Gutachten stärken die Mordthese

Verschiedene Untersuchungen, die auf zivilgesellschaftliche Initiativen zurückgehen, haben seitdem nahegelegt, dass Jalloh vor seinem Tod misshandelt wurde und dass es kaum möglich war, dass sich das Feuer ohne Brandbeschleuniger so schnell hätte ausbreiten können. Es gibt daher den Verdacht, dass die Polizisten sowohl Gewalt gegen Jalloh als auch frühere Todesfälle in dem Revier vertuschen wollten.

Widersprüche und Fehlverhalten gab es auch im Zuge von Gerichtsverfahren. Ein Richter beklagte, dass beteiligte Polizisten gelogen und eine Aufklärung „verunmöglicht“ hätten. Im Jahr 2012 wurde ein Dienstgruppenleiter wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 90 Euro verurteilt. Er habe mehrmals den Feueralarm ignoriert.

Die Demonstrationen in Dessau finden seitdem jährlich statt; häufig beteiligen sich mehrere tausend Menschen daran. Die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh ruft zu den Demonstrationen auf.

Fast in jedem Jahr gibt es neue Entwicklungen, auf die sich die Demonstrierenden beziehen. Häufig ging es dabei in den vergangenen Jahren um staatliche Ermittlungen in dem Fall, die entweder wieder aufgenommen oder wieder eingestellt wurden.

Oury Jalloh ist kein Einzelfall

2024 gab es eine neue Entwicklung im Fall Hans-Jürgen Rose. Dieser war im Dezember 1997 an schweren inneren Verletzungen gestorben, kurz nachdem er das Polizeirevier Dessau verlassen hatte. Die Angehörigen erstatteten nun Anzeige gegen vier Polizisten. Ein Gutachten hatte zuvor den Verdacht bestärkt, dass Rose auf dem Revier misshandelt worden war.

Zudem sorgte 2024 ein Urteil in Dortmund für Empörung. Das dortige Landgericht hatte fünf Polizisten freigesprochen, die am tödlichen Einsatz gegen den 16-jährigen Mouhamed Dramé beteiligt waren. Dieser soll die Polizisten nach einem Pfeffersprayeinsatz mit einem Messer bedroht haben, woraufhin er erschossen wurde.

Zu der Oury-Jalloh-Demonstration in Dessau am 7. Januar 2025 sind gemeinsame Anreisen aus verschiedenen Städten, darunter Berlin, Halle und Leipzig, geplant. Treffpunkt in Leipzig ist 12.50 Uhr im Hauptbahnhof an Gleis 10.

Bereits am Montag fand in Naumburg eine kleinere Demonstration mit circa 150 Teilnehmenden statt. Hier befindet sich das Oberlandesgericht, das 2019 entschieden hatte, dass es im Fall Oury Jalloh keinen weiteren Prozess geben wird.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

René Loch über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar