Es ist die „Gnade des Alters“, dass man sich an althergebrachte Technologien und Zukunftsvisionen erinnern kann, ganz ohne in Nostalgie zu verfallen. Im konkreten Falle wäre da der Eismann, nicht der mit dem Speiseeis, sondern der, der morgens mit der Trillerpfeife im Hausflur pfiff und die Eisblöcke für den Eisschrank brachte. Auch an den Weg in den Keller mit vier leeren Eimern und zurück mit diesen vollen Briketts, um den Ofen zu heizen und die Blech-Aschentonnen, an die heute manchmal der Aufkleber „Keine heiße Asche einfüllen“ kann ich mich erinnern.
Der Waschbottich im Waschhaus, der am Abend vor der großen Wäsche angeheizt werden musste, ist auch eine dieser Technologien.
Was waren wir froh über Kühlschrank, Fernheizung und Waschmaschine! Niemand wäre auf die Idee gekommen, diese Technologien infrage zu stellen. Technologieoffenheit, wenn es den Begriff schon gegeben hätte, wäre immer technologischer Fortschritt gewesen und die Zukunft brachte – in unseren Träumen – immer neue und fortschrittliche Technologien.
Technologieoffenheit als Fortschrittsbremse
Diese Träume sind ausgeträumt. Mit der Erfindung des Terminus „Technologieoffenheit“ kämpfen Protagonisten in Wirtschaft und Politik um die Bestandswahrung alter technischer Lösungen. Auch wenn es über ein Jahr her ist, sei hier an den Welt-Artikel von Marcus Woeller erinnert, in dem es heißt: „Wärmepumpen sind nicht immer effizient – aber immer laut und hässlich. Sie symbolisieren die letzte Entfremdung des Menschen von der Beherrschung des Feuers: Ihre Durchsetzung würde unser Leben völlig verändern.“
Es soll hier nicht um die Wärmepumpe als Technologie gehen, darüber habe ich schon geschrieben, sondern um die „Beherrschung des Feuers“ und die Entfremdung des Menschen nicht nur von dieser.
Die Beherrschung des Feuers war tatsächlich ein technologischer Fortschritt in der Entwicklung der Menschheit, wo wären wir ohne diese? Allerdings waren auch die Domestizierung des Pferdes und der Brieftaube solche. Wollen wir deshalb unsere Briefe wieder mit Postkutschen oder Tauben transportieren?
Wer das Flämmchen im Öl- oder Gasbrenner seiner Heizung als technologisch notwendig ansieht, der redet nicht wirklich vom Feuer, sondern von Verbrennung. Technologischer Fortschritt kann durchaus zur Vermeidung des „Verbrennens von Rohstoffen“ sein.
Das Argument „Entfremdung des Menschen von der Beherrschung des Feuers“ ist typisch für falsch verstandene Technologieoffenheit.
Es gibt keinen Rauch ohne Feuer
Auch wenn das Sprichwort etwas anderes meint, es trifft hier zu. Verzichten wir auf das Verbrennen, dann haben wir weniger Rauch. In der Wohnung, nach Abschaffung des Kohleofens, fanden wir das doch gut, oder? Genauso gut ist es in der freien Natur, wenn die Abgase von Holz-, Öl- und Gasheizungen, Öl- und Gaskraftwerken, Otto- und Dieselmotoren und anderen Verbrenner-Technologien nicht mehr entstehen.
Warum wehren sich viele Menschen gegen fortschrittliche Technologien?
Angst frisst Vernunft
Die Antwort ist wohl: Viele Menschen haben Angst vor dem Verlust von Komfort und Wohlstand. Das ist nicht neu, schon die Maschinenstürmer kämpften, Anfang des 19. Jahrhunderts, gegen neue Technologien und heute kämpfen die Hafenarbeiter an der US-Ostküste nicht nur um höhere Löhne, sondern gegen einen Abbau von Arbeitsplätzen durch Automatisierung.
Es geht den „einfachen Menschen“, die sich gegen neue Technologien aussprechen, nicht wirklich um diese – es geht ihnen meist darum, dass sich ihre Lebensverhältnisse nicht verschlechtern. Diese Angst steht der Erkenntnis, dass neue Technologien das Leben erleichtern und die Umwelt und somit das Leben künftiger Generationen schützen, entgegen. Was hat sich gegenüber den einleitend beschriebenen Fortschritten geändert?
Propaganda der Alternativlosigkeit
Wir haben es geradezu verinnerlicht, dass Wohlstand und materielle Sicherheit für die Mehrheit der Bevölkerung nur mit Vollzeitarbeit, mindestens acht Arbeitsstunden am Tag, gewährleistet werden kann. Alles, was dazu führt, dass für diese Zeit nicht genügend Arbeit da ist, zieht den Abbau von Arbeitsplätzen nach sich und Menschen verlieren Wohlstand und Sicherheit. Mit der Masse an produzierten Waren und Dienstleistungen hat das nichts zu tun, schon gar nicht mit den Unternehmensgewinnen.
Wenn also die Produktivität und die Unternehmensgewinne, zum Beispiel durch Automatisierung, steigen und gleichzeitig die erforderliche Stundenzahl sinkt, dann gibt es Entlassungen. Volkswirtschaftlich führt das zu sinkender Kaufkraft im Inland und höheren Sozialausgaben. Wir betrachten es als alternativlos, dass technologischer Fortschritt zu Wohlstandsverlust für arbeitende Menschen führt.
Auf der anderen Seite stehen Unternehmen, die mit ihren althergebrachten Produkten Gewinne erzielen. Mit Investitionen in neue Technologien wären die Gewinne vielleicht höher, aber vorher stehen Investitionskosten an. Warum also erneuern, wenn das alte noch läuft? Andere mächtige Unternehmen verlieren mit den fortschrittlichen Technologien ihre Daseinsberechtigung, beispielsweise Öl- und Gasförderer.
Was liegt also näher, als den Menschen das bestehende Wirtschaftssystem und die traditionellen Technologien als alternativlos zu propagieren?
Wie wird das propagiert?
Das erste Stilmittel ist es, Angst zu schüren. Nehmen wir als Beispiel die erneuerbaren Energien, also Wind- und Solarenergie. Windräder „verspargeln die Landschaft“, „erzeugen gefährlichen Infraschall“, sind nicht recyclebar und so weiter. Solarmodule haben Blendeffekte, sind unzuverlässig, der Flächenverbrauch ist enorm und so weiter.
Der Einsatz von erneuerbaren Energien in großem Maßstab führt zu „Dunkelflauten“ und Speicher können nur mit Unmengen seltener Rohstoffe hergestellt werden. Jedes Mal, wenn eine dieser Thesen widerlegt wird, beispielsweise durch neue Batterietechnologien, kommt ein neues Angstthema.
Das zweite Propagandamittel ist es, alte Technologien schönzureden. Letztes Beispiel lieferte Sigmar Gabriel, der findet, dass der Dieselmotor in Pkws ökologisch mit dem Elektroantrieb mithalten kann. Das kann er zwar nicht beweisen, aber er benennt schon den eigentlichen Grund: das stille Sterben der Autozulieferer. Die arme Deutsche Automobilindustrie ist selbstverständlich, mit ihrem Festhalten an der Verbrenner-Technologie, nicht schuld an Rückgängen im Export.
Als Drittes kann man Fantasie-Technologien aufführen. Die gleichen Protagonisten, die eine Stromversorgung mit erneuerbaren Energien infrage stellen, wollen mit erneuerbaren Energien eFuels und grünen Wasserstoff herstellen, um diese „alternativen Kraftstoffe“ mit geringem Wirkungsgrad in Fahrzeugmotoren zu verbrennen. Manchmal wollen sie auch gleich Flugtaxis als öffentlichen Nahverkehr einsetzen.
Leider hat diese Propaganda oft Erfolg.
Fazit: Wir leben in einer fortschrittsfeindlichen Welt, es erscheint unmöglich, technologischen Fortschritt im Produktionsbereich anders einzusetzen, als diesen mit Entlassungen von Arbeitskräften zu verbinden. Maßnahmen wie Arbeitserleichterungen für Menschen durch Technologie, eventuell in Verbindung mit einer Verkürzung der Tagesarbeitszeit ohne Lohnverlust, erscheinen utopisch.
Der Schutz und die Sicherung der Lebensgrundlagen für kommende Generationen ist uns zu teuer und stört die Geschäftsmodelle traditioneller Industriezweige.
Es stellt sich die Frage: Ist das wirklich alternativlos?
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Wir im Westen sind eine alternde Gesellschaft. Auch daran merkt man diese geschürte Angst vor etwas Neuem. Jüngere Menschen haben keine oder viel weniger Berührungsängste vor etwas Neuem, sie saugen das Neue eher auf, da sie in der Regel offener sind. Aber Ältere hadern oft mit etwas was sie nicht kennen. Mit Neuem muss ich mich als Betroffener ersteinmal beschäftigen. Und dazu habe ich keine Lust, damit muss ich mich auseinandersetzen, das muss ich ersteinmal begreifen, habe ich somit Angst. Das Althergebrachte ist mir bekannt. Technologieoffenheit verweist dabei auf eine unbestimmte Zukunft und kann auch das Alte beinhalten.