Es scheint, als hätten einige Politikerinnen und Politiker das Thema „Wie machen wir Bürgergeld-Empfängern das Leben schwer?“ ganz oben auf ihrer Agenda. Da werden Sanktionen angedacht, die teils schärfer sind als bei Hartz IV, es wird von „zumutbaren Arbeitswegen“ von drei Stunden täglich geredet und jetzt kommt die „Bezahlkarte für Bürgergeldbezieher“ ins Spiel. Es verwundert wenig, dass über eine Ausweitung des Einsatzes von Bezahlkarten geredet wird.
Maximilian Mörseburg, der das jetzt fordert, macht dies nicht zum ersten Mal. Am 26. Februar 2024 wurde das bereits in „Kommentar zur Bezahlkarte: Ungemach droht“ thematisiert und auf seine Aussage vom 22. des Monats verwiesen:
„Ich bin sehr optimistisch, dass die Bezahlkarte ein großer Erfolg sein wird. Vielleicht wird sie sogar so erfolgreich sein, dass wir bald diskutieren, das Konzept Sachleistung durch Bezahlkarte auf weitere Bereiche im Sozialsystem auszuweiten.“
Das Gespenst der „Totalverweigerer“
Momentan spricht Mörseburg zwar von der Einführung „vor allem für Totalverweigerer.“ Aber: Stellt man das in den Kontext zu den anderen, oben genannten Maßnahmen, dann wird die Ausweitung für viele Menschen, die Bürgergeld beziehen, nur eine Frage der Zeit sein.
Wenn einer dieser Menschen den Arbeitsweg für einen 6-Stundenjob im Mindestlohnbereich, als nicht akzeptabel ablehnt, dann wird er voraussichtlich als Totalverweigerer abgestempelt.
Interessant bleibt abzuwarten, was unter einer „zumutbaren Arbeit“ verstanden wird, wie es sich auswirkt, wenn, laut Tagesschau, „Jobcenter in einem Umkreis von 50 Kilometern vom Wohnort des Bürgergeld-Beziehers nach einem Arbeitsplatz suchen“ und wie der „zumutbare Arbeitsweg“ ermittelt wird.
Nehmen wir dafür beispielhaft an, dass für einen Einwohner von Altenburg ein zumutbarer Arbeitsplatz in Leipzig gefunden wird. Mit dem Auto, bei normaler Verkehrslage, dauert eine Strecke 50 Minuten, mit öffentlichen Verkehrsmitteln bestenfalls 1 Stunde 13 Minuten bis 1 Stunde 28 Minuten. Das ist grob gerechnet, also nicht Haus zu Haus, die Entfernung vom Wohnort zur Arbeitsstelle liegt mit 46 km im Suchbereich des Jobcenters und der Arbeitsweg liegt im 3-Stunden-Bereich, ist also alles „zumutbar“?
Die fiktive Person ist im Beispiel ledig, männlich, Steuerklasse 1, kein Auto und der Job ist im Mindestlohnbereich, ob er „zumutbar“ ist, entscheiden Mitarbeiter im Jobcenter.
Eine Arbeitszeit von 6 Stunden täglich, vereinfacht mit 20 Arbeitstagen im Monat gerechnet, ergibt einen Nettolohn von etwa 1.155 €.
Der tatsächliche tägliche Zeitaufwand liegt, inklusive Arbeitsweg, bei etwa 10 Stunden. Diese setzen sich zusammen aus: 6 Stunden Arbeitszeit + 30 Minuten Pause + ca. 3 – 3,5 Stunden Arbeitsweg, hier müssen Wartezeiten für die öffentlichen Verkehrsmittel eingerechnet werden.
Warum arbeitet er nicht 8 Stunden täglich, für ein monatliches Netto von etwa 1.460,00 €? Wahrscheinlich macht er das nicht, weil der tägliche Zeitaufwand von 11,5 – 12 Stunden für ihn nicht akzeptabel ist.
Lehnt er solche Jobangebote ab, dann wird er, nach den angedachten Sanktionsregeln, voraussichtlich als Totalverweigerer abgestempelt, sanktioniert und darf künftig nur noch mit der Bezahlkarte agieren.
Fazit: Auch wenn in der Überschrift die Bezahlkarte für Bürgergeldbezieher steht, es geht darum, dass durch das Bündel an geplanten Maßnahmen voraussichtlich mehr Menschen zu Totalverweigerern erklärt und somit sanktioniert werden können.
Die Frage ist: Wollen wir das akzeptieren?
***
Und wer ist eigentlich Maximilian Mörseburg? 1992 in Stuttgart geboren, studierte er Jura, war ab 2019 wissenschaftlicher Mitarbeiter einer „großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft“, deren Namen er auf seiner Homepage nicht nennt. 2019 bis 2021 war er Stadtrat in Stuttgart, bevor er das Direktmandat für den Bundestag erlangte, um seine Berufspolitikerkarriere zu starten.
Und ganz offensichtlich macht er solche Vorschläge, um bei Medien wie dem „Focus“ große Schlagzeilen zu bekommen und sich als Nachwuchstalent in der CDU-Fraktion zu profilieren. Und das kann man augenscheinlich derzeit, indem man immer neue Vorschläge unterbreitet, wie man finanziell schwache Menschen in der Bundesrepublik schikanieren kann.
Es gibt 3 Kommentare
Hallo Rudi, vollkommen richtig. Ich habe die Worte “sozial schwach” in “finanziell schwach” verändert. Danke für den Hinweis.
Maximilian Mörseburg soll das natürlich heißen – auch wenn er sich wie ein König fühlen mag ….
“wie man sozial schwache Menschen in der Bundesrepublik schikanieren kann.” Irrtum. Es geht darum _arme_ Menschen bzw. _bedürftige_ Menschen zu schikanieren und zwar in erster Linie durch “sozialschwache Menschen” wie Maximilian König.
Die besitzende Klasse ist in Deutschland besonders bemüht sich nicht am Sozialstaat zu beteiligen. Und je mehr man hat, desto weniger zahlt man letztlich auch in die Gesellschaft ein. Das fängt schon damit an, dass man auf körperliche Arbeit einen erheblich höheren Steuersatz zahlt als auf Kapital. Und wer richtig viel Kapital hat, zahlt nahezu keine Steuern, weil man sich dann auch die entsprechenden Steuerberatungen leisten kann. Das ist _sozialschwach_. https://www.wiwo.de/finanzen/geldanlage/vermoegensverteilung-studie-beweist-superreiche-zahlen-weniger-steuern-als-der-mittelstand/29764214.html