Man reibt sich verwundert die Augen: Donald Trump will den Ukraine-Krieg in einem Tag beenden, jedenfalls noch vor seiner Einführung als neuer Präsident der USA, sollte es überhaupt dazu kommen (was der liebe Gott und die Wähler/-innen in den Vereinigten Staaten verhindern mögen). Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán, der derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat, begibt sich auf eigene Faust auf „Friedensmission“ in die Ukraine, nach Russland und China. Er sehnt sich Donald Trump als nächsten Präsidenten der USA herbei und begründet seine Motivation damit, dass die Waffen so schnell wie möglich schweigen müssen.
Der Spitzenkandidat der AfD in Thüringen Björn Höcke ruft bei der Eröffnung des Landtagswahlkampfes zu einer „großen überparteilichen Friedensbewegung“ auf und möchte, dass lieber heute als morgen die Gaslieferungen aus Russland in Gang gesetzt werden.
Sahra Wagenknecht und ihr BSW wollen sofort einen Waffenstillstand herstellen und plädieren ebenfalls für die Wiederaufnahme der Gaslieferungen aus Russland.
Alle Vorschläge werden gemacht von Leuten, die (bis auf Sahra Wagenknecht) ausgewiesene Demokratie-Zerstörer mit enormer krimineller Energie sind, nationalistisch-autokratischen Vorstellungen folgen und sich dabei im Einklang sehen mit dem, natürlich von ihnen definierten „Volk“. In diesem Sinn sind sie „natürliche Partner“ des Putin-Russland. Diese Gemengelage verdeckt völlig, worum es beim Ukraine-Krieg geht.
Russland hat diesen Krieg nicht vom Zaun gebrochen, weil es sich bedroht gesehen hat vom Westen oder der NATO. Das Putin-Russland verfolgt mit diesem Krieg seine nationalistisch-imperialistischen Ziele: die Herstellung eines großrussischen Reiches mit dem Anspruch, Weltmacht zu sein, bei gleichzeitiger ideologischer Gleichschaltung der Bevölkerung. Diesem Ziel stehen die inzwischen selbstständig gewordenen Teile der alten Sowjetunion wie die Ukraine, Belarus, Georgien, Moldawien dann im Wege, wenn sie ihre eigene Staatlichkeit verfolgen, sich zu freiheitlichen Demokratien entwickeln und langfristig Teil der EU werden wollen.
Insofern verfolgt Putin mit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine das Ziel, die Ukraine an einer eigenständigen Entwicklung zu hindern, den Autokratismus zu fördern und die westlichen Demokratien weiter zu destabilisieren.
Vor diesem Hintergrund ist mehr als auffällig: Alle oben aufgeführten Vorschläge, schnell zu einer Beendigung der kriegerischen Handlungen zu gelangen, haben weder die Bevölkerung der Ukraine, noch ihren politischen Willen, noch die Erhaltung der Staatlichkeit der Ukraine im Blick. Alle Vorschläge beziehen sich auf das Putin-Russland – so, als ob Putin „Opfer“ einer verfehlten Politik des Westens sei und nun in irgendeiner Weise besänftigt werden müsse (das jedenfalls ist immer der Unterton bei Sahra Wagenknecht).
Dennoch: Die ausschließlich auf die aktuelle Kriegsführung und Waffenlieferungen ausgerichtete Politik der EU und Deutschlands ist mehr als gefährlich. Das gilt sowohl für das ideologisch aufgeheizte Stichwort „Kriegstüchtigkeit“ wie für den horrenden Ausbau der Rüstungsproduktion und die zwischen US-Präsident Joe Biden und Bundeskanzler Olaf Scholz abgesprochene Stationierung neuer Raketen auf deutschem Boden ohne jede Perspektive für Abrüstungsinitiativen und -verhandlungen.
Gerade weil sich die militanten Vertreter des nationalistischen Autokratismus derzeit als Teil einer „Friedensbewegung“ aufspielen, gerade weil sich derzeit im Nahen Osten die katastrophalen Folgen rein militärischer Interventionspolitik auf grauenhafte Weise zeigen, gerade weil die Kriege der letzten Jahrzehnte nur verbrannte Erde und Unregierbarkeit ganzer Regionen nach sich ziehen: Gerade deshalb ist es unerlässlich, dass Deutschland seine Politik, auch die militärische Unterstützung der Ukraine, endlich in eine überzeugende, öffentlich kommunizierte Friedensperspektive für Europa einbettet.
Wir dürfen gerade als Sozialdemokrat/-innen nicht länger zulassen, dass diejenigen, die aus sehr durchsichtigen Gründen die Ukraine den imperialistischen Interessen Russlands ausliefern wollen, sich jetzt in den Wahlkämpfen als „Friedensstifter“ aufspielen können, während sozialdemokratische Politik als „kriegstreibend“ diffamiert werden kann. Deswegen sollte Verteidigungsminister Boris Pistorius den Begriff „kriegstüchtig“ schnellstens aus seinem Vokabular streichen.
Darum muss die Sozialdemokratie gerade im Blick auf die Ukraine Grundzüge einer europäischen Friedenspolitik kommunizieren – und zwar durch ihre Mandatsträger/-innen. Darum brauchen wir eine selbstbewusste öffentliche Debatte um die – auch militärischen – Maßnahmen, die langfristig den Frieden sichern und vor allem Konsequenzen ziehen aus den verheerenden Fehlern kriegerischer Interventionspolitik in Afghanistan, Mali, Nahost.
Doch den wichtigsten Beitrag kann heute schon jede und jeder für den Frieden leisten: hier, vor Ort für die freiheitliche Demokratie eintreten; hier, vor Ort den Menschen das Rückgrat stärken und für die Demokratie begeistern; hier, vor Ort keinen Millimeter vor den derzeit säuselnden Vertreter/-innen eines nationalistischen Autokratismus zurückweichen.
Resilienz, Widerstandsfähigkeit gegenüber den Versuchungen des Autokratismus wird nicht dadurch erzielt, dass man sich auf die Gewaltebene der Autokraten ziehen lässt. Resilienz wohnt den Werten inne, die Grundlage einer offenen, demokratischen Gesellschaft sind.
Christian Wolff, geboren 1949 in Düsseldorf, war 1992–2014 Pfarrer der Thomaskirche zu Leipzig. Seit 2014 ist Wolff, langjähriges SPD-Mitglied, als Blogger und Berater für Kirche, Kultur und Politik aktiv. Er engagiert sich in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens. Zum Blog des Autors: https://wolff-christian.de/
Es gibt 12 Kommentare
LOL
Genau das machen wir doch.
Siehe Gefangenaustausch, siehe weitere wirtschaftliche Zusammenarbeit (Gas, Öl…) etc. pp.
Um in Ihrem Vokabular zu bleiben: ein kleines Bisschen lassen wir uns von Russland ficken.
Fordern kann man auch immer viel, Sie liegen nicht im Schützengraben, da kann man große Töne spucken. Derweil wird auf beiden Seiten sinnlos gestorben.
Lösung? Haben Sie nicht. Nur Postings, die rhetorisch unterstes Niveau sind und uns nicht weiterbringen, Herr Thurm.
Lieber Namensvetter,
Wer selbst stark übertriebene Ironie nicht erkennen kann, sollte es vielleicht selbst bleiben lassen, statt anderen das Vertrollen ans Herz zu legen.
Nein, den Rußlandfreund lasse ich mir von Ihnen nicht auch noch andichten…
Beste Grüße!
In der Tat, Rechtsregressive und faschistische Menschenverächter tendieren zum pathologischen Lügen und vorsätzlichen Verengung ihrer bereits sehr kleinen Gedankenwelt, das erkennt mensch bei Trump, Putler, und auch Xitler, sehr gut, von den hetzenden “Rußlandfreunden” hier ganz zu schweigen.
Und auch hier haben sich die Vorredner mit ihren rechten Märchen und “Friedensphantasien” nicht mit Ruhm bekleckert, wie auch mein gerne von rechts stänkernder Namensvetter.
Nur mal so zur Erinnerung: Das aktuelle russische Regime ist faschistoid, autoritär, aggressiv und destruktiv, insbesondere gegenüber progressiven Demokratien. Dort werden Menschen eingesperrt, gefoltert und eventuell sogar getötet, weil sie eine Regenbogenflagge gezeigt haben und somit “Terroristen” sind!
Außerdem kann ich den ganzen rechten (und linksextremistischen) Rußlandtrollen, also die ersten fünf Subjekte hier, auch mal gerne die folgende, drastisch formulierte, rhetorische Frage stellen: Wenn ein Mensch vergewaltigt wird, würdest du dann diesem Menschen etwa auch raten, mit dem Vergewaltiger zu vereinbaren, daß es in Ordnung wäre, wenn er seinen Schwanz “nur ein bißchen” in die entsprechende Körperöffnung steckt!?
Aber ich sehe schon, diese Subjekte, und natürlich auch mein sich subjektiv anekdotisch die eigene Traumwelt herbeiphantasierender Namensvetter, haben jeglichen Sinn für die harte Realität verloren, inklusive revisionistischer Geschichtsvergessenheit.
Am besten stänkern solche Leute besser in ihren kleinen, haßerfüllten, faschistoiden, menschenverachtenden, gegenüber Faschoregimen appeasement-affinen Filterblasen weiter. Hier haben solcherlei Stänkerer und “Denkoptimierte” nichts verloren.
Sebastian Thurm
Leute, hört doch auf Lügen zu verbreiten… Rechtsregressiv und so!
Die Nato verleibt sich alle Staaten nach Rußland hin ein. Um Rußland imperial zu bedrohen. Das Bündnis wird mächtiger und mächtiger, nur für den einen Zweck: sich das größte Land der Erde, die Atommacht Rußland, unter die Fittiche zu reißen.
Der vielstimmige Meinungskanon der Mitgliedstaaten (inkl. Ungarn und Türkei) gilt nichts.
Es stimmt nicht, daß die kleineren Länder, die in der Zeit seit der Wende beigetreten sind, das aus Sorge vor einem Angriff Rußlands getan haben. Es war in Wirklichkeit der Ami, der das wollte.
Es stimmt nicht, dass die beiden skandinavischen Staaten, um die sich die Nato kürzlich erst, in ihrer gewohnt imperialistischen aggressiven Art, erweitert hat, Jahre ohne das Bündnis auskamen, und erst die Spezialoperation vom GröFaZ das Fass zum überlaufen brachte.
Das enorme Abwehrpotential der Atommacht Rußland, mit seinen vielen Raketen, Panzern und Sprengköpfen: Märchen! Lügen! Rechtstendenziös!
Und die imperialistischen Aussagen der Führungsriege um Putler und Medwedew sind auch nur Erfindungen amerikanischer Medien. Leute, hört die Signale.
@Michael
In welchem Artikel des Budapester Memorandums soll denn stehen, dass es um eine neutrale Ukraine ging?
Darin sicherten, vor allem Russland, die Unabhängigkeit und Unverletzlichkeit der Ukraine zu.
Was bitte daran ist unklar?
Als dann Putin einfach – trotz Memorandum – die Krim annektierte, da die Regierung geschwächt war (Ãœbergangsregierung), veränderte die Ukraine – verständlicherweise – ihre Politik und änderte 2019 die Verfassung, mit dem Ziel des Eintritts in die EU und die NATO. Davor war das kein Ziel, obwohl Russland permanent Druck ausübte, teils sogar die Ukraine angriff (Flotten).
Mal davon kann und darf jedes Land selbst entscheiden, in welchen Vereinen es Mitglied sein möchte. Der Trend zur NATO basiert vor allem auf der aggressiven und imperialistischen Politik Putins.
Michael: Und weiter? Hier wurde sich anscheinend vertragswidrig von einigen Ländern verhalten, da haben Sie Recht. Dann muss dagegen vorgegangen werden. Dafür gibt es Institutionen zwischen den Staaten, die sich damit befassen müssen.
Aus dem Fehlverhalten jetzt eine Berechtigung zum Angriff abzuleiten oder die Reaktion von Russland als verständlich erscheinen zu lassen, was bei Ihrem Beitrag für mich durchklingt, ist nicht akzeptabel.
Wenn man sich überlegt, wieviel Geld sowieso schon in Rüstung / Armee “investiert” wird, weltweit, das ist völlig irre.
Drei grundlegende Dokumente, die die Staatlichkeit und Souveränität der Ukraine im internationalen Recht bekräftigen, sind der Aufmerksamkeit von Herrn Wolff (und der NATO bzw. den USA und anscheinend auch dem in die Staatsführung der Ukraine gewählten Schauspielers) „entgangen“:
Die Unabhängigkeitserklärung der Ukraine von 1991, in der es heißt, dass „die unabhängige Ukraine eine immerwährende Neutralität annehmen wird, ohne die Absicht, sich Militärblöcken anzuschließen“.
Die ukrainische Verfassung, die 1996 auf der Grundlage der Unabhängigkeitserklärung verabschiedet wurde, enthielt auch die Institution der Neutralität.
Die Ukraine unterzeichnete im Dezember 1994 ein von den Großmächten garantiertes Dokument über die Abrüstung ihrer verbliebenen sowjetischen Atomwaffen, die sogenannte Budapester Erklärung. Das Dokument wurde von der neutralen Ukraine unterzeichnet und enthält Garantien für die neutrale Ukraine. Zweck und Inhalt der Budapester Erklärung waren eng mit dem neutralen Status der Ukraine verknüpft, den die NATO 2008 ebenfalls ignorierte, als sie die Ukraine als potenzielles NATO-Mitglied benannte.
Wie entlarvend . Alle Friedensvorschläge kommen von der falschen Seite. Wir sollten das Vokabular (kriegstüchtig) ändern. Die militärischen Massnahmen, die langfristig den Frieden sichern. Von einem Anruf in Moskau vom direkten Reden steht in dem Artikel gar nichts.
Diese Ideologieverbohrtheit ist unerträglich. Ich kann verstehen, dass die Leute, um diese Pharisäer loszuwerden, sich sogar lieber zum Teufel begeben.
Da gab es mal eine Losung mit „Gott“ auf den Koppeln einiger deutscher Wehren. Die Weltgewissheit des wenn nicht „Christen“, so doch Theologen kommt sicher auch von ganz oben. Oh L-IZ, was ist aus dir geworden!
Wer hat Dich verraten: die Sozialdemokraten.
SPD-Wahlkampfbeitrag in der LIZ. Was kommt als nächstes – die Linke?