Auf der einen Seite stehen rund 100 Menschen mit Palรคstina-Fahnen, auf der andere Seite ungefรคhr genau so viele mit Israel-Fahnen. Die einen bezeichnen die anderen abwertend als โUltradeutscheโ, mรผssen dafรผr aber mit dem Vorwurf des Antisemitismus leben. Am Freitagabend treffen vor der HTWK zwei verfeindete Gruppen mal wieder aufeinander.
Anlass ist ein Vorfall an selber Stelle eine Woche zuvor. Die Gruppe โStudents for Palestine Leipzigโ hatte am Eingang zur HTWK-Bibliothek einen Infostand eingerichtet, um โmit Studierenden ins Gesprรคch zu kommenโ. Ein spรคter verรถffentlichtes Video zeigt, wie sechs vermummte Personen auf die Palรคstina-Aktivist*innen zulaufen. Es kommt zu einem Gerangel; mindestens ein Mensch liegt am Boden.
Warum sich die Personen vermummt und die Auseinandersetzung gesucht haben, geht aus dem Video nicht hervor. Die โStudents for Palestineโ vermuten โUltradeutscheโ hinter dem Angriff. Gemeint ist damit offenbar eine Strรถmung innerhalb der radikalen Linken, die als โantideutschโ bezeichnet wird und grundsรคtzlich solidarisch mit dem Staat Israel ist.
Demo gegen Antideutsche in der Hochburg der Antideutschen
Mit der Kundgebung am Freitagabend wollen sich die โStudents for Palestineโ laut Demoaufruf โden Kiez zurรผckholenโ, also Connewitz; jenen Stadtteil, der noch vor einigen Jahren in Medienberichten als โHochburg der Antideutschenโ bezeichnet wurde. Inwiefern das gegenwรคrtig noch der Realitรคt entspricht, ist umstritten. Mittlerweile gibt es in Deutschland kaum noch relevante Gruppen, die sich selbst als โantideutschโ bezeichnen.
Zumindest an diesem Freitagabend gibt es Protest gegen die pro-palรคstinensische Veranstaltung. Wรคhrend seit etwas mehr als einem Jahr diverse Gruppen aus diesem Spektrum regelmรครig ohne Gegenprotest auf die Straรe gehen konnten, wird die Kundgebung vor der HTWK offenbar als Provokation betrachtet und mobilisiert einen Teil der Linken in Connewitz. Letztlich stehen sich auf beiden Seiten jeweils rund 100 Personen gegenรผber.
Bei der Palรคstina-Kundgebung gibt es einige Redebeitrรคge. Diese thematisieren den Vorfall vor einer Woche und weitere Vorfรคlle. So wurden vor einem Monat in der Nacht auf den Jahrestag des Hamas-Massakers mehrere Einrichtungen in Leipzig mit Israel-solidarischen Symbolen und Parolen beschmiert. In diesen Einrichtungen haben zuvor Veranstaltungen pro-palรคstinensischer Gruppen stattgefunden.
Einen weiteren Vorfall gab es Mitte Oktober. Das โStudierendenkollektiv Leipzigโ, ebenfalls eine pro-palรคstinensische Organisation, veranstaltete zu dem Thema โWie Leipzig zur linken Hochburg des Ostens wurdeโ einen Rundgang in Connewitz. Dabei wurden die Teilnehmer*innen nach Angaben des Kollektivs โvon Zionistenfaschos angegriffen und herumgeschubstโ. Auch in diesem Fall sind offenbar tatsรคchliche oder vermeintliche Antideutsche gemeint.
Parole gegen Parole
รhnliche Auseinandersetzungen sind an diesem Freitagabend nicht zu beobachten. Stattdessen rufen beide Seiten ausdauernd Parolen in Richtung der anderen. Rufen die einen โViva Palรคstinaโ und โZionisten sind Faschistenโ, antworten die anderen mit โLang lebe Israelโ und โIslamisten sind Faschistenโ.
Eine Auswahl weiterer Parolen:
โFree Palestineโ
โFree Eisi From Hamasโ
โPalestine will be freeโ
โConnewitz bleibt antideutschโ
โNazis raus aus Connewitzโ
โNie wieder Gazaโ
โKindermรถrder Israelโ
โEuch holt der Mossadโ
โIntifada Revolutionโ
โFรผr die Freiheit, fรผr das Leben, Palis von der Straรe fegenโ
โWo sind die Geiseln?โ
Die Polizei ist mit einigen dutzend Beamt*innen vor Ort, hรคlt sich zunรคchst eher im Hintergrund, bildet spรคter aber zwei Ketten zwischen den beiden Lagern. Auf beiden Seiten sind neben den National- beziehungsweise Territorialflaggen auch Antifa-Fahnen und Fahnen der Linkspartei zu sehen.
Nach ungefรคhr zwei Stunden starten die โStudents for Palestineโ einen Aufzug Richtung Stadtzentrum. Besondere Vorkommnisse werden bis zum spรคten Abend nicht bekannt. Die nรคchste pro-palรคstinensische Demonstration wird mit hoher Wahrscheinlichkeit bald folgen.
Empfohlen auf LZ
So kรถnnen Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstรผtzen:
Keine Kommentare bisher