Es war höchste Zeit, dass die SPD in Sachsen und in Thüringen die Reißleine gezogen hat. Sie haben zunächst die Sondierungsgespräche mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) für beendet erklärt. Das war überfällig. Denn mit einer Partei, die keine Probleme hat, mit der AfD in Sachsen und Thüringen gemeinsame Sache zu machen, sind vertrauensvolle Gespräche über gemeinsames Regierungshandeln unmöglich.
Mehr noch: Mit einer Partei, die sich je länger je mehr jenseits von Überzeugung und Haltung als organisierter Personenkult entpuppt, kann es keine Kooperation, geschweige denn ein Koalieren geben. Dass Sahra Wagenknecht ihren eigenen Leuten unmissverständlich aufzeigt, dass sie allein das Sagen haben will, ist nicht überraschend. Dass sich aber die handverlesenen Mitglieder des BSW diesem autoritär-destruktiven Agieren der Namensgeberin des BSW gefügig unterordnen, zeigt auf: Mit dieser „Partei“ lässt sich kaum ein tragfähiger politischer Konsens finden.
Offensichtlich ist das Hauptanliegen von Sahra Wagenknecht, dass sie nicht nur ihre Parteimitglieder, sondern auch die möglichen Koalitionspartner in stalinistischer Manier auf ihre Kernforderung festlegen will: den Krieg in der Ukraine durch Verhandlungen mit Putin-Russland und dem sofortigen Stopp für Waffenlieferungen an die Ukraine zu beenden – unter der Maßgabe, dass dann so Frieden in Europa herrsche.
Dass das mit landespolitischen Themen wie gleichberechtigte Teilhabe an Bildung, bezahlbares Wohnen, menschennaher Gesundheitsversorgung, Neuaufbau einer lebenswerten Infrastruktur im ländlichen Raum usw. zunächst nichts zu tun hat, stört Wagenknecht wenig. Im Gegenteil: Sie ist an landespolitischen Themen gar nicht interessiert.
Stattdessen benutzt sie den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, um aus der saarländischen Komfortzone die Parteiendemokratie vorzuführen und ihr zerstörerisches Wirken auszuweiten. Nach der SPD und der Linken ist nun die CDU und mit ihr die Demokratie in Deutschland dran. Denn ihre Forderungen unter dem Label „Frieden statt Krieg“ kommen ungefähr dem gleich, dass die SPD nur dann in eine Koalition auf Landesebene eintreten würde, wenn die anderen Parteien sich verpflichten, im Bundestagswahlkampf auf jede Kritik an ihrem Kanzlerkandidaten Olaf Scholz zu verzichten. Was für ein Irrsinn!
Wie sehr Wagenknecht gefangen in ihrem narzisstischen Destruktionswahn gefangen ist, zeigt sich allein daran, dass sie überhaupt kein existenzielles Interesse an den Dingen aufbringt, für die sie und das BSW vorgeben zu kämpfen. So hat sie bis heute noch nicht einmal die vom Krieg geschundene Ukraine besucht, um sich vor Ort über die Lage der Menschen ein Bild zu machen. Genauso sind ihre Kenntnisse über die tatsächliche Lage der Menschen, die in prekären Verhältnissen leben und für die sie vorgibt einzutreten, äußerst rar.
Dass Wagenknecht in den letzten Jahren einmal soziale Einrichtungen aufgesucht hat, ist nicht bekannt. Kein Wunder also, in welch herablassenden Ton Wagenknecht über die Menschen redet, die das Bürgergeld beziehen, von ihren Einlassungen über Migrant/-innen ganz zu schweigen.
All das musste jetzt zum klaren Signal der SPD führen: Keine gemeinsame Sache mit diesem one-woman-BSW! Nur so wird auch den Wähler/-innen des BSW bewusst, an wen sie ihre Stimme bei den Landtagswahlen verschenkt haben: an eine Frau, die sich auf die Fahnen geschrieben hat, nach der SPD und der Linken und nach den Rohrkrepierern „Aufstehen“ und „Friedensbewegung“ mit Alice Schwarzer nun auf Landesebene in Sachsen, Thüringen und Brandenburg die Bedingungen für verantwortliches Regieren in der Demokratie zu zerstören.
Dass diese Strategie mit all ihren Folgen auch Wasser auf die Mühlen der Rechtsnationalisten von der AfD leiten kann, erklärt das mehr als ambivalente Verhältnis von Sahra Wagenknecht zu dieser rechtsextremistischen Partei.
Aber auch das kann nur dazu führen, dass jetzt die Parteien zusammenfinden, deren Grundkonsens weiterhin die freiheitliche Demokratie des Grundgesetzes ist, die verantwortliche Politik für die Menschen vor Ort gestalten wollen und jede gemeinsame Sache mit den Rechtsnationalisten von der AfD ablehnen.
Christian Wolff, geboren 1949 in Düsseldorf, war 1992–2014 Pfarrer der Thomaskirche zu Leipzig. Seit 2014 ist Wolff, langjähriges SPD-Mitglied, als Blogger und Berater für Kirche, Kultur und Politik aktiv. Er engagiert sich in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens. Zum Blog des Autors: https://wolff-christian.de/
Es gibt 3 Kommentare
Demokratie ist das, was mir passt.
Die SPD scheint das nicht wie er zu sehen. Da war wohl mehr der Wunsch als die Realität der treibende Gedanke.
Von der Reißleine ist aber nicht mehr viel übrig geblieben. Macht macht süchtig…