Die Anzahl der wohnungslosen Menschen ist auch im Jahr 2024 weiter gewachsen und der Anteil junger Menschen steigt ebenfalls von Jahr zu Jahr. Der 11. September ist der โTag der Wohnungslosenโ und in Leipzig richtete die Arbeitsgemeinschaft โRecht auf Wohnenโ die jรคhrliche Veranstaltung unter dem Motto โFรผr Alle ein Dachโ, auf dem Nikolaikirchhof aus.
Die AG โRecht auf Wohnenโ gibt es in Leipzig seit 1993, sie ist ein freiwilliger Zusammenschluss von Einrichtungen und Diensten der sozialen Arbeit, der Stadtverwaltung und der Stadtratsfraktionen von Die Linke, Bรผndnis 90/Die Grรผnen und SPD.
Etwa 20 Akteure der Wohnungslosenhilfe, die in der Hilfestraรe anzutreffen waren, eine โKรผche fรผr Alleโ, eine โutopische Tafelโ und eine musikalische Umrahmung zogen viele von Wohnungslosigkeit betroffene Leipzigerinnen und Leipziger, aber auch interessierte Menschen an.
In ihrer Erรถffnungsrede dankte Sozialbรผrgermeisterin Dr. Martina Mรผnch den Organisatorinnen und Organisatoren der Veranstaltung und besonders den engagierten, ehren- und hauptamtlich tรคtigen Menschen der Wohnungslosenhilfe: โDer jรคhrliche Tag der Wohnungslosen rรผckt ja wohnungs- und obdachlose Menschen in den Mittelpunkt. Dieser Tag soll dabei helfen, eine Brรผcke zu bauen, eine Brรผcke zwischen ihrer harten Alltagsrealitรคt und einer hoffnungsvolleren Zukunft. Diese Brรผcke wird ja gebaut von Menschen wie Ihnen, die sich Tag fรผr Tag unermรผdlich fรผr die Belange wohnungsloser Menschen einsetzen und die Betroffenen bei jedem Schritt รผber diese Brรผcke begleiten.โ
Das Projekt โHousing Firstโ
Besonders wies Martina Mรผnch auch aus das Projekt โHousing Firstโ hin: โMit dem Leipziger Projekt โEigene Wohnungโ startete ein Programm nach dem Prinzip โHousing Firstโ, durch welches Obdachlosigkeit langfristig bekรคmpft werden soll. Und wir wissen auch aus anderen Lรคndern, dass es ein sehr erfolgversprechendes Projekt ist. Es wird ab dem Jahr 2025 verstetigt und erweitert und das freut mich sehr, dass wir das mit Unterstรผtzung des Stadtrats erreichen konnten.
Es ist das oberste Ziel, wohnungslosen Menschen zunรคchst einen eigenen Mietvertrag und eine eigene Wohnung zu ermรถglichen. Weiterfรผhrende individuelle Hilfen sind wichtig und ergรคnzen diesen Prozess. Dafรผr stellt unsere Partnerin LWB weitere 30 Wohnungen zur Verfรผgung. Das ist nicht selbstverstรคndlich und auch darรผber freue ich mich. Speziell obdachlose Menschen mit verschiedenen Problemlagen bekommen so die Chance, in einem stabilen Umfeld wieder Fuร zu fassen.โ
Das Thema wohnungslose junge Menschen ist nicht neu, aber der Zuwachs in dieser Gruppe ist erschreckend. Wir baten Becky Wehle von machtlos e.V. um ihre Einschรคtzung.
โWohnungslosigkeit von jungen Menschen ist ein Thema, was sehr oft gar nicht wahrgenommen wird, weil sie, im Gegensatz zu รคlteren wohnungslosen Menschen, ganz oft noch andere Ressourcen haben unterzuschlรผpfen, bei Freundinnen, bei Freunden, in der Gartenanlage und noch nicht so auf der Parkbank wie andere รคltere Betroffene auftauchenโ, erklรคrt Becky Wehle.
โNichtsdestotrotz nimmt die Zahl von jungen wohnungslosen Menschen immer mehr zu. Das hat damit zu tun, dass wir in Leipzig einen sehr angespannten Wohnungsmarkt haben. Junge Menschen kรถnnen teilweise nicht bei ihren Eltern ausziehen, obwohl sie schon lange รผber 18 oder 20 sind, weil sie einfach keinen anderen Wohnraum finden, den sie bezahlen kรถnnen.
Sie mรผssen oft aus ihren angestammten Sozialrรคumen wegziehen, ans andere Ende der Stadt, obwohl sie eigentlich dort gern bleiben wollen, wo sie aufgewachsen sind. Das heiรt: Es gibt auch fรผr junge Menschen eine Vielzahl von Herausforderungen, die mit Wohnraum zu tun haben.โ
Susanne Ziebula vom Leipziger Jugendwohnen bestรคtigte die Probleme der Wohnraumversorgung von jungen Menschen: โWir begleiten junge Menschen zwischen 18 und 25 Jahren in ihren ersten eigenen Wohnraum. Wir sind ja heute hier zum Tag der Wohnungslosen auf dem Nikolaikirchhof und ich stehe hier tatsรคchlich fรผr die jungen Leute, die sich zu groรer Zahl bei unserem Projekt fรผr eine Wohnung bewerben.
Darunter sind tatsรคchlich 50 bis 60 Prozent junger Leute, die wohnungs- oder obdachlos sind. Das heiรt: Das Thema steht in Leipzig, das kennen wir schon รผber Jahre und ich wรผrde behaupten, dass es in den letzten Jahren sehr zugenommen hat.โ
Es geht auch um Gesundheitsversorgung
Es ging natรผrlich nicht nur um junge, wohnungslose Menschen. Auch die medizinische Versorgung der Betroffenen ist wichtig. CABL e.V. bietet mit UVO, der umfeldnahen medizinischen Versorgung wohnungsloser Menschen, neben kostenlosen รคrztlichen Sprechstunden fรผr Wohnungslose auch einen mobilen Service und hat dafรผr auch einen dafรผr speziell ausgestatteten Bus.
โHallo, mein Name ist Malika, ich bin die Projektkoordinatorin vom Projekt UVO, der umfeldnahen Versorgung fรผr Menschen ohne festen Wohnsitz. Wir sind ein stรคdtisch gefรถrdertes Projekt und haben uns zur Aufgabe gemacht, Menschen mit unzureichendem Zugang zu Krankenversicherung und medizinischer Versorgung zu unterstรผtzenโ, erklรคrt Malika Autorkhanova vom CABL e.V. das Projekt.
โDas machen unter anderem damit, dass wir diesen Bus haben, mit dem wir dreimal die Woche an die Orte fahren, wo sich die Wohnungslosen aufhalten, um dort niedrigschwellige medizinische Versorgung anzubieten und dabei zu unterstรผtzen, dass Menschen wieder in die regulรคre Gesundheitsversorgung integriert werden.โ
Wir haben auch Akteure aus der Politik befragt, die sich in der Hilfe fรผr wohnungslose Menschen engagieren. Juliane Nagel (Die Linke) fragten wir zu den aktuellen Zahlen: โDie Zahl Wohnungsloser in Leipzig ist auf 945 gestiegen, laut Statistischem Bundesamt zum Januar 24, also um ungefรคhr 150. Das ist eine Tendenz, die wir weiter beobachten werden, wenn wir nicht besser in Prรคvention investieren.
Wir mรผssen den Wohnungsmarkt so gestalten, dass Menschen, nicht ihre Wohnung verlieren oder schnell wieder in Wohnungen kommen. Wir mรผssen natรผrlich auch bei den Hilfesystemen nachsteuern. Diese brauchen personelle Verstรคrkung, sonst werden sie den Bedarfen, die wir leider haben, nicht mehr Herr.โ
Wir haben einige wohnungslose Menschen nach ihren Erfahrungen gefragt, verstรคndlicherweise wollte sich niemand รคuรern. Also haben wir nicht darauf gedrรคngt.
Fazit: In Leipzig gibt es viele engagierte Menschen, Vereine und Verbรคnde, die sich fรผr die Belange der Wohnungslosen engagieren. Auch die Hilfsangebote der Stadt sind vielfรคltig, das muss man anerkennen. Trotzdem wรคchst die Zahl von wohnungslosen Menschen stetig an, weitere Maรnahmen sind erforderlich. Das zeigte der โTag der Wohnungslosen 2024โ deutlich auf.
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