Die Kritik an den Umständen der Auslieferung von Antifaschist*in Maja nach Ungarn wird lauter. In einem Offenen Brief hat die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK), eine Interessensvertretung von etwa 170.000 Rechtsanwält*innen, das Vorgehen der Generalstaatsanwaltschaft (GStA) Berlin als „in einem Rechtsstaat nicht hinnehmbar“ bezeichnet.
Die Auslieferung nach Ungarn habe man mit „großer Irritation“ der Presse entnommen, heißt es in dem Offenen Brief, der am Montag, 8. Juli, veröffentlicht wurde. Grund dafür ist vor allem das Verhalten der Generalstaatsanwaltschaft Berlin, die eine absehbare Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes nicht abgewartet habe. Der Brief ist sowohl an die GStA als auch an die Berliner Justizsenatorin Felor Badenberg adressiert.
„Als Anwaltschaft setzen wir uns für den Zugang zum Recht ein“, schreiben die Verfasser*innen weiter. „Dies schließt die Möglichkeit der Einlegung von Rechtsmitteln ebenso ein, wie die zwingende Akzeptanz und Umsetzung von Gerichtsbeschlüssen – insbesondere des höchsten Gerichts in Deutschland.“
Gericht hatte Auslieferung verboten
Das Bundesverfassungsgericht hatte die Auslieferung von Maja per Eilentscheidung verboten. Zu diesem Zeitpunkt soll sich die betroffene Person aber schon in Ungarn befunden haben. Sie soll dort – so der Vorwurf der ungarischen Behörden – im Februar 2023 an einem Angriff auf mutmaßliche Neonazis beteiligt gewesen sein. Die BRAK fordert nun eine „sofortige Aufklärung des Vorganges“.
Bereits in der vergangenen Woche hatte die GStA die Kritik an ihrem Vorgehen zurückgewiesen. Die Absicht der Rechtsanwälte von Maja, beim Bundesverfassungsgericht einen Eilantrag einzureichen, sei nicht bekannt gewesen. Dass Maja noch in der Nacht ausgeliefert wurde, begründete die GStA mit angeblich geplanten Störaktionen durch Sympathisant*innen.
Deutsche Behörden berufen sich im Umgang mit Linksradikalen immer wieder auf angebliche Äußerungen in sozialen Medien oder auf Indymedia; wenn vorhanden, dann meist anonym verfasst. Im vergangenen Jahr wurden unter anderem damit die massiven Einschränkungen rund um „Tag X“ begründet. Beispielsweise habe es angeblich Drohungen gegen Stadtfest und Grönemeyer-Konzert gegeben. Belege dafür gab es nicht und ein Text auf Indymedia wurde fragwürdig interpretiert.
Kritik von vielen Seiten
Vor der BRAK hatten bereits die Vereinigung Berliner Strafverteidiger*innen und der bewegungsnahe Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) die GStA Berlin kritisiert. Die „Nacht- und Nebel-Entscheidung“ der Behörden habe einen effektiven Rechtsschutz verhindert, so der RAV. Auch die Berliner Vereinigung wirft der GStA eine „Vereitelung von Rechtsschutz“ vor.
Durch den Offenen Brief der BRAK erhält die Kritik eine neue Dimension. Die Kammer ist die Dachorganisation von 28 Rechtsanwaltskammern und der Rechtsanwaltskammer beim Bundesgerichtshof. Sie vertritt die Interessen von etwa 170.000 Rechtsanwält*innen.
Wie es mit Maja weitergeht, ist offen. Das Bundesverfassungsgericht hatte die Generalstaatsanwaltschaft zwar aufgefordert, Maja notfalls nach Deutschland zurückzuholen, doch dürfte Ungarn daran kein Interesse haben. Aus Sicht eines Anwaltes im „Budapest-Komplex“, der am Samstag auf einer Demo in Leipzig gesprochen hat, könnte wohl nur noch die Bundesregierung etwas bewegen.
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